Mit seiner jungen Bevölkerung von 700 Millionen, unter- und oberirdischen Ressourcen, fruchtbaren Agrarflächen, steigendem Konsum und einer teilweise an das Weltwirtschaftssystem angepassten Wirtschaft hat der afrikanische Kontinent in allen Bereichen großes Potenzial. Die Mehrheit der afrikanischen Bevölkerung, die im Jahr 2050 1,7 Milliarden erreichen wird, wird voraussichtlich aus jungen Menschen bestehen, und der Konsum auf dem Kontinent wird geschätzte 6,7 Billionen Dollar erreichen.
Kritikpunkte an der globalen Entwicklungspolitik
Allerdings gibt es viele Kritikpunkte an der globalen Entwicklungspolitik gegenüber Afrika. Einige davon lauten, Entwicklungshilfe für den Kontinent mache Länder mittel- und langfristig von Hilfe abhängig, werde für koloniale Zwecke verwendet, ermögliche nicht die erwartete wirtschaftliche Entwicklung und hemme diese sogar.
Angaben zufolge hat die Hilfe für den afrikanischen Kontinent in den letzten 60 Jahren 1 Billion Dollar überschritten. Trotz der jährlichen Hilfe von 50 Milliarden Dollar für Afrika werden die jährlichen Kosten der Korruption auf dem Kontinent auf 150 Milliarden Dollar geschätzt.
All dies zeigt, dass humanitäre und Entwicklungshilfe nur begrenzt wirksam sind und wir neue entwicklungspolitische Paradigmen entwickeln und umsetzen müssen. Wie Einstein sagte, „es ist ein Irrtum, immer wieder das Gleiche zu tun und dabei andere Ergebnisse zu erwarten.“
Wie sollen neue entwicklungspolitische Paradigmen für Afrika aussehen?
Die 4 wichtigsten Säulen des neuen Entwicklungsparadigmas sind Data, Design und Innovation sowie Entrepreneurship.
Data-basierte Entwicklungspolitik
Wesentliche Teile der Entwicklungspolitik gegenüber Afrika basieren auf zahlreichen Vorurteilen.
Dazu gehören Urteile wie die, dass die meisten Kinder nicht zur Schule gehen, die Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, sie keinen Internetzugang haben und oft von überholten Informationen, Vorurteilen oder negativen Nachrichten und Berichten beeinflusst werden.
Auf Grundlage dieser vorurteilsbehafteten Annahmen werden viele Entwicklungshilfepolitiken und damit verbundene Aktionspläne in Bereichen wie Landwirtschaft, Gesundheit und Bildung festgelegt und Hilfspläne erstellt. Umfangreiche Recherchen zeigen, dass in Afrika ein erheblicher Teil der Vorurteile von Politikern und Ökonomen nicht stimmen. Dies zeigt, wie wichtig Daten sind, da nicht datenbasierte Entwicklungsrichtlinien häufig fehlschlagen.
Wir müssen bedenken, dass der afrikanische Kontinent trotz aller Negativität einen langen Weg zurückgelegt hat. In den letzten 10 Jahren ist die durchschnittliche Lebenserwartung in Afrika um 10 Jahre auf 60 gestiegen. Angaben zufolge hat sich die Rate der Mädchen, die in die Schule gehen, in den letzten 20 Jahren verdoppelt und liegt bei über 80 %. Der Zugang zu Elektrizität, der als einer der wichtigsten Indikatoren für Wirtschaftstätigkeit und öffentliche Dienstleistungen gilt, lag in den 2000er Jahren in Subsahara-Afrika bei 25 % und erreichte 2018 fast 50 %. Die Entwicklungen in Afrika in vielen Bereichen, von Impfraten bis zum Zugang zu sauberem Wasser, von Bildung bis hin zum Volkseinkommen, sollten nicht unbeachtet bleiben.
Wie die obigen Informationen zeigen, haben viele Menschen eine dramatisch geprägte Weltanschauung, die dazu führt, dass wir die Welt und insbesondere Afrika missverstehen. Eines der Themen, die in der globalen Entwicklungspolitik hervorgehoben werden sollten, ist die Überprüfung der Richtigkeit unserer Annahmen, die Überprüfung der tatsächlichen Daten, der beobachteten Verbesserungen von der Vergangenheit bis zur Gegenwart und der erwarteten Verbesserungen in naher Zukunft im Lichte zuverlässiger Daten. Wichtig ist auch, die Wirkungsanalysen der bisherigen Hilfen zusammenzuführen und gute Beispiele aufzuzeigen.
Design matters
Eine weitere Säule der neuen entwicklungspolitischen Paradigmen für Afrika ist „Design“. Dieser auch als Behavioral Economics bezeichnete Bereich, der in jüngster Zeit in den Vordergrund gerückt ist, ist eine Antwort auf die Frage, wie Entwicklungs- und humanitäre Hilfe effektiver und nachhaltiger gestaltet werden können, wenn sie durch den Ansatz des Design Thinking unterstützt werden. Neben dem oben genannten Designansatz sind in den letzten Jahren Konzepte wie Ingenieur, Ökonom oder Entwicklungsingenieur in den Vordergrund gerückt.
Das Abdul Latif Jameel Poverty Action Lab (J-PAL) ist eines der wichtigsten Zentren für Design in der Entwicklungshilfe. In diesem Zentrum wurden mehr als 1000 Forschungen in Afrika durchgeführt. Ziel der Feldforschung ist es, die Wirksamkeit von Entwicklungsprogrammen zu analysieren, und aufzuzeigen, wie gute Entwicklung bzw. humanitäre Hilfe zu gestalten ist.
Esther Duflo, die Direktorin von J-PAL, erhielt den Wirtschaftsnobelpreis 2020 für ihren wirtschaftswissenschaftlichen Ansatz „The Economist as Plumber“ in Bezug auf Design-basierte Entwicklungspolitik.
Innovation in der Entwicklungspolitik
Ein weiteres Thema, das in letzter Zeit in der globalen Entwicklungspolitik in den Vordergrund gerückt ist, ist das Konzept der „Innovation“. In diesem Zusammenhang sind die Begriffe „Innovative Hilfe“ oder „Smart Aid“ zu nennen . Innovation in Entwicklung und Hilfe betont die Entwicklung neuer Tools, Prozesse und Services. Eines davon, das 4P-Modell, besagt, dass sich Innovation auf vier Hauptbereiche der Hilfsaktivitäten konzentrieren sollte. Als Beispiele für Innovationen in Produkt- und Dienstleistungsbereichen können effizientere Steinbruchsysteme, Mobiltelefonanwendungen, die die landwirtschaftliche Aktivität steigern, Fintech-Produkte sowie Gesundheitsdienste am Telefon genannt werden.
Ein weiterer Innovationsbereich sticht als Innovation in Hilfsprozessen hervor. Gefragt sind innovative Produkte und neue Anwendungen in Bereichen wie Lager, Logistik, Koordination, Qualitätsstandards, Nachhaltigkeit, Wirkungsanalyse, Feedbacksysteme, Risikoanalyse sowie Festlegung von Aktionsplänen nach unterschiedlichen Szenarien.
Ein weiterer Bereich, in dem Innovationen in der Entwicklungspolitik erforderlich sind, ist die Umstrukturierung der institutionellen Strukturen, die Hilfe leisten.
Der vierte Bereich, der Innovation erfordert, ist das humanitäre Paradigma. Dementsprechend besteht Innovationsbedarf bei Themen wie einer stärkeren Beteiligung der lokalen Bevölkerung am Prozess, der Förderung des Unternehmertums und des freien Handels, der Bedeutung des Kapazitätsaufbaus und datenbasierter Hilfsmaßnahmen.
Entrepreneurship in Afrika
Eine weitere Säule des Paradigmenwechsels in der Entwicklungshilfe ist die neue Generation des Unternehmertums.
Ein lebensfähiges Afrika braucht ein entwickeltes Ökosystem des Unternehmertums. Die Beschleunigung von Entrepreneurship-Aktivitäten in Afrika, Entrepreneurship-Training und -Finanzierung waren in den letzten Jahren Schwerpunkte vieler Entwicklungshilfeländer. Auch in diesem Zusammenhang lenken viele Länder junge Menschen in den eigenen Reihen auf afrikanisch orientierte Geschäftsideen. Mit einer jungen Bevölkerung von 200 Millionen gehört die Jugendarbeitslosigkeit zu den größten Gefahren, die dem afrikanischen Kontinent in naher Zukunft bevorstehen. Aus diesem Grund ist zu erwarten, dass das Thema Unternehmertum in Zukunft noch stärker in den Vordergrund rücken wird.
Die neuen entwicklungspolitischen Paradigmen sollen das große Potenzial des afrikanischen Kontinents erschließen und die menschliche und soziale Entwicklung beschleunigen. Der Aufbau dieser neuen Paradigmen beruht darauf, dass möglichst viele Länder zum Prozess der Zusammenarbeit beitragen und afrikanische Länder diese Vision teilen.