Ein Untersuchungsbericht zu dem extremistischen Anschlag in Wien vom 2. November hat schwerwiegende Versäumnisse bei den österreichischen Sicherheitsbehörden aufgezeigt. Die Behörden hätten mehrere Gelegenheiten verpasst, die von dem späteren Attentäter Kujtim Fejzulai ausgehende Gefahr zu erkennen und darauf zu reagieren, heißt es in dem ersten Bericht eines Untersuchungsausschusses der Regierung, der am Mittwochabend aus Sicherheitsgründen nur in Auszügen veröffentlicht wurde.
Nach der Entlassung des jungen Extremisten aus dem Gefängnis im Dezember 2019 habe es bis Oktober gedauert, bis eine Gefahreneinschätzung zu ihm fertiggestellt worden sei, heißt es in dem Bericht. Demnach ging vom 20-Jährigen ein „hohes Risiko“ aus.
Der Attentäter hatte Anfang November in einem belebten Wiener Stadtteil das Feuer eröffnet. Er tötete vier Menschen und verletzte 14 weitere, bevor er selbst von der Polizei erschossen wurde. Die Terrormiliz Daesh reklamierte die Tat für sich.
Zu der vorherigen Gefängnisstrafe war Fejzulai verurteilt worden, weil er versucht hatte, nach Syrien zu reisen, um dort auf der Seite des Daesh zu kämpfen. Die 22-monatige Strafe musste er allerdings nicht vollständig absitzen. Anfang Dezember 2019 wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen, nachdem er offenbar eine erfolgreiche Teilnahme an einem Deradikalisierungsprogramm vorgetäuscht hatte.
Dass bis zu der Risikoeinschätzung zu Fejzulai fast zehn Monate vergangen seien, sei „nicht akzeptabel“, kritisierten die Berichtsautoren. Die Bedrohung durch Fejzulai sei bereits im Juli deutlich geworden, als er sich mit bekannten deutschen und Schweizer Extremisten getroffen habe. Außerdem hätten die deutschen Behörden Österreich auf die von Fejzulai ausgehende Gefahr hingewiesen.
LVT macht Ressourcenmangel und Überlastung verantwortlich
Das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) machte dem Bericht zufolge Ressourcenmangel und Arbeitsüberlastung für die Verzögerung verantwortlich. Ein Mitarbeiter des LVT hatte dem Bericht zufolge versucht davor zu warnen, dass Fejzulais Teilnahme an den Extremistentreffen die Existenz einer „hochgefährlichen Terrorzelle“ beweise. Kollegen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hätten ihm jedoch gesagt, er solle schweigen. Das BVT weist diesen Vorwurf zurück.
Eine weitere Gelegenheit, das Attentat zu verhindern, ließen die österreichischen Behörden dem Bericht zufolge im Juli verstreichen, als sie von den slowakischen Behörden informiert wurden, dass Fejzulai versucht habe, Munition zu kaufen. Später erhielt das BVT dazu Aufnahmen von Überwachungskameras vom 27. Juli, die aber erst knapp einen Monat später an das LVT Wien weitergeleitet wurden.
Dieses analysierte, dass es sich bei dem Mann auf den Aufnahmen sehr wahrscheinlich um Fejzulai handele. Ein Beamter, der weitere Maßnahmen gegen den Extremisten forderte, wurde nach Angaben des Untersuchungsausschusses allerdings ignoriert.
Ende Januar will der Ausschuss einen stärker ausgearbeiteten Bericht vorlegen. Österreichs Generaldirektor für innere Sicherheit, Franz Ruf, kündigte an, die Befunde der Untersuchung flössen in die gegenwärtigen Reformen der Sicherheitsbehörden ein. Österreichs konservativer Kanzler Sebastian Kurz hatte nach dem Anschlag in Wien angekündigt, entschieden gegen den „politischen Islam“ vorzugehen.