Auf dem Areal der früheren Synagoge der sephardisch-türkischen Gemeinde in der Leopoldstadt in Wien fand am Montag eine Gedenkzeremonie anlässlich des bevorstehenden Jahrestages der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. Dezember 1938 statt. Neben 41 weiteren jüdischen Gottesdienststätten der Stadt wurde auch die Synagoge in der Zirkusgasse in jenem Zeitraum von einem nationalsozialistischen Mob in Brand gesteckt und zerstört. Im Zuge der organisierten Übergriffe kamen 27 Menschen ums Leben.
Zum Gedenken hatten sich neben dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Oskar Deutsch, und der Vizepräsidentin der türkisch-jüdischen Kultusgemeinde der Türkei, Deniz Saporta, auch der Botschafter der Republik Türkei, Ozan Ceyhun, und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig eingefunden.
Ceyhun erinnerte an die historischen Wurzeln der Gemeinde
Der türkische Botschafter Ceyhun ging in seinem Redebeitrag vor allem auf die Geschichte des sogenannten Türkischen Tempels ein, die ihre Wurzeln im Friedensvertrag von Passarowitz hatte, der 1718 den Krieg zwischen dem mit Venedig verbündeten Habsburgerreich und dem Osmanischen Reich beendete. In dem Vertrag wurde Bürgern des Osmanischen Reiches unter anderem Aufenthalts- und Handelsfreiheit zugesichert. Davon profitierte in weiterer Folge die kleine Gemeinschaft der sephardisch-türkischen Juden in Wien, deren Bestehen erstmals 1736 nachgewiesen wurde.
„Diese Menschen, die sich stets ihre osmanische Identität bewahrten und unter dem Schutz des Osmanischen Sultans standen, wurden mit einem am 17. Juni 1778 veröffentlichten Dekret in Österreich offiziell als türkisch-israelitische Gemeinde anerkannt“, erläuterte Ceyhun. Die Gemeinde habe in weiterer Folge eine bedeutende Brücke zwischen den beiden bedeutenden Monarchien dieser Zeit gebildet.
Bedingt durch Brände, Baumängel und ein starkes Gemeindewachstum musste die Gemeinde mehrfach ihren Sitz wechseln, ehe sie 1868 erstmals in der damaligen Fuhrmanngasse 22 ihren Sitz bezog. Jene Synagoge, die bis 1938 Bestand haben sollte, wurde dort zwischen 1885 und 1887 fertiggestellt.
Maurischer Stil prägte auch die Synagoge in der damaligen Fuhrmanngasse
Ähnlich wie die Neue Synagoge in Berlin wurde auch die von Hugo von Wiedenfeld entworfene Gottesdienststätte der sephardischen Gemeinde Wiens nach dem Vorbild der Alhambra im maurischen Stil errichtet.
Die Synagoge der osmanischen Juden in Wien war am Ende, so erläuterte Ceyhun am Rande der Veranstaltung gegenüber TRT Deutsch, eine große und europaweit Respekt genießende Einrichtung gewesen. Bei der Zerstörung im Jahr 1938 wurden auch Angehörige der Gemeinde getötet – „wer sich retten konnte, wurde später in Lagern wie Mauthausen umgebracht“, schilderte der Botschafter weiter.
Um an das Schicksal der Betroffenen zu erinnern, veranstalte die türkische Botschaft Jahr für Jahr eine gemeinsame Gedenkzeremonie, an der auch der Bürgermeister und Mitglieder des Landtags teilnehmen.
„Wir wollen unsere Menschen nicht vergessen“, unterstrich Ceyhun, „wir wollen nicht, dass sie vergessen werden. Es ist für uns sehr wichtig, wenn wir über diese schrecklichen Zeiten reden, und wir wollen erreichen, dass diese Zeiten nicht wiederholt werden. Faschismus, Rechtsradikalismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sollten keine Chance in unserer Gesellschaft haben.“
„Bleibendes Zeichen schenken“
Bürgermeister Michael Ludwig äußerte in seiner Rede Genugtuung darüber, dass es ihm gelungen sei, in seiner Zeit als Wohnbaustadtrat zum 130. Jahrestag der Errichtung der Synagoge die Anbringung einer Gedenktafel im Hof des heutigen Wohngebäudes durchzusetzen. Gemeinsam mit dem Präsidenten der Kultusgemeinde habe die Stadt Wien damals „der jüdischen Gemeinde, die auch einen Bezug zur Türkei hat, ein sichtbares, bleibendes Zeichen schenken wollen“, betonte das Stadtoberhaupt.