Rassismusbericht in EU-Sicherheitsbehörden: Veränderungsbedarf
Wie ernst nehmen die EU-Länder rassistische Vorfälle bei der Polizei? Ein Bericht zeigt, dass die meisten Staaten unzureichende Daten liefern. Wie können EU-Länder gemeinsam gegen strukturellen Rassismus vorgehen?
28.09.2021, Nordrhein-Westfalen, Gütersloh. / Photo: DPA (DPA)

Kürzlich wurde der erste umfassende Bericht über Rassismus und Polizeiarbeit in der Europäischen Union (EU) veröffentlicht. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), die diesen ersten EU-weiten Bericht über Rassismus in der Polizeiarbeit erstellt hat, brachte einige sehr interessante Ergebnisse hervor. Der Bericht weist vor allem darauf hin, dass die tief verwurzelten strukturellen Probleme in den Polizeipraktiken beseitigt werden müssen.

Die FRA fordert die EU-Länder auf, weiterhin Daten über die Einstellung der Polizei gegenüber Minderheiten zu sammeln. Im Bericht der FRA wird betont, dass die Polizei am häufigsten junge Männer, ethnische Minderheiten, Muslime oder nicht-heterosexuelle Personen stoppt. Laut dem Bericht sollte Rassismus nicht als Einzelfälle innerhalb der Polizei behandelt, sondern als strukturelles Problem angesehen werden, da Rassismus alle Schichten der Gesellschaft betrifft und das Vertrauen der Menschen sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch dem Staat untergräbt.

Auch der Bericht „Schwarzsein in der EU“ von 2023 der FRA zeigt, dass die Polizei Profiling für die Verhinderung und Untersuchung von Verbrechen verwendet. Allerdings ist rassistisches Profiling illegal. Laut aktuellen Umfrageergebnissen werden solche Praktiken immer noch von den Strafverfolgungsbehörden durchgeführt. 26 % der Befragten wurden in den letzten fünf Jahren angehalten, wovon 48 % dies als rassistisches Profiling bezeichneten. Von denen, die in den letzten zwölf Monaten angehalten wurden, betrachteten 58 % dies als rassistisches Profiling. Von 2016 bis 2022 stieg der Anteil der wahrgenommenen diskriminierenden ethnischen Profilierung bei afrikanischen Teilnehmern von 41 % auf 48 %. Männer haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, angehalten zu werden als Frauen.

Rassismus in EU-Sicherheitsbehörden wird unzureichend dokumentiert

In den meisten EU-Mitgliedstaaten werden Daten über Rassismus innerhalb der Polizei nur unzureichend erfasst und kommuniziert. Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten verfügt nicht über offizielle Datenquellen zu rassistischen Vorfällen und Diskriminierung in der Polizei. Nur wenige Mitgliedstaaten erfassen angebliche rassistische Vorfälle innerhalb der Polizei als separate Kategorie. Von diesen Staaten veröffentlichen nur drei (Tschechien, Deutschland und die Niederlande) regelmäßig oder auf Anfrage Daten für die Öffentlichkeit. Neun Mitgliedstaaten (Zypern, Dänemark, Griechenland, Malta, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Spanien) haben Daten für diese Studie mit der FRA geteilt.

Die derzeitigen Daten ermöglichen keine ausreichende Differenzierung nach Art des Verbrechens, z.B. übermäßige Gewaltanwendung, Hetze oder körperliche Angriffe. In einigen Ländern veröffentlichen nur wenige Aufsichtsbehörden, z.B. im Rahmen von Jahresberichten, einige Daten. Es gibt innerhalb der EU-Mitgliedstaaten keine offizielle Definition darüber, was als rassistisches Profiling, angemessene, notwendige oder proportionale Anhaltungen und Durchsuchungen oder Identitätskontrollen oder übermäßiger Gewalteinsatz angesehen wird. Dies erschwert die Erfassung ausreichender Daten über die von Rassismus betroffenen Personen, die angehalten oder nach ihrer Identität gefragt werden.

Deutschland zeigt sich als Land, das Daten über Rassismus unter Polizisten bereitstellt und somit anderen Ländern ein Beispiel gibt. Daher scheint es in Deutschland mehr Rassismus unter Polizisten zu geben als in anderen Ländern, was jedoch auf unzureichende Datenlieferung und Identifizierung von Rassismus unter Polizisten in anderen Ländern zurückzuführen ist. Obwohl Deutschland häufig wegen Rassismus in staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft kritisiert wird, verdient es Lob für die Bereitstellung von Daten für die FRA.

Rassismus und Rechtsextremismus in Deutschland

Im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. März 2020 haben die Sicherheitsbehörden der Länder bei insgesamt 319 Verdachtsfällen Ermittlungen eingeleitet. Dies stellt eine beachtliche Zahl dar, insbesondere wenn man sie mit den von den Bundessicherheitsbehörden für denselben Zeitraum gemeldeten 58 Verdachtsfällen vergleicht. Noch bemerkenswerter ist jedoch die Tatsache, dass der Militärische Abschirmdienst, der zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung gehört, in dieser Zeitspanne nicht weniger als 1064 Verdachtsfälle zu Protokoll gegeben hat. Es zeigt sich, dass die Herausforderungen, denen sich die deutschen Sicherheits- und Verteidigungsbehörden gegenübersehen, sowohl in der Breite als auch in der Tiefe beträchtlich sind.

Eine Woche vor Veröffentlichung des FRA-Berichts wurde bekannt, dass es in Deutschland in den Landespolizeibehörden mehr als 400 Verdachtsfälle von Disziplinaruntersuchungen oder strafrechtlichen Ermittlungen gegen Beamte mit rechtsextremer Ideologie gibt. Allerdings wird vermutet, dass die tatsächlichen Zahlen höher liegen. In einem Interview äußerte sich der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, zu diesem Thema und betonte, dass Polizeibeamte, die extremistische Ansichten verfolgen, eine große Gefahr für die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit darstellen. Uli Grötsch von der SPD äußerte sich besorgt darüber, dass Rechtsextreme gezielt versuchen, die Polizei zu destabilisieren.

Diese jüngsten Berichte sind nicht die ersten Anzeichen von Rechtsextremismus und Rassismus innerhalb der deutschen Sicherheitsbehörden. Der Anwältin Seda Başay Yıldız, die am NSU-Prozess beteiligt war, wurde ein rassistischer und Drohbrief geschickt. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass ihre Daten von einem Computer im Polizeirevier Frankfurt abgerufen worden waren.

Berichte über rassistische Äußerungen in Chatgruppen von Polizisten sowie das Teilen von Hakenkreuzen und Hitlerbildern sind ebenfalls aufgetaucht. Vor etwa drei Jahren wurde festgestellt, dass 30 Polizeibeamte in Mülheim an der Ruhr in verschiedenen Kreisen radikale Inhalte geteilt haben. Obwohl die meisten von ihnen passiv blieben und keine gewaltverherrlichenden Materialien versendeten, versäumten sie es, die eigentlichen Täter zu melden. Als Folge wurden gegen die 26 Beschuldigten keine strafrechtlichen Verfahren eingeleitet, und nur vier Beamte wurden mit Geldstrafen von 3000 bis 4000 Euro belegt. Im August 2020 berichtete das Magazin „Der Spiegel“, dass es in den deutschen Polizeikräften im Zeitraum von 2014 bis Sommer 2020 etwa 400 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus gab.

EU-Länder sollten Rassismus in den Sicherheitskräften dokumentieren und ihre Strategien verschärfen

Der Bericht der FRA legt die Existenz von Rassismus und rechtsextremen Ideologien in den Polizeikräften Europas offen und zeigt damit, dass ein tiefgreifendes Problem besteht. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, nicht nur einzelne Fälle, sondern das strukturelle Problem anzugehen. Die Ergebnisse des Berichts betonen die Bedeutung eines rigorosen Kampfes gegen Rassismus und rechtsextreme Ideologien im Polizeiberuf sowie die Transparenz. Dies ist nicht nur wichtig, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen, sondern auch um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu wahren.

Die Tatsache, dass Deutschland Daten zum Rassismus innerhalb seiner Sicherheitskräfte bereitstellt und damit eine Vorbildrolle einnimmt, könnte anderen EU-Mitgliedstaaten als Leitfaden dienen. Doch dieser Kampf muss über nationale Grenzen hinausgehen und erfordert eine gemeinsame europäische Anstrengung. Datensammlung und -freigabe sind entscheidende Schritte im Kampf gegen Rassismus, da sie die Entwicklung und Umsetzung wirksamerer Politiken ermöglichen können. In diesem Zusammenhang sollten die im Bericht aufgezeigten Tatsachen nur als Ausgangspunkt betrachtet werden, und die Bemühungen der EU-Länder sollten darauf abzielen, durch verstärkte Anstrengungen eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft zu schaffen. Man darf nicht vergessen, dass der Kampf gegen Vorurteile und Rassismus nicht nur Aufgabe der Polizei, sondern der gesamten Gesellschaft ist.

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