Stichwahl in Frankreich: Rechtspopulistische Wählermobilisierung
Ein wenig mutet es wie ein Déjà-vu an. Schon 2017 kam es zur Stichwahl zwischen dem Liberalen Macron und der Rechtspopulistin Marine Le Pen. Aber wird Le Pen auch diesmal die Stichwahl verlieren?
08.04.2022, Frankreich, Anglet: Ein Mann geht an Wahlplakaten des französischen Präsidenten Macron und der Präsidentschaftskandidatin der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN), Le Pen, im Südwesten Frankreichs vorbei. Die Präsidentschaftswahlen werden in zwei Runden am 10. und 24. April 2022 stattfinden. (DPA)

Die Stichwahl vom 7. Mai 2017 zwischen Macron und Le Pen ist wählerdemographisch gut analysiert und dokumentiert. Für Macron hatten sich tendenziell eher entschieden: Frauen, ältere Personen, Personen mit gehobener Bildung sowie solche mit höherem Einkommen. Für Le Pen votierten hingegen mehr: Männer, Personen im Alter von 35-49, Personen mit geringerer Bildung und niedrigerem Einkommen sowie solche, die sich der Arbeiterschicht zugehörig fühlen. Es ist somit die international bekannte Rezeptur für das Zusammenfügen einer Wählerallianz für Rechtspopulismus, die darauf abzielt, in der Arbeiterklasse Gewinne zu machen, obwohl ursprünglich die Arbeiterklasse doch eigentlich hätte links wählen sollen und müssen.

Gleichzeitig sind es aber die Mittelschichten, die sich immer mehr zu einer unüberwindbaren Barriere gegen den Rechtspopulismus entwickeln. Mittelschichten wählen nicht notwendigerweise links, aber Mittelschichten wählen anti-rechtspopulistisch. Interessant ist ferner die Wählergeographie der französischen Präsidentschaftsstichwahl von 2017. Für Le Pen votierten vor allem der Nordosten Frankreichs (vielfach Regionen mit einem ökonomischen Abschwung) und der Süden Frankreichs an der Mittelmeerküste. Hingegen fiel der Zuspruch für Macron im Westen und Osten Frankreichs wesentlich stärker aus. Schließlich gewann Macron die Stichwahl 2017 beeindruckend mit insgesamt 66,1 % der Stimmen.

Die erste Wahlrunde am 10. April 2022

Bei der ersten Wahlrunde der diesjährigen Präsidentschaftswahl entfielen auf Emmanuel Macron 27,85 % und auf Marine Le Pen 23,15 % der Stimmen. Damit trat das ein, was vielfach vorhergesagt worden war, nämlich, dass es zu einer Neuauflage der Stichwahl von 2017 kommen würde: Macron gegen Le Pen. Die Wahlgeographie war 2022 sehr ähnlich wie 2017: Norden und Süden tendierten zu Le Pen, Westen und Osten hingegen zu Macron. Dabei hatte der Wahlkampfauftakt für Frankreichs Rechtspopulisten mit mehreren Pannen begonnen. Das rechtspopulistische Lager war gespalten zwischen Le Pen und dem Éric Zemmour, der als noch rechter als Le Pen gilt. Dann wurde Frankreichs Rechte durch Putins brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine in Bedrängnis gebracht, der am 24. Februar begann.

Europas Rechtspopulisten pflegten oft gute Kontakte zum Putin. In einer Wahlkampfbroschüre war Le Pen auf einem Foto mit Putin zu sehen. Dies führte natürlich zu einer Peinlichkeit, Le Pen sah sich veranlasst, auf Distanz zu Putin zu gehen. Während sich Macron in den Wochen nach Invasionsbeginn vor allem der internationalen Diplomatie widmete, vollzog Le Pen einen gewissen Strategiewechsel, indem sie die aktuellen wirtschaftlichen Probleme der Arbeiter- und Mittelschichten ansprach, die zunehmend unter der hohen Inflation und den damit einhergehenden Folgeerscheinungen leiden. Le Pen konnte hier bis zu einem gewissen Grad auch punkten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Behauptung, dass sich die Anhänger der sogenannten „Gelbwesten“ teilweise für Le Pen entschieden. Trotzdem ging diese erste Wahlrunde nur ganz knapp an einer Überraschung vorbei, denn Linkskandidat Jean-Luc Mélenchon verfehlte mit beachtlichen 21,95 % der Stimmen nur äußerst knapp den Einzug in die Stichwahl. Europas neue Linke erhofft sich davon einen gewissen Aufschwung. Dagegen schnitten Frankreichs Sozialisten und Konservative (Gaullisten) bei der ersten Wahlrunde katastrophal schlecht ab.

Prognose für den 24. April 2022

Trotz dieses Déjà-vu einer Wiederholung des Wahlmatches zwischen Macron und Le Pen gehen viele Analysten davon aus, dass der Ausgang diesmal knapper ausfallen wird. Ein Wahlsieg von Le Pen würde für Europa und die EU einen Schock auslösen. Aber ungeachtet dessen wird der „Cordon Sanitaire“ auch diesmal halten, wird Frankreichs Demokratiequalität bestehen, und Wahlempfehlungen kann vor allem Macron für sich verbuchen. Damit ist der 24. April auch so etwas wie ein öffentliches Referendum für oder mehr noch gegen Le Pen. Ein Wahlsieg von Le Pen ist eigentlich faktisch auszuschließen. Damit wird der neue Präsident wieder Emmanuel Macron heißen, worauf die Umfragen auch klar hinweisen.

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