Rechtsextreme Gewalt und die Rolle von Desinformation in Großbritannien
Rechtsextreme Ausschreitungen haben in Großbritannien für Unruhen gesorgt. Soziale Medien spielen eine zentrale Rolle bei der Verbreitung von Desinformation, die zur Eskalation beiträgt. Sind die Unruhen ein Versuch, Muslime zu unterdrücken?
ARCHIV - 03.08.2024, Großbritannien, Leeds: Menschen protestieren in Southport. / Photo: DPA (DPA)

Rechtsextreme Straßenunruhen haben sich in vielen Teilen des Vereinigten Königreichs verbreitet, wobei zahlreiche Polizisten verletzt wurden. Polizeifahrzeuge, Häuser, zivile Fahrzeuge und religiöse Gebäude wurden angegriffen.

Am 29. Juli führte ein 17-jähriger Angreifer in der Stadt Southport einen Messerangriff durch, bei dem drei Kinder getötet und zehn Personen, darunter acht Kinder, verletzt wurden. Die Identität des Angreifers wurde nicht bekannt gegeben, was zu spekulativen Social-Media-Posts und Nachrichten von Rechtsextremen führte. Rechtsextreme behaupteten in sozialen Medien und einigen Chat-Anwendungen, der Angreifer sei illegal ins Vereinigte Königreich eingereist und sein Name sei „Ali“. Tatsächlich stellte sich heraus, dass der Angreifer Axel Rudakubana hieß und ruandischer Herkunft war. Dennoch hörten die Unruhen nicht auf.

Wer steckt hinter den Unruhen?

Hinter den Unruhen stehen rechtsextreme Gruppen. Premierminister Keir Starmer erklärte: „Das ist kein Protest. Es ist organisierte, gewalttätige Kriminalität, und sie hat keinen Platz auf unseren Straßen oder online.“ Er machte deutlich, dass es sich hierbei nicht um einen gewöhnlichen Protest handelt, sondern um organisierte Gewalt.

Die von rechtsextremen Gruppen verübten rassistischen und muslimfeindlichen Gewaltakte haben dazu geführt, dass sich Muslime im Land nicht mehr sicher fühlen. Viele rechtsextreme Gruppen waren an den Unruhen beteiligt oder unterstützten sie über soziale Medien. Laut Hope Not Hate, einer Organisation, die extremistische Gruppen im Vereinigten Königreich untersucht, teilte David Miles, ein führendes Mitglied der faschistischen Gruppe Patriotic Alternative, Fotos aus Southport. Die Polizei gab bekannt, dass auch die English Defence League (EDL) an den Unruhen beteiligt war. Die EDL ist eine 2009 gegründete rechtsextreme Straßenbewegung, die für gewalttätige Proteste und ihre islam- und einwanderungsfeindliche Haltung bekannt ist. Tommy Robinson, Gründer der EDL, der nach einer Flucht vor Gericht aus Großbritannien floh, rief seine 800.000 X-Follower auf, „auf die Straßen zu gehen“. Andrew Tate, der in Rumänien wegen Menschenhandelvorwürfen im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung (sex trafficking) angeklagt ist, behauptete, der Angreifer sei „ein illegaler Einwanderer“.

Die Zeitung Daily Mail deckte auf, dass Tommy Robinson, während er in einem Fünf-Sterne-Hotel auf Zypern Urlaub machte, die rechtsextremen Unruhen im ganzen Vereinigten Königreich anstachelte. Es stellte sich heraus, dass Robinson, dessen echter Name Stephen Yaxley-Lennon ist, in einem All-Inclusive-Resort in Ayia Napa, Zypern, unerkannt unter vielen Urlaubern fröhlich verweilte.

Rechtsextreme Desinformation

Insbesondere in den letzten Jahren sind soziale Medien und Chat-Anwendungen zu den wichtigsten Kommunikations- und Propagandawerkzeugen für marginalisierte Gruppen und rechtsextreme Gruppen weltweit geworden. Diese Plattformen ermöglichen es, große Menschenmengen gleichzeitig und sehr schnell zu erreichen. Diese Geschwindigkeit macht es schwer, sie zu kontrollieren und führt oft zu Diskussionen über die Meinungsfreiheit. Sobald ein Social-Media-Post veröffentlicht wird, erreicht er oft Millionen von Menschen und erhält Interaktionen, bevor rechtliche Maßnahmen ergriffen werden können. Rechtsextreme nutzen dies aus, um wie bei den jüngsten Vorfällen in Großbritannien schnell falsche Informationen zu verbreiten und Menschen in Aufruhr zu versetzen, was zu Gewalt, Verletzungen und sogar Todesfällen führt. Dies schafft einen Bereich, den die Sicherheitskräfte nur schwer überwachen können, und wirft bei einer Überwachung die Frage nach der Einschränkung persönlicher Freiheiten auf.

In diesem Zusammenhang tragen Social-Media-Plattformen eine große Verantwortung, da es mehrere wichtige Faktoren gibt, die den Einfluss rechtsextremer Gruppen auf sozialen Medien und digitalen Plattformen verstärken. Erstens steigern Algorithmen und Filterblasen die Fähigkeit dieser Gruppen, Propaganda und Desinformation zu verbreiten. Algorithmen präsentieren Inhalte basierend auf den Interessen der Nutzer, was dazu führt, dass rechtsextreme Inhalte sichtbarer werden und Personen, die sich für diese Inhalte interessieren, mehr rechtsextreme Inhalte konsumieren. Dies bereitet den Boden für die schnelle Verbreitung von Informationen, deren Genauigkeit nicht überprüft wurde, und schafft eine falsch informierte Öffentlichkeit.

Zweitens ist es auf Social-Media-Plattformen einfach, ein Konto unter einem falschen Namen zu eröffnen und anonym oder verdeckt Beiträge zu veröffentlichen. Dies erleichtert die Aktivitäten rechtsextremer Gruppen. Die Anonymität in sozialen Medien und verschlüsselten Chat-Anwendungen erleichtert es diesen Gruppen, sich zu organisieren und zu koordinieren. Insbesondere Chat-Anwendungen erschweren es den Sicherheitskräften, diese Kommunikation zu überwachen, und beschleunigen die Radikalisierungsprozesse der Rechtsextremen. Dies schafft eine Umgebung, in der Rechtsextreme leicht manipuliert und kontrolliert werden können.

Zum Beispiel verbreiteten rechtsextreme Gruppen im Vereinigten Königreich falsche Informationen und Desinformation, was bei einem Teil der Bevölkerung große Wut und Misstrauen hervorrief. Als sich herausstellte, dass der Täter kein Muslim war, zeigte sich erneut, wie schnell Rechtsextreme dem Frieden und der Ruhe eines Landes und einer Gesellschaft schaden können. Rechtsextreme Desinformation verstärkt die Polarisierung in der Gesellschaft und schürt Vorurteile gegenüber Minderheitengruppen. Diese Vorurteile beeinträchtigen nicht nur den sozialen Zusammenhalt, sondern führen auch zu einem Anstieg von Hassverbrechen.

Zusätzlich können die Desinformationskampagnen rechtsextremer Gruppen demokratische Prozesse negativ beeinflussen. Beispielsweise können falsche Informationen während Wahlperioden dazu führen, dass Wähler in die Irre geführt und demokratische Prozesse manipuliert werden. Solche Kampagnen schaffen Misstrauen und Polarisierung in verschiedenen Teilen der Gesellschaft und können das Ansehen demokratischer Institutionen schädigen.

Die Theorie der „ Modernisierungsverlierer“ und die Ereignisse in Großbritannien

Die Theorie der „Modernisierungsverlierer“ besagt, dass durch Globalisierung, Modernisierung und technologischen Fortschritt Gruppen entstehen, die sich wirtschaftlich, kulturell oder sozial ausgegrenzt fühlen. Diese Theorie postuliert, dass wirtschaftliche und kulturelle Veränderungen eine Gesellschaftsstruktur schaffen, die einige Gruppen als „Verlierer“ betrachtet. Diese „Verlierer“ der Moderne fühlen sich durch wirtschaftliche Unsicherheiten und kulturelle Identitätsängste bedroht und reagieren auf die bestehende gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung.

Rechtsextreme haben besonders nach der Flüchtlingskrise 2015 versucht, muslimische Migranten als Ursache aller negativen Entwicklungen darzustellen. Dieser Ansatz ist Teil einer populistischen und spaltenden Rhetorik, die darauf abzielt, gesellschaftliche Vorurteile zu verstärken und Feindseligkeiten gegenüber Minderheitengruppen zu schüren. Jedoch haben die globalen wirtschaftlichen Probleme, wie die durch die COVID-19-Pandemie ab 2020 ausgelöste Wirtschaftskrise, steigende Inflation und Arbeitslosigkeit, breitere und komplexere Ursachen. Diese Probleme resultieren aus der Störung globaler Lieferketten, staatlichen Finanzpolitiken und allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheiten.

In Großbritannien verschärfen strukturelle Probleme wie Schwierigkeiten im Gesundheitssystem, Wohnungsprobleme und sinkende Bildungsqualität das Gefühl der „Verlierer“. Rechtsextreme machen in dieser Situation gerne Muslime und Migranten zu Sündenböcken, um die Unzufriedenheit der wirtschaftlich und kulturell marginalisierten Gruppen auszunutzen. Dies ist Teil einer Strategie, die auf der Theorie der “Modernisierungsverlierer “ basiert, um die Reaktionen dieser Gruppen zu manipulieren.

Ist das Ziel, Muslime unter Druck zu setzen?

Es wird behauptet, ein weiterer Grund für die Straßenunruhen in Großbritannien sei die Unterstützung der Muslime für Palästina. Laut dieser Behauptung werden Muslime, die sich aufgrund der Angriffe der Rechtsextremen nicht sicher fühlen, sich nicht mehr wie früher für Palästina einsetzen und sich nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen. Der britische Journalist Roshan Muhammed Salih sagte, dass sich Muslime im Land nicht mehr sicher fühlen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rechtsextremen durch ihre Straßenunruhen und die Verbreitung von Desinformation leider den sozialen Frieden im Vereinigten Königreich stören und langfristig nicht nur den Muslimen, sondern der gesamten Gesellschaft schaden. Rechtsextreme lassen sich leicht manipulieren und täuschen und gehen sofort auf die Straße, um Angriffe zu verüben. Die Sicherheitskräfte müssen digitale Plattformen strenger überwachen, da es Rechtsextremen inzwischen möglich ist, innerhalb von Minuten Menschen über diese Plattformen zu manipulieren und auf die Straße zu treiben. Es sind daher strengere Gesetze und eine strengere Überwachung erforderlich.

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