Nach zwei Jahren Obmannschaft des vormaligen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, Norbert Hofer, hat die FPÖ seit 19. Juni 2021 einen neuen Chef. Das wortgewaltige Urgestein Herbert Kickl. Ein Rückblick mit Aussicht.
Für manche kam es aus heiterem Himmel, für andere war es eine Erlösung. Als Norbert Hofer am 1. Juni 2021 seinen Rücktritt als Bundesparteiobmann der „sozialen Heimatpartei“, der FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs), bekannt gab, war Herbert Kickl gerade wandern. Die Doppelspitze Hofer (Bundesparteiobmann) - Kickl (Klubchef im Parlament) war einander in den vorangegangenen Tagen an öffentlichkeitswirksamen Spitzen und Spitzfindigkeiten nichts schuldig geblieben.
Am außerordentlichen Parteitag am 19. Juni 2021 präsentierte man sich indes geeint. Herbert Kickl wurde mit 88 % der Delegiertenstimmen zum neuen Obmann gewählt und Norbert Hofer mit der Bitte bedacht, einen neuerlichen Anlauf zum Amt des Bundespräsidenten zu unternehmen.
Vom Hirn zum Chef
Die Legende erzählt, der heutige FPÖ-Chef habe sich mit den Worten „Ich kann nix, aber ich kann alles lernen“ 1995 erfolgreich bei der rechten Partei beworben. Sein Talent, Dinge in einer einzigartigen Weise zu formulieren und damit ebenso den Jubel der Gefolgschaft wie auch den Groll der (politischen) Gegner heraufzubeschwören, brachte ihn bald in die Position des Redenschreibers für sein Idol Jörg Haider.
Diesem legte er unter anderem in Richtung des damaligen Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, den Satz „Wie kann einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben“ in den Mund. Berühmt-berüchtigt waren auch seine Reime für Wahlkampfplakate. Ganz Österreich konnte „Daham statt Islam“ (Daham = Wienerisch für Daheim) oder „Pummerin statt Muezzin“ (Pummerin = die größte Glocke im Wiener Stephansdom) lesen.
Im Jahr 2005 kam es zu einer Abspaltung einiger FPÖ-Mitglieder um Jörg Haider, die fortan als BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) ihr politisches Glück versuchten. Herbert Kickl blieb seiner blauen Heimat, der FPÖ, treu und wurde dafür vom neuen Obmann Heinz-Christian Strache mit dem Posten des Generalsekretärs belohnt. Die beiden galten bis zum unfreiwilligen Abschied Straches aus der Partei nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos am 18. Mai 2019 als „Herz und Hirn“ der Partei. HC Strache war das Herz, Herbert Kickl das Hirn. Und das steht nun an der Spitze der Partei.
„Kurz muss weg“
Bemerkenswert ist auch die Wandlung der FPÖ vom ehemaligen Koalitionspartner der ÖVP hin zur „Kurz muss weg“-Partei. Diese mag auch darin begründet sein, dass der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz seinen Innenminister Herbert Kickl im Zuge des Ibiza-Videos als ersten Minister in der Zweiten Republik entließ. Mit durchaus fragwürdigen Argumenten.
Während Norbert Hofer als Obmann noch für die Einhaltung der Covid-Maßnahmen gestanden war, hat Herbert Kickl die Zweifler um sich scharen können. Und dabei auch gleich den Slogan „Kurz muss weg“, der zuvor auf Twitter als #kurzmussweg eher von der linken Seite des Spektrums verwendet worden war, für die FPÖ vereinnahmt.
Angesichts der im Raum stehenden möglichen Anklage gegen Bundeskanzler Kurz wegen des Verdachts der Falschaussage sowie diversen anderen Vorkommnissen rund um die ÖVP kann Kickl mit “Kurz muss weg“ auf eine beachtliche Menge von Unzufriedenen zugehen.
Der Auftritt macht’s
Aktuell steht die FPÖ in Umfragen bei etwa 18 Prozent. Sie nimmt damit den dritten Platz hinter der zwar schwächelnden, aber immer noch auf Platz 1 befindlichen ÖVP mit 33 und der mit 25 Prozent zweitplatzierten SPÖ ein. Der aktuelle Koalitionspartner der ÖVP, die Grünen, teilt sich den letzten Platz mit NEOS, womit die momentane Regierungskonstellation nicht mehr über die Mehrheit verfügt. Man darf davon ausgehen, dass Herbert Kickl das Potential innehat, an frühere Erfolge anzuschließen und die FPÖ in die Nähe der 30 Prozent zu bringen.
Inhaltliche Änderungen der Partei sind nicht zu erwarten. Aber ein Obmann, dessen Reden im Parlament selbst von jenen gerne verfolgt werden, die der FPÖ so nahe stehen wie Donald Trump dem Kommunismus, hat mehr als bloß Unterhaltung zu bieten. Er spricht Dinge aus, die andere nicht einmal zu denken wagen. Er pointiert, wo andere nach Worten ringen. Er ist ein Meister der Worte, deren Wahrheitsgehalt oft ebenso unbestritten ist wie die nicht selten darin verpackte Lüge.
Die Frage für die Zukunft wird nicht sein, ob die FPÖ zulegen wird. Die Frage wird sein, ob es trotz „Kurz muss weg“ zu einer Versöhnung zwischen Kurz und Kickl bzw. ÖVP und FPÖ kommen kann. Man munkelt, dass das Regieren den beiden Akteuren doch näher ist als der vermeintliche Stolz. Und die Frage wird sein, was die linke Seite des Spektrums dieser rechts-konservativen Allianz entgegensetzen kann.