Vor 2000 Jahren waren römische Soldaten allgegenwärtig im Rheinland, zumindest am linken Ufer des Flusses: In Kleve lagerten Hilfstruppen, in Krefeld waren Reiter stationiert. In Bonn stand ein Legionslager und in Köln die militärische Kommandozentrale. Der Niedergermanische Limes zwischen der Nordsee bei Katwijk in den Niederlanden und Bad Breisig südlich von Bonn war eine der wichtigsten Außengrenzen des gewaltigen Römischen Imperiums: Es war der Rhein in seinem damaligen Verlauf. „Wie an einer Perlenkette reihten sich zahlreiche Kastelle, Wachttürme und Legionslager an dieser Flussgrenze auf“, beschreibt Nordrhein-Westfalens Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU).
Jetzt wollen die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz unter Federführung der Niederlande erreichen, dass der Niedergermanische Limes aus der Römerzeit ins Weltkulturerbe aufgenommen wird. Am Donnerstag soll der Antrag bei der UNESCO in Paris eingereicht werden. Schon im Juli 2021 könnte die Entscheidung fallen.
Bis zu 30 000 Soldaten hatten die Römer am „nassen Limes“, dem Rhein, stationiert „Das war ein Schwerpunkt der gesamten römischen Armee“, meint der ArchäologeSteve Bödecker, der Limes-Beauftrage von Nordrhein-Westfalen, in Bonn. HoheMilitärs machten anschließend Karriere in Rom.
Seitdem der Feldherr Varus im Jahr 9 n. Chr. eine Schlacht mit 20 000 Soldaten im Teutoburger Wald blutig verloren hatte - die sogenannte Hermannsschlacht, deren Namen vom Cheruskerfürsten Arminius (Hermann) kommt, der das siegreiche germanische Heer anführte - blieben die Römer meist auf der sicheren Seite des Flusses.
Heute noch sind der Statthalterpalast der Provinzhauptstadt in Köln oder die Überreste der römischen Stadt Colonia Ulpia Traiana bei Xanten Publikumsattraktionen. In Neuss und Bonn sind die Straßen der Legionslager noch im Stadtbild sichtbar.
Der NRW-Abschnitt des Limes ist 220 Kilometer lang, 19 Kommunen sind beteiligt. Alle haben eine römische Vergangenheit und meist Bodendenkmäler. Soldatenhelme, Münzen, Gürtelschnallen, Sandalen oder Amphoren aus der Römerzeit sind in ihren Museen ausgestellt. Die Forschung konnte weitere Spuren finden. „Es gibt neu entdeckte Plätze, die vorher nicht Teil des Limes waren“, berichtet Bödecker.
Dazu hat auch die Luftbild-Archäologie beigetragen. Weil die Römer ihre Lager stets nach gleichem viereckigen Muster bauten, sind die Grundrisse aus der Luft gut zu erkennen. „Wir wissen dann sofort: Das ist ein römisches Lager“, sagt der Archäologe. 2012 wurde bei Wesel ein Übungslager gesichtet, in dem römische Soldaten exerziert hatten. Bei Kalkar wurden die Reste eines Reiterlagers entdeckt. Und auch, dass der Rhein bei einem Hochwasser eine Ecke weggeschwemmt hatte.
Zum Niedergermanischen Limes gehörte ein Anwesen südlich von Düsseldorf, das heute eine Naturkundestation beherbergt. Früher lag dieses einstige Militärlager auf der westlichen Rheinseite. Doch der Fluss änderte 1374 seinen Lauf. Seitdem steht das Haus am anderen Ufer. Der Grundriss entspricht noch dem spätantiken Kastell. Ein Teil der Mauern ist erhalten.
Der „nasse Limes“, der in das UNESCO-Welterbe kommen soll, ist das Verbindungsstück zwischen zwei römischen Grenzen, die bereits geschützt sind. In England sind es der Hadrianswall und der Antonine Wall. In Deutschland ist es der Obergermanisch-Raetische Limes, der südlich von Bonn beginnt, 550 Kilometer lang ist und bis in die Nähe von Regensburg reicht.
Der Status Weltkulturerbe bringt erfahrungsgemäß touristischen Schwung. Städte wie Kalkar, Kleve oder Köln könnten ihre römischen Wurzeln auf großer Bühne feiern. „Das Bewusstmachen gehört zum Welterbe“, sagt der Limes-Beauftragte.