Tod von Türkischstämmigen in Eberswalde: War es Brandstiftung?
Nachdem zwei Türkischstämmige bei einem Feuer im brandenburgischen Eberswalde ums Leben gekommen sind, ist die Trauer groß. Erinnerungen an frühere Brandkatastrophen und Anschläge werden wach. Auch türkische Vertreter melden sich zu Wort.
15.09.2024, Brandenburg, Eberswalde: Die Feuerwehr löscht einen Brand, der am späten Samstagabend in einem Dönerladen in Eberswalde (Landkreis Barnim) ausgebrochen ist. Bei Eintreffen stand der Imbiss lichterloh in Flammen. Das Feuer war im Erdgeschoss ausgebrochen und hatte sich schnell bis zum Dachgeschoss ausgebreitet. / Foto: DPA (DPA)

Bei einem Brand eines mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshauses in Eberswalde in Brandenburg sind zwei Menschen türkischer Herkunft ums Leben gekommen. Unter den Toten befindet sich ein Kind, das zunächst als vermisst galt. Die Flammen breiteten sich im gesamten Gebäudekomplex aus und griffen auch auf ein Nachbarhaus über. Die Feuerwehr konnte mehrere Menschen mit einem Sprungtuch aus dem brennenden Gebäude retten. Sechs Menschen wurden nach Polizeiangaben durch das Feuer verletzt.

Ermittlungen wegen Brandstiftung

Wie es genau zu dem Inferno kam, wird derzeit untersucht. Es laufen Ermittlungen wegen Brandstiftung mit Todesfolge gegen Unbekannt. Lokale Medien zitierten einen Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft: „Wir gehen nicht von einem technischen Defekt aus, sondern von einem vorsätzlichen Verhalten, was zur Brandentstehung führte“. Weitere Einzelheiten seien bislang nicht bekannt.

In dem mehrstöckigen Haus lebten nach Angaben der Polizei vor allem Menschen mit Migrationsgeschichte. Im unteren Stockwerk des Gebäudes befand sich auch ein Döner-Imbiss. Nun hoffen die Ermittler auf Zeugenhinweise. Die Eberswalder Stadtverwaltung zeigte sich tief erschüttert und rief zum Gedenken an die Opfer auf. Mehrere hundert Menschen kamen zum stillen Gedenken für die Todesopfer und Verletzten der Brandkatastrophe zusammen.

Diplomatische Vertreter der Republik Türkiye vor Ort

Auch diplomatische Vertreter der Republik Türkiye kamen zum Ort der Brandkatastrophe, um sich ein eigenes Bild vom Geschehen zu machen. Das Unterstützungszentrum des türkischen Außenministeriums teilte auf der Nachrichtenplattform X (vormals Twitter) mit: „Bei einem Brand, der gestern (15. September) in Eberswalde (Deutschland) ausbrach, kamen zwei unserer Bürger ums Leben. Die örtlichen Behörden haben eine Untersuchung eingeleitet. Unser Generalkonsulat in Berlin hat das ausgebrannte Gebäude besichtigt. Die Entwicklungen werden genauestens beobachtet.“

Akif Çağatay Kılıç: Werden den Prozess zur Klärung dieses Vorfalls verfolgen

Akif Çağatay Kılıç, der außen- und sicherheitspolitische Chefberater des türkischen Staatspräsidenten, zeigte sich erschüttert. Der ehemalige Jugend- und Sportminister schrieb auf X: „Ich wünsche der Mutter und ihrem fünfjährigen Sohn, die bei dem Feuer ums Leben kamen, Gottes Gnade.“ Der Familie Çoban sprach er sein Beileid aus. „Die deutschen Behörden sollten diesen Vorfall dringend in allen Aspekten aufklären. Wir werden den Prozess zur Klärung dieses Vorfalls aufmerksam verfolgen“, betonte er.

YTB-Chef fordert gründliche Untersuchung der Brandursache

Der Leiter des Präsidiums für Auslandstürken und verwandter Gemeinschaften (YTB), Abdullah Eren, drückte in einem Beitrag auf X den Familien und Angehörigen der Brandopfer sowie der türkischen Gemeinschaft in Deutschland sein tiefes Mitgefühl aus. Eren betonte, dass der Vorfall alle zutiefst betroffen gemacht habe: „Wir erwarten, dass dieser tragische Vorfall, bei dem die Brandursache noch nicht bekannt ist, von den deutschen Behörden gründlich und akribisch untersucht wird. Da ähnliche Katastrophen in der Vergangenheit tiefe Spuren in unserem Gedächtnis hinterlassen haben, ist es äußerst wichtig, die Verantwortlichen zu finden und die notwendigen Maßnahmen nach solchen Vorfällen zu ergreifen.“

Zafer Sırakaya: Vorfälle werden genau beobachtet

Bestürzt äußerte sich auch der stellvertretende Vorsitzende der regierenden AK-Partei, Zafer Sırakaya, über den Vorfall. Der im nordrhein-westfälischen Herne geborene Politiker erklärte auf X, dass alle Einzelheiten des Brandes genau beobachtet würden. Sırakaya erklärte, er habe mit Eyüp Çoban, der bei dem Brand seine Frau und sein Kind verloren hat, telefoniert und auch Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan habe dem Familienvater sein Beileid ausgesprochen. Alle Vorfälle, die an rassistische, islamfeindliche und terroristische Taten erinnern und deren Schmerz in der Erinnerung und im Herzen der türkischen Gemeinschaft im Ausland noch frisch sei, würden mit großer Sensibilität behandelt, fügte Sırakaya hinzu. „Wir halten es für sehr wichtig, dass die deutsche Regierung und die Sicherheitsbehörden, denen wir die Sicherheit des Eigentums und des Lebens unserer Bürger anvertrauen, die Ursache und alle Einzelheiten dieses tragischen Vorfalls so schnell wie möglich mit der Öffentlichkeit teilen. Wir verfolgen alle Einzelheiten zu dem Brand, bei dem zwei unserer Bürger ihr Leben verloren haben, genau“, sagte der türkische Politiker.

Rekordanstieg bei rechtsextremen Straftaten

Bei der Zahl der Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund in Deutschland wird ein besorgniserregender Anstieg verzeichnet. Im ersten Halbjahr 2024 wurde die vorherige Rekordmarke übertroffen – und zwar um etwa 3000 weitere Vorfälle. Insgesamt wurden fast 10.000 rechtsextrem motivierte Delikte registriert, was einen neuen Höchststand darstellt. Dies ist ein Anstieg von rund 3.000 Fällen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und markiert die höchste Anzahl an rechtsextremen Straftaten, die jemals erfasst wurde. Dies ist deshalb besonders alarmierend, da bereits im Jahr 2023 ein neuer Rekordwert erreicht wurde, als 6992 rechtsextrem motivierte Taten im ersten Halbjahr verzeichnet wurden. Die aktuellen Zahlen, die aus einer Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Petra Pau beim Bundesinnenministerium stammen, zeigen eine drastische Steigerung auf 9802 Fälle.

Mehr als 300 islamfeindliche Angriffe im ersten Halbjahr 2024

Eine weitere Anfrage, die die Linken-Politikerin Pau der Bundesregierung stellte, betrifft die Zahl der islamfeindlichen Angriffe in Deutschland, die ebenso eine besorgniserregende Zunahme verzeichnen. Demnach wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres von den Sicherheitsbehörden 352 Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund gemeldet. Im Zeitraum von Januar bis März 2024 erfassten die Sicherheitsbehörden 213 Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund, die politisch motiviert waren. Von April bis Juni wurden 139 solcher Vorfälle gemeldet, darunter fünf Angriffe auf Moscheen. Die Zahlen stellen einen Anstieg von etwa 100 Fällen im Vorjahresvergleich dar. Im ersten Halbjahr des letzten Jahres waren 258 islamfeindliche Straftaten ohne Nachmeldungen registriert worden, während 415 Fälle nachträglich gemeldet wurden. Im gesamten Jahr 2023, einschließlich der nachträglichen Meldungen, summierten sich die islamfeindlichen Angriffe auf 1536.

Vertrauensverlust nach zahlreichen Brandanschlägen und Terrorangriffen

Die hohe Anzahl von türkischen Staatsbürgern und Menschen mit türkischen Wurzeln, die bei Brandanschlägen oder anderen Terrorattacken in Deutschland in den letzten Jahren ums Leben gekommen sind, sorgt dafür, dass offizielle Meldungen bei derlei Vorfällen mit Vorsicht zur Kenntnis genommen werden. Die zahlreichen Brandanschläge und Mordserien gegen türkische Staatsbürger, wie die verheerenden Ereignisse in Mölln 1992, Solingen 1993, Ludwigshafen 2008, und der Anschlag in Solingen vom April 2024, bei dem vier bulgarische Staatsbürger türkischer Herkunft ums Leben kamen, sowie die blutigen NSU-Morde haben eine tiefe Wunde in der türkischen Gemeinde hinterlassen. Diese Wunde bereitet sich nicht nur im Herzen, sondern auch im kollektiven Gedächtnis der türkischen Community aus. Diese Verbrechen haben nicht nur Menschenleben gekostet, sondern auch ein Gefühl von Vertrauensverlust und Trauer ausgelöst.

Trotz jahrelanger Bemühungen um Integration und Sicherheit sehen sich viele türkische Staatsbürger und Türkischstämmige immer noch einer bedrohlichen Realität gegenüber, in der sie sich unsicher und ungeschützt fühlen. Die wiederholte Gewalt und das Versagen der Sicherheitsbehörden haben das Vertrauen in den Rechtsstaat und die gesellschaftliche Solidarität erschüttert. Die tiefe Trauer und die Frage nach dem Warum bleiben präsent, während die türkische Gemeinschaft verzweifelt nach Antworten und Gerechtigkeit sucht.


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