Wahlen zum Europäischen Parlament 2024: Wendepunkt für die EU
Die Wahlen zum Europäischen Parlament 2024 sind entscheidend für die Zukunft Europas. Mit dem Aufstieg rechtsextremer Parteien stellt sich die Frage: Wird Europa Einheit und Zusammenarbeit wählen oder von Nationalismus und Spaltung dominiert werden?
Europäisches Parlament. / Photo: Reuters (Reuters)

Vom 6. bis 9. Juni 2024 finden die Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) statt, einem der wichtigsten Organe der Europäischen Union (EU). Das EP, das direkt von den Bürgern gewählt wird, ist das gesetzgebende Organ der Union und genehmigt das EU-Budget. Alle fünf Jahre werden 705 Abgeordnete gewählt, die im EP sitzen werden.

Diese Wahl hat nicht nur die Aufgabe, die politischen Vertreter der EU-Bürger zu bestimmen, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle für die Zukunft Europas. Seit dem Brexit sieht sich die EU zunehmend mit separatistischen Politikern konfrontiert. Eine weitere Bedeutung dieser Wahl besteht darin, dass mit den EP-Wahlen auch die Präsidenten der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates neu bestimmt werden. Mit der Teilnahme von rund 400 Millionen Wählern in ganz Europa sind diese Wahlen von größter Bedeutung im Kontext der Herausforderungen und Chancen, denen die EU gegenübersteht.

Besonders der Aufstieg rechtsextremer Parteien auf nationaler Ebene in den EU-Ländern hat das Potenzial, die Ergebnisse dieser Wahlen und die politische Zukunft Europas zu beeinflussen. Nach den Wahlen 2019 war die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) mit 182 Abgeordneten die stärkste, gefolgt von der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten mit 154 Abgeordneten und der Renew Europe Group mit 108 Abgeordneten.

Wichtige Themen bei den Europawahlen

Jedes Land hat im Wahlprozess des EP unterschiedliche Perspektiven, die aus der eigenen Innenpolitik resultieren. Obwohl die gewählten Abgeordneten einer der Fraktionen im Parlament beitreten, können ihre Wahlkampfargumente unterschiedlich sein. In Deutschland konzentrieren sich die Wahlkampfaussagen der Mainstream-Parteien beispielsweise häufig auf Klimawandel und Migrationspolitik, während in Frankreich eher wirtschaftliche Themen im Vordergrund stehen. In Italien dominieren Migration und Wirtschaft, in Spanien soziale Politik, in Ungarn EU-Skepsis und Nationalismus, in den Niederlanden Migration und in Österreich Migrantenfragen.

Tatsächlich hängen die in den Wahlkämpfen dominierenden Themen von den starken Parteien in den jeweiligen Ländern ab. In Ländern wie Österreich, den Niederlanden und Italien, wo rechtsextreme Parteien stark sind, drehen sich die Wahlkampfthemen häufig um Migrationsfeindlichkeit und EU-Skepsis. Ein weiteres wichtiges Argument der rechtsextremen Parteien ist, dass angeblich zu viel nationale Souveränität an die EU abgetreten wurde und viele nationale Angelegenheiten aus der Entscheidungsgewalt der EU zurückgenommen werden sollten. Diese Parteien behaupten, die EU führe „übermäßige Regulierung“ und „undemokratische“ Praktiken durch. Ein weiteres Argument ist, die aktuelle Struktur der EU schütze die nationalen Interessen der Länder nicht ausreichend, weshalb ein Europa vorgeschlagen wird, das den Ländern mehr Unabhängigkeit gewährt.

Aufstieg der Rechtsextremen und Europäisches Parlament

Rechtsextreme Parteien sind in entwickelten Wirtschaftsländern der EU wie Deutschland, Österreich und den Niederlanden sehr stark. Die Aussagen dieser Parteien schaden den grundlegenden Werten der EU wie Einheit, Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte einschließlich der Rechte von Minderheiten. Ein Erstarken der Rechtsextremen im EP und ein Gewinn von mehr Sitzen könnte dazu führen, dass die EU in ohnehin schon negativ behafteten Themen wie Migration und Menschenrechte noch weiter zurückfällt und es in diesen Bereichen schwieriger wird, Maßnahmen zu ergreifen.

Im Gegensatz zu den Äußerungen der populistischen Politiker, die von der zunehmenden Ausländerfeindlichkeit in den EU-Ländern profitieren, benötigen die Industrieländer der EU tatsächlich eine erhebliche Anzahl ausländischer Arbeitskräfte. Die EU-Bevölkerung altert zunehmend, und die Geburtenrate sinkt rapide. Beispielsweise zeigte eine Studie in Österreich, dass 2023 mehr Scheidungen stattfanden, während weniger Geburten verzeichnet wurden. Die Bevölkerung wuchs nur um 0,6 Prozent, und dies dank Migranten. Insgesamt gab es 77.605 Geburten und 89.760 Todesfälle. In Österreich gibt es also mehr Todesfälle als Geburten, was für die Zukunft des Landes alarmierende Signale sendet.

Allein in Deutschland gibt es derzeit etwa zwei Millionen unbesetzte Arbeitsplätze. Besonders in der Metallindustrie und im Elektronikbereich fehlen Fachkräfte. In Österreich, Deutschland und den skandinavischen Ländern besteht ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in Bereichen wie Gesundheits- und Pflegewesen, Ingenieurwesen und Informationstechnologie. Der Widerspruch der EU besteht darin, dass sie einerseits ausländische Arbeitskräfte benötigt, andererseits aber rechtsextreme Parteien immer stärker gegen Ausländer auftreten. Nach dem Brexit, als viele Ausländer das Vereinigte Königreich verlassen mussten, kam es vor allem im Transportsektor zu erheblichen Problemen. Dies führte zu Schwierigkeiten in vielen Bereichen, insbesondere bei Konsumgütern und Lebensmitteln, und die Preise stiegen.

Die Wähler sollten diese Aspekte bei den EP-Wahlen berücksichtigen und daraus lernen. Andererseits tragen Migranten nicht nur zum Arbeitsmarkt bei, indem sie offene Stellen besetzen, sondern gründen auch eigene Unternehmen, entwickeln innovative Methoden und leisten einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft und Wirtschaft in Bezug auf Unternehmertum und Innovation.

Rechtsextreme Ideen schaden der Kultur des Zusammenlebens

Die Aktivitäten der Rechtsextremen und ihre gelegentlichen verbalen und physischen Angriffe schaden dem gesellschaftlichen Frieden und bedrohen die Demokratie. Angriffe auf Ausländer und Muslime nehmen in Ländern wie Deutschland und Österreich zu, wobei die Rechtsextremen einen großen Anteil daran haben. Laut einer Studie in Österreich erreichte der islamfeindliche Rassismus 2023 einen Rekordwert, und es wurden 1522 Vorfälle gemeldet. Laut einem Bericht im ORF fanden zwei Drittel dieser Vorfälle im Internet statt, meist in Form von Diskriminierung und Beleidigung. Die Hälfte dieser Angriffe richtete sich gegen Frauen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die EP-Wahlen von entscheidender Bedeutung sind. Der Aufstieg rechtsextremer Parteien, die politische Vorschläge machen, die eine Bedrohung für die Existenz der EU darstellen und die Kultur des friedlichen Zusammenlebens, Demokratie und Menschenrechte schädigen, könnte einen Wendepunkt für die Zukunft der EU bedeuten. Die Bevölkerungszahlen in den EU-Ländern steigen nicht, und es besteht Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften. Wenn die Rechtsextremen stärker werden und eine noch strengere Ausländerfeindlichkeit durchsetzen, könnten sowohl kurzfristig die Bevölkerungs- und Arbeitskräftesituation als auch langfristig Demokratie und Menschenrechte in der EU gefährdet sein.

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