Ampel-Streit ohne Ende: Grüne und FDP liegen im Clinch
Die Ampel-Koalition unter Scholz nähert sich ihrer Halbzeit. Um die Hoffnung des Kanzlers auf mehr „Geschlossenheit” in seiner Regierung steht es aber nicht sonderlich gut.
Kanzler Scholz / Photo: DPA (DPA)

Für das sogenannte Wachstumschancengesetz von FDP-Finanzminister Christian Lindner war eigentlich ein schneller Beschluss erwartet worden. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) machte dem jedoch einen Strich durch die Rechnung: Sie legte ein Veto ein und blockiert den entsprechenden Beschluss. Der Koalitionsstreit der Ampel wird somit fortgesetzt – und zwar mit teils heftigen Vorwürfen.

In Lindners Gesetz geht es eigenen Angaben zufolge um eine „kleine Steuerreform“. Mit dem „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness” will der FDP-Chef „die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken und Spielräume eröffnen für Investitionen und Innovationen”. Mittlere und kleine Betriebe sollen davon besonders profitieren. Grundsätzlich sollen Unternehmen, die in klimafreundliche Technologien investieren, eine Prämie bekommen. Der FDP-Minister will nicht mit Verboten, sondern Belohnungen arbeiten.

Ein guter Gedanke, der gerade an der Grünen-Ministerin Paus scheitert. Mit der Blockade antwortet sie dabei eigentlich auf Lindners Veto der von Paus geplanten Kindergrundsicherung. Ihr Argument: Wenn man rund sechs Milliarden Euro für Entlastungen der Wirtschaft bereitstellen kann, dann sollte dies auch für die Kindergrundsicherung möglich sein.

Neuer Ampel-Streit verunsichert Wirtschaftsexperten und Unternehmer

Die zögerliche Regierungsleitung des Kanzlers sowie die ständige Konfrontation innerhalb der Ampel sorgen für zunehmend Stirnrunzeln bei Experten aus der Wirtschaft – so etwa beim Wirtschaftsverband BVMW. „Während Deutschland anders als andere Länder in eine tiefe Rezession rutscht, leistet sich die Bundesregierung einen Kampf persönlicher Eitelkeiten einzelner Minister”, sagte der Vorsitzende der BVMW-Bundesgeschäftsführung, Christoph Ahlhaus. „Dieser Bundesregierung scheint die Legalisierung von Drogen wichtiger zu sein als die Rettung unseres Wohlstands”, führte Ahlhaus seine Kritik weiter aus. Er forderte Scholz dazu auf, von der Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen. Damit könnte der Kanzler sämtlichen Streit schnell beenden.

Auch die Präsidentin der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann, forderte ein Durchgreifen von Scholz. „Bei der Kabinettsklausur in zwei Wochen muss Kanzler Scholz endlich Ruhe in seine chaotische Mannschaft bringen”, unterstrich sie und forderte einen „echten Neustart”. Unmut macht sich auch bei Unternehmern breit. Das Gefühl, dass die Regierung in Berlin die Nöte der Wirtschaft nicht ernst genug nimmt, wird immer ausgeprägter. „Leider zeigt unsere Regierungskoalition nicht die notwendige Entschlossenheit“, betonte Felix Haas, Gründer der Unternehmen Amiando und IDnow. Er sprach von einem falschen Signal an die Wirtschaft. Drastische Worte fand auch Claudia Gugger-Bessinger, Inhaberin von MN Maschinenbau Niederwürschnitz. Die Verschiebung von Linders Vorhaben untermauere „die Handlungsunfähigkeit und Verantwortungslosigkeit unserer derzeitigen Bundesregierung“.

Ampel versinkt im Streit

Scholz hatte noch vor der Sommerpause die öffentliche Austragung von Streitigkeiten in der Ampel kritisiert und für die Zeit nach der parlamentarischen Pause mehr Geschlossenheit innerhalb der Koalition angekündigt. Doch diese Hoffnung wurde mit dem Zerwürfnis zwischen Paus und Lindner sehr schnell von den eigenen Kollegen zerschlagen. Trotz seiner Kritik lieferten sich seine Kollegen von der FDP und den Grünen einen öffentlichen Schlagabtausch. Das stellt den Kanzler in ein schlechtes Licht und lässt ganz klar an seiner Autorität innerhalb der Bundesregierung zweifeln.

Doch ständige Streitigkeiten dürfte auch für die gesamte Koalition verheerende Konsequenzen haben. Während sich die Ampel ihrer Halbzeit nähert, strahlt sie alles andere als Vertrauen aus. Das wirkt sich auch auf die Unzufriedenheit der Bürger aus. Zwei Drittel der Deutschen wollen bereits einen Regierungswechsel, wie eine Umfrage des Insa-Instituts zeigt. 70 Prozent der Befragten gaben an, sie seien mit der Arbeit von Scholz unzufrieden.

AfD profitiert

Seit Beginn seiner Amtszeit wirkte Scholz immer wieder ratlos und tauchte bei hitzigen Debatten wie zum Konflikt in der Ukraine nur im Hintergrund auf. Stattdessen standen eher seine Minister im Rampenlicht. Wochenlang wurde im Zuge dieser Abwesenheit mit Aussagen wie „Wo ist eigentlich Olaf Scholz?“ gewitzelt. In der zweiten Hälfte seiner Amtszeit muss er nun entschiedener und kraftvoller auftreten, um nach zwei Jahren endlich das Image eines starken Kanzlers herzustellen. Inmitten des Ukraine-Konflikts und wirtschaftlichen Schwierigkeiten hat das Deutschland dringend nötig.

Die hohen Umfragewerte der rechtspopulistischen AfD sollten für die Koalition und Scholz ebenfalls Anlass zur Sorge sein. Denn die Populisten profitieren von der Unsicherheit, die die Ampel bei den Bürgern hervorruft. Daher ist es umso wichtiger, dass Scholz als Chef der Regierung öfter ein Machtwort spricht und von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch macht. Der Streit zwischen Paus und Lindner wäre hier die akute und richtige Gelegenheit, um Führungsqualität zu beweisen. Die Ampel-Parteien müssen allesamt ihre steilen ideologischen Differenzen eindämmen und gegenseitig Kompromisse eingehen, um Vertrauen herzustellen. Andernfalls wird sie sich mit jedem neuen Streit der AfD mehr Platz sowie Argumente zur komfortablen Ausbreitung schenken.


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