Berlin wählt schon wieder. Wenn am Sonntag die Bundestagswahl vom 26. September 2021 teilweise wiederholt wird, ist allerdings vieles anders als üblich. Fünf Gründe, warum der Wahlgang ungewöhnlich und besonders ist:
BUNDESWEITE PREMIERE: Bei der Wahl handelt es sich um die erste durch das Bundesverfassungsgericht angeordnete Wahlwiederholung in der Geschichte. Im Gegensatz zum Berliner Verfassungsgerichtshof, der wegen vieler Wahlfehler am Superwahltag 2021 eine Komplettwiederholung der Wahl zum Abgeordnetenhaus angeordnet hatte, hielten die Karlsruher Richter ein solches Vorgehen für die Bundestagswahl nicht für nötig.
TEILWAHL: Es wird nicht überall gewählt, sondern nur in 455 von 2256 Wahlbezirken und den zugehörigen Briefwahlbezirken. Zwar sind alle zwölf Berliner Bundestagswahlkreise betroffen, aber in unterschiedlichem Maße: So wird in Pankow in 85 Prozent der Urnenwahlbezirke erneut gewählt, in Berlin-Lichtenberg sind es nur 2,9 Prozent. Folge: Je nach Zuschnitt der Wahlbezirke kann es sein, dass in einer Straße Bewohner der einen Seite wählen können und Bewohner der anderen Seite nicht.
KANDIDATEN: Parteien dürfen keine neuen Kandidaten aufstellen, der Stimmzettel hat so auszusehen wie 2021. Das führt beispielsweise dazu, dass formell die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann erneut antritt, die es 2021 nicht in den Bundestag geschafft hatte. Sie wurde im Dezember 2022 bei einer großangelegten Razzia festgenommen und sitzt in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr Mitgliedschaft und Unterstützung einer (rechts-)terroristischen Vereinigung vor. SPD-Kandidat Michael Müller steht mit der Berufsbezeichnung Regierender Bürgermeister auf dem Stimmzettel. 2021 war er das noch, heute hat er das Amt längst nicht mehr inne.
DOPPELWAHL: Die Kandidaten bleiben gleich, das Wahlvolk aber hat sich geändert. Denn diesmal dürfen auch diejenigen mitwählen, die erst in der Zwischenzeit 18 Jahre alt geworden sind und beim ersten Anlauf 2021 noch kein Wahlrecht hatten. Und wer zum Beispiel 2021 in Stuttgart oder Hamburg gewählt hat und zwischenzeitlich nach Berlin gezogen ist, darf sogar zum zweiten Mal nach 2021 seine Stimme abgeben, wenn in seinem jetzigen Wahlbezirk wieder gewählt wird.
AUSWIRKUNGEN: Abhängig vom Abstimmungsergebnis und von der Wahlbeteiligung kann es sein, dass einzelne Berliner Abgeordnete gut zur Halbzeit der Legislaturperiode künftig nicht mehr im Bundestag vertreten sind und andere neu einziehen. Das gilt sowohl für das Direktmandat im Wahlkreis als auch für Listenplätze. In geringem Maße könnte die Wahl aber auch Auswirkungen auf andere Bundesländer haben. Hintergrund ist die bundesweite Gewichtung der Stimmanteile der Parteien. So ist es denkbar, dass der eine oder andere Berliner Bundestagsabgeordnete aufgrund seines Wahlergebnisses oder einer womöglich geringen Wahlbeteiligung sein Mandat verliert und ein Abgeordneter aus einem anderen Bundesland dafür nachrückt.