Westliche Staats- und Regierungschefs, von US-Präsident Joe Biden bis zum britischen Premierminister Rishi Sunak, haben letzte Woche Tel Aviv besucht. Trotz der bereits verhängten Totalblockade gegen die Bevölkerung des Gazastreifens bekundeten sie ihre bedingungslose Unterstützung für die israelische Kriegsmaschinerie.
Am Montag landete auch der französische Präsident Emmanuel Macron in Israel, um in diesen unmoralischen Chor einzustimmen. Macron verurteilte die Hamas und drückte gleichzeitig seine Unterstützung für den israelischen Hardliner und Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu aus. Obwohl dessen ultrarechte Regierung bereits für die wahllosen Angriffe auf palästinensische Zivilisten verantwortlich war.
Auch die Staats- und Regierungschefs der Tschechischen Republik und Österreichs reisten nach Israel. Und auch sie sprachen dem von Korruptionsvorwürfen geplagten Netanjahu ihre uneingeschränkte Unterstützung aus.
Neben dieser einseitigen Betrachtung des israelisch-palästinensischen Konflikts bekennen sich einige westliche Politiker offen zum Zionismus, der Gründungsideologie des jüdischen Nationalismus. Dessen Anhänger zielen oft darauf ab, die palästinensische Existenz in den besetzten palästinensischen Gebieten auszulöschen. Gleichzeitig verurteilen dieselben Politiker den palästinensischen Widerstand und setzen ihn mit Terrorismus gleich.
„Man muss nicht Jude sein, um Zionist zu sein - und ich bin Zionist“
„Ich glaube nicht, dass man Jude sein muss, um Zionist zu sein - und ich bin ein Zionist“, sagte der katholische US-Amerikaner Biden bei seinem umstrittenen Israel-Besuch im Ballsaal eines Tel Aviver Hotels. Für seine Worte erntete Biden Lob von israelischen Politikern und Militärs.
Während Biden sich zum Zionismus bekannte, fielen Tausende palästinensische Zivilisten den israelischen Angriffen zum Opfer. Mehr als 2.000 palästinensische Kinder wurden getötet und zahlreiche Krankenhäuser, Kirchen, Moscheen und Büros von Hilfsorganisationen zerstört.
Bidens Bekenntnis zum Zionismus ist nicht neu. Schon vor Jahren hatte der US-Politiker wütend erklärt, er werde sich für seine Unterstützung Israels „nicht entschuldigen“. Er breitete die Arme aus, um seine bedingungslose Unterstützung für den Zionismus zu zeigen.
„Wenn es kein Israel gäbe, müssten die USA ein Israel erfinden, um ihre Interessen in der Region zu schützen“, fügte Biden hinzu. Dies wurde von seinen Kritikern im Nahen Osten als Beweis dafür gewertet, dass westliches Kolonialdenken nach wie vor sein politisches Weltbild bestimmt. Dem US-Präsidenten wird vorgeworfen, Israel als westliches Kolonialprojekt im Nahen Osten zu betrachten.
Bedingungslose Unterstützung für Netanjahu
Auch der amerikanische Spitzendiplomat Antony Blinken hat Israel bei seinen umstrittenen Äußerungen in Tel Aviv seine volle Unterstützung zugesagt. Er erinnerte daran, dass er „nicht nur als Außenminister der Vereinigten Staaten, sondern auch als Jude“ in Israel sei.
Wie Biden und Blinken bekundete auch Sunak bei seinem Besuch in Israel seine Unterstützung für Israel. „Wir wollen, dass Sie gewinnen“, sagte er zu seinem Amtskollegen Netanjahu. Pro-palästinensische Positionen werteten dies als völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid der Palästinenser durch den Hardliner Netanjahu, der in seinem Land die bisher rechteste Regierung Israels gebildet hat.
Netanjahu dankte Sunak für dessen „unerschütterliche Unterstützung“ und lobte auch den Besuch eines anderen westlichen Regierungschefs, des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz. Auch dieser hatte Israel grünes Licht für den Angriff auf die Bewohner des Gazastreifens gegeben und die Hamas laut Netanjahu als „die neuen Nazis“ bezeichnet.
Macron versprach „volle Unterstützung“ und „Solidarität“ für Israel. Macron schlug sogar vor, die von den USA geführte Anti-Daesh-Koalition gegen die Hamas einzusetzen.
Wenn Macrons Vorschlag umgesetzt wird, bedeutet dies, dass nicht nur die israelische Armee, sondern auch andere westliche Kräfte gegen palästinensische Widerstandsgruppen in den besetzten palästinensischen Gebieten kämpfen werden. Dies wäre ein neuer Wendepunkt im Nahostkonflikt mit unabsehbaren Folgen.
Gefährlicher Endzeitglaube unter Evangelikalen
Die bedingungslose Unterstützung des Westens für Israel sorgt auch im UN-Sicherheitsrat für Ärger. Der türkische Außenminister Hakan Fidan kritisierte die drei ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates - Frankreich, die USA und Großbritannien - für ihre Nahostpolitik.
„Natürlich zeigt die Geschichte, dass Biden unter Bedingungen nach Israel kam [unter denen Israel wahllos palästinensische Zivilisten tötete] und die Zerstörung in Gaza akzeptierte“, sagte Fidan letzte Woche in einem TRT-Interview. Fidan wies auch darauf hin, dass die Amerikaner und ihre westlichen Verbündeten im palästinensisch-israelischen Konflikt „nicht strategisch denken“.
„Die Frage der Unterstützung für den Staat Israel, die in der evangelikalen Basis zu einem metaphysischen Glauben geworden ist, ist oft zum größten Hindernis für amerikanische Politiker geworden, eine rationale Politik zu verfolgen“, sagte Fidan gegenüber TRT.
Viele Evangelikale glaubten, dass die Existenz Israels in Palästina wichtig für die „Erfüllung der Endzeitprophezeiung“ von Armageddon ist, der letzten Schlacht zwischen Gut und Böse vor dem Jüngsten Gericht.
„Jerusalem war im Laufe der Geschichte Gegenstand der Zuneigung von Juden und Christen sowie ein Prüfstein für Prophetie", sagte der evangelikale US-Pastor Robert Jeffress. Er betonte, dass „Gott Jerusalem - und den Rest des Heiligen Landes - dem jüdischen Volk gegeben hat“.
Teile des Nahost auf auf „ewig“ an Israel versprochen
Nach Ansicht der Evangelikalen, die von vielen auch als Anhänger des christlichen Zionismus bezeichnet werden, „ist Gottes Versprechen des Heiligen Landes an die Juden ewig“. Elizabeth Oldmixon, Professorin für Politikwissenschaft an der James Madison University, sagte in einem Interview mit Vox im Jahr 2017: „Es ist nicht nur etwas aus der Antike.“ Entsprechend werden Angriffe zur Vertreibung von Nichtjuden wie Palästinensern aus dem „Heiligen Land“ von vielen Evangelikalen als legitim betrachtet.
Es ist nicht klar, inwieweit Biden und die pro-israelische US-Regierung diese biblische Prophezeiung teilen, die sie zu irrationalem Handeln in Bezug auf die Zukunft Palästinas zu drängen scheint, wie Fidan andeutete.
Aber es gibt ein größeres geopolitisches Problem für jüdische und christliche Zionisten. Unter ihnen herrscht der Glaube, dass die apokalyptische Endzeit erst beginnt, wenn Israel auf beiden Seiten des Jordans wiederhergestellt ist. Diese Bewegung fordert die Eroberung weiterer Gebiete, einschließlich der heutigen Teile Jordaniens, Syriens und des Libanon, um ein größeres Israel zu schaffen.
„Was die Endzeit in Gang setzt, ist die Wiederherstellung der politischen Grenzen Israels anhand dessen, was Gott den Israeliten gemäß der Bibel versprochen hat“, erklärte Nate Pyle, ein weiterer evangelikale Pastor im Interviews mit Newsweek im Jahr 2018.
Das bedeutet einen regionalen Krieg nicht nur mit den Palästinensern, sondern auch mit anderen arabischen Staaten im Nahen Osten. Und daran glaubt die evangelikale Basis nach wie vor fest.
Viele Evangelikale sehen sich bereits in der Endzeit
„Der Sinn für ein größeres Israel und der Expansionismus sind für diese Gemeinschaft also sehr wichtig. Jerusalem spielt dabei eine zentrale Rolle. Es wird als historische und biblische Hauptstadt angesehen“, so Oldmixon. Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch den Westen sei ein untrennbarer Teil dieser evangelikalen Überzeugung.
Umfragen zeigen auch eine starke evangelikale Unterstützung für den Glauben an die Rolle des modernen Israel bei der Erfüllung biblischer Prophezeiungen. An die glauben laut einer LifeWay-Umfrage aus dem Jahr 2017 80 Prozent der Evangelikalen.
Eine weitere Umfrage des Pew Research Center ergab im vergangenen Jahr, dass mehr als 60 Prozent der US-amerikanischen Evangelikalen glauben, dass diese apokalyptische Zeit bereits eingetreten ist.