Ein Leben der Bildung gewidmet
Nachdem die 1922 geborene Erfurterin Annemarie Schimmel im Alter von 16 Jahren ihr Abitur abgelegt hatte, begann sie im Jahre 1939 an der Universität Berlin zuerst Chemie und Physik, später Orientalistik und Islamwissenschaften zu studieren. Sie begann bereits mit 15 Jahren Arabisch zu lernen und wurde im Jahre 1941 an der Universität Berlin promoviert. Bis Kriegsende arbeitete sie als Übersetzerin beim Auswärtigen Amt. 1946 setzte sie ihre wissenschaftliche Tätigkeit an der Universität Marburg fort, wurde habilitiert und promovierte ein zweites Mal. In Marburg kam Schimmel auch zum ersten Mal mit dem Mas̱nawī von Ǧalāl ad-Dīn Rūmī (Mevlana) in Kontakt, der sie ein Leben lang prägte und über den sie sowohl Schriften verfasste als auch ausgewählte Geschichten und Gedichte ins Deutsche übertrug.
Jahre in der Türkei
Für weitere Forschungsarbeiten begab sich Schimmel 1952 nach Istanbul und lebte die kommenden Jahre in der Türkei. Unter dem Pseudonym Cemile Kıratlı verfasste sie Artikel für Zeitschriften auf Türkisch – unter anderem über die deutsche Kultur. Ende 1954 wurde sie an die Universität Ankara berufen, um dort im neuen Fach “Vergleichende Religionswissenschaft” auf Türkisch zu unterrichten und ihre Forschungsarbeiten fortzuführen. Sie heiratete 1955 einen türkischen Beamten, jedoch wurde die Ehe nach zwei Jahren wieder geschieden. Bedeutende mystische Werke übersetzte sie nicht nur ins Deutsche, sondern auch in die türkische Sprache, beispielsweise die Jâvidnâme (Buch der Ewigkeit) des indischen Dichters und Mystikers Muhammad Iqbal. In ihren Jahren in der Türkei kam sie mit türkischer Volksdichtung und Poesie in Kontakt. So sammelte und übersetzte sie beispielsweise Gedichte von Yunus Emre und veröffentlichte unter anderem die Bücher “Ausgewählte Gedichte von Yunus Emre” und “Wanderungen mit Yunus Emre”. Ihre Erfahrungen und Begegnungen in der Türkei fasste sie später in dem Werk “Mein Bruder Ismail – Erinnerungen an die Türkei” (Oenel Verlag, 1990) zusammen.
Hingabe zur indo-muslimischen Kultur
Nach ihrer Rückkehr aus der Türkei war sie einige Jahre Lektorin am Seminar für Orientalische Sprachen an der Universität Bonn, bis sie 1967 nach Harvard gerufen wurde, um ein Institut für indo-islamische Kultur aufzubauen. Bis 1990 unterrichtete sie dort und war als Professorin für indo-muslimische Kultur tätig. Neben der türkischen Kultur verspürte sie nämlich auch eine starke Neigung zur indo-muslimischen Kultur und nannte Pakistan ihre zweite Heimat. Heute erinnert das Annemarie-Schimmel-Haus – German Cultural Centre(https://schimmel.com.pk/) in Lahore an ihre Tätigkeit als Brückenbauerin zwischen Orient und Okzident. Es dient als Begegnungszentrum und bietet neben Kulturangeboten auch Deutschkurse an. In ihrem Werk „Berge, Wüsten, Heiligtümer, Meine Reisen in Indien und Pakistan“ schildert sie ihre Eindrücke vom indischen Subkontinent.
Annemarie Schimmels Nachlass
Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte Annemarie Schimmel in Bonn. Neben vielen Auszeichnungen und Preisen erhielt sie im Jahre 1995 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog hielt in der Frankfurter Paulskirche die Laudatio und betonte, dass man “auf die Dauer nicht miteinander leben [kann], wenn man nicht miteinander redet und wenn man nichts voneinander weiß. Im Verhältnis zum Islam hat uns Annemarie Schimmel den Weg dazu geebnet, und im Verhältnis zu anderen Kulturen hat sie uns gezeigt, wie solche Wege gebaut werden können.” (Nachzulesen unter: https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Roman-Herzog/Reden/1995/05/19950515_Rede.html)
Am 26.Januar jährt sich der Todestag von Prof. Dr. Annemarie Schimmel zum 18. Mal . Sie genoss eine hohe Anerkennung sowohl im Westen als auch in der islamischen Welt und war eine Brückenbauerin zwischen Orient und Okzident. Schimmel verfasste mehr als 100 Bücher und wissenschaftliche Artikel.