von Till C. Waldauer
Der frühere österreichische Vizekanzler und langjährige Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Heinz-Christian Strache, hat in sozialen Medien um Spenden für „anwaltliche Verteidigung“ gebeten. Damit will er die Berufung gegen seine erstinstanzliche Verurteilung zu 15 Monaten Haft auf Bewährung finanzieren, die über ihn Ende August wegen angeblichen „Gesetzeskaufs“ verhängt worden war.
Ermittlungen führen „an den Rand des Ruins“
Seit der Veröffentlichung des ohne seine Zustimmung aufgenommenen und stark editierten „Ibiza“-Videos aus dem Jahr 2017 eine Woche vor der EU-Wahl, die zu seinem Rücktritt als FPÖ-Chef und Vizekanzler geführt hatte, führen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn. Diese, so Strache, würden ihn „finanziell an den Rand des wirtschaftlichen und existentiellen Ruins treiben“.
Auf Ibiza versuchten unter anderem von einem Detektivbüro organisierte Lockvögel, die sich als Akteure aus dem Umfeld russischer Oligarchen ausgaben, Strache mit versteckter Kamera Zusagen zu illegalen Tauschgeschäften mit politischem Bezug zu entlocken. Strache betonte zwar, nur für legale Deals zur Verfügung zu stehen, sprach jedoch auch ausführlich über angeblich in Österreich gängige Korruptionspraktiken, die in weiterer Folge umfangreiche Ermittlungen der WKStA auslösten.
„Gesetzeskauf“ in parlamentarischem System?
Strache wurde am Ende angeklagt und in erster Instanz verurteilt, weil er einem ebenfalls darob belangten Bekannten, der Eigentümer einer Privatklinik ist, gegen eine Spendenzusage eine Gesetzesinitiative versprochen habe. Mit dieser solle erreicht werden, dass die zuvor dort nicht berücksichtigte Klinik in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) aufgenommen werde.
Im Juni 2017 brachte Strache tatsächlich einen darauf lautenden Initiativantrag ins Parlament ein, der jedoch scheiterte. Erst später wurde die Privatklinik unabhängig davon in den Prikraf aufgenommen. Kritiker des Urteils zweifeln an der grundsätzlichen Möglichkeit eines „Gesetzeskaufs“, da jeder Gesetzesentwurf einem mehrstufigen parlamentarischen Prozess unterliegt, der dessen inhaltlicher Kontrolle dient und auch eine Abänderung oder ein Scheitern nach sich ziehen kann.
Das „Team HC Strache“, die Partei, die Strache nach seinem Ausschluss aus der FPÖ im Jahr 2021 übernahm, erklärte gegenüber der APA, es sei „zutiefst menschlich“, wenn Strache nun um Hilfe bitte, denn „er war ja immer für andere da“. Bei den Ermittlungen gegen Strache gehe es um die „mutwillige Zerstörung seiner gesamten Existenz“.
Strache hält Kickl nicht für vertrauenswürdig
Ende des Monats wird ein Buch von Strache mit dem Titel „Das Ibiza Attentat“ erscheinen. In Vorabdrücken macht er dabei auch seiner früheren Partei schwere Vorwürfe, die Intrigen wie jene von Ibiza gegen seine Person mit ermöglicht habe.
Auch gegenüber dem nunmehrigen FPÖ-Chef Herbert Kickl äußert er sich kritisch. Strache erklärt, diesem bereits seit längerem misstraut zu haben. Der vormalige Referent des verstorbenen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider habe bereits zu einem frühen Zeitpunkt Ambitionen erkennen lassen, selbst den Parteivorsitz an sich zu reißen.
Darüber hinaus hätten seine Parteifreunde eine „Unterwanderung“ der FPÖ durch den paneuropäischen, katholischen „St.-Georgs-Orden“ zugelassen, dem neben Politikern aus ÖVP, SPÖ und mehreren Parteien des EU-Auslandes auch hochrangige FPÖ-Politiker wie Norbert Hofer, Dominik Nepp und Manfred Haimbuchner angehören.
Straches neue Partei, das „Team HC“, hat bei den Gemeinderatswahlen in Wien mit 3,3 Prozent deutlich den Einzug in den Landtag verfehlt. Seit diesem Comebackversuch gelang der Neugründung nur noch in Graz ein Antritt zur Gemeinderatswahl, der jedoch mit einem Ergebnis im Null-Komma-Bereich endete.