Nach Bekanntwerden des Drogenskandals bei der Münchner Polizei sind Disziplinarverfahren gegen 20 Beamte eingeleitet worden. 15 von ihnen wurden suspendiert, wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch im Innenausschuss des bayerischen Landtags sagte. Gegen vier der Beamten wurde ein Verfahren zur vorläufigen Dienstenthebung eingeleitet - „nebst Einbehaltung von Bezügen“. Darunter sind auch Polizisten, denen die Staatsanwaltschaft Verfolgung Unschuldiger vorwirft. Sieben Beamte wurden an andere Dienststellen oder in den Innendienst versetzt. Den meisten der insgesamt 21 beschuldigten Polizisten wird vorgeworfen, Drogen konsumiert und an Kollegen weitergegeben zu haben. Sie gehören zum Polizeipräsidium München und zur Bayerischen Bereitschaftspolizei. Besonders betroffen ist die Polizeiinspektion 11 in der Münchner Altstadt. Außerdem besteht der Verdacht, dass es in einem Fall einen von den Polizisten behaupteten Widerstand gegen Polizeibeamte - der sogar vor Gericht landete - gar nicht gegeben hat. Nach Angaben des Münchner Polizeipräsidenten Hubertus Andrä handelt es sich bei den Beschuldigten „um Polizeiobermeister und in Einzelfällen um Polizeihauptmeister - also keine ganz jungen und unerfahrenen Kollegen und Kolleginnen“. Einiges deute derzeit darauf hin, dass es "eine Dienstgruppe speziell betrifft". „Natürlich beschäftigen wir uns mit der Frage: Warum haben Dienststellenleiter das nicht gemerkt?“
Nicht „auf der Dienststelle gekokst“
Es sei nicht so gewesen, dass „auf der Dienststelle gekokst“ worden sei, betonte Andrä. „Das überwiegende Verhalten war ein Freizeitverhalten, ein Ausgehverhalten.“ Im Polizeipräsidium werde man nun der Frage nachgehen, warum das Verhalten der Beamten zunächst unentdeckt blieb. Nach bisherigen Erkenntnissen sollen Münchner Polizisten mindestens seit 2018 in die Drogenszene verwickelt gewesen sein. Eine „Supervision mit den Zwischenvorgesetzten durch den Zentralen Psychologischen Dienst“ sei geplant, sagte Herrmann. Die Vorwürfe kamen nur ans Licht, weil ein mutmaßlicher Drogendealer als Kronzeuge über seine mutmaßlichen Kunden in Uniform auspackte.
Die Landtags-Grünen hatten nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine „rasche und umfangreiche Stellungnahme“ von Herrmann im Innenausschuss des Landtags gefordert. Gemeinsam mit der SPD fordern sie nun einen neutralen Polizeibeauftragten, an den Beamte sich in Whistleblower-Manier mit Sorgen, Nöten und verdächtigen Beobachtungen wenden können.
Hintergrund der Forderung ist nicht nur der Münchner Drogensumpf, sondern auch Rassismus-Vorfälle innerhalb der bayerischen Polizei. In den vergangenen drei Jahren wurden bei den Sicherheitsbehörden im Freistaat 31 Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus bekannt, wie Herrmann im Ausschuss sagte. Er bezog sich damit auf Zahlen, die Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Vortag in Berlin vorgestellt hatte und die zwischen dem 1. Januar 2017 und dem 31. März 2020 erhoben wurden. Bayern liegt damit hinter Hessen (59), Berlin (53) und Nordrhein-Westfalen (45). Unter den Begriff Sicherheitsbehörden fallen nach Angaben des bayerischen Innenministeriums nicht nur die Polizei, sondern auch die Landesbehörden für Verfassungsschutz.
„Das ist klare kriminelle Sauerei“
In 24 der 31 Fälle seien Disziplinarmaßnahmen eingeleitet worden, sagte Herrmann. In fünf Fällen gehe es um eine Entlassung aus dem Dienst beziehungsweise eine Nichternennung. In 23 Fällen wurden daneben noch Strafverfahren eingeleitet.
„Wenn man die rund 44.000 Beschäftigten in den abgefragten bayerischen Sicherheitsbehörden ins Verhältnis zu den gemeldeten 31 Verdachtsfällen setzt, ergibt sich ein Wert von circa 0,07 Prozent“, betonte Herrmann. "Das zeigt - und da bin ich mit dem Bundesinnenminister einer Meinung - dass wir kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus in unseren Sicherheitsbehörden haben." Eine Studie halte er darum ebenso wie einen Polizeibeauftragten für unnötig.
Zum Drogenskandal sagte Herrmann: „Das ist klare kriminelle Sauerei“, Rechtsextremismus-Vorwürfe seien aber weitreichender: „Das ist eine Gefahr für unsere Demokratie“ Künftig sollen Polizeianwärter deshalb besser auf ihre Verfassungstreue überprüft werden. Herrmann kündigte eine „Regelanfrage beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz“ an.