Der Vorsitzende des Bundes Deutscher EinsatzVeteranen, Oberstleutnant a.D. Bernhard Drescher, hat angesichts des jüngsten Terroranschlages auf Bundeswehrsoldaten in Gao Kritik an der mangelnden Absicherung des Einsatzes in Mali durch die Politik geübt.
Im Gespräch mit der TRT präzisiert Drescher noch einmal, warum er Drohnen für die Bundeswehr fordert und wo er die entscheidenden Mängel in der politischen Begleitung der Auslandseinsätze sieht.
Der jüngste Anschlag auf Bundeswehrsoldaten in Mali hat einmal mehr gezeigt, dass dieser nach dem Abzug aus Afghanistan zum gefährlichsten Auslandseinsatz deutscher Soldaten geworden ist. Haben die Bundeswehrsoldaten den erforderlichen Rückhalt in Politik und Öffentlichkeit, den sie in dieser Lage brauchen?
Das möchte ich eigentlich mit einem ziemlich klaren „Nein“ erst einmal vorweg beantworten und ich möchte das auch ein wenig begründen, aber dafür muss man auch in die Vergangenheit gehen. Deutschland hat geschichtlich gesehen nach Ende des Zweiten Weltkrieges schon immer ein gewisses Problem mit uniformierten Kräften gehabt. Und mit der Aufstellung der Bundeswehr hat man ja auch versucht, Traditionslinien und ähnliches zu unterbrechen von neuen Anzügen bis zu neuen Liedern.
Und in der weiteren Fortschreibung haben wir auch die Wehrpflicht abgeschafft. Diese gibt es heute nicht mehr und man ist eigentlich relativ separiert von der Gesellschaft, weil die Gesellschaft auch gar nicht so wirklich Interesse hat, im Detail zu wissen, was passiert in den Einsätzen. Wir sehen eine Separation - keinen Staat im Staate, aber eine Separation.
Dass der Staat zu seinen staatlichen Organen auch steht und diesen auch den Rücken stärkt, wenn sie in mediale Kritik geraten, das sehen wir nicht. Und wenn wir sehen, dass unsere Mitglieder, die nach einem Einsatz geschädigt oder seelisch verwundet zurückkommen, nach ihrer Dienstzeit gegen diesen Staat einen Verwaltungskrieg führen müssen, um angemessene Versorgungsansprüche zu bekommen, kann ich da nur sagen, dieser Verwaltungskrieg ist unnütz und er ist begründet in fehlendem Rückhalt. Der Mensch muss spüren, dass der Rückhalt da ist.
Regelmäßig wird Kritik laut, die Bundeswehr sei für Aufgaben mit derartigem Gefahrenpotenzial nicht gut ausgerüstet und dass man vor allem bezüglich der Ausstattung auf andere angewiesen sei, etwa im Fall der Evakuierung nach dem Anschlag bei Gao. Inwieweit ist diese berechtigt und wie ernst nimmt die Politik diese Hinweise?
Die Politik letztendlich gibt den Grad der Ernsthaftigkeit ja eigentlich vor, indem sie dieses Mandat entsprechend qualifiziert. Wenn wir ein Mandat bekommen, haben wir eine Mehrheit im Parlament, aber merkwürdigerweise haben wir dann für die entsprechende Ausrüstung kein Mandat.
Auf die Kritik, dass die Bundeswehr nicht richtig ausgestattet ist, muss ich als ehemaliger Stabsoffizier mit „Ja“ antworten. Und zwar immer. Wir haben keine Reserven mehr.
Ich kritisiere, dass wir im Einsatz in Gao, wo wir ein Krisengebiet zu verantworten haben und der Franzose Hunderte von Kilometern entfernt als Nachbar sein Gebiet hat, wir da über 100 Kilometer in die Fläche fahren, wir aber nicht in der Lage sind, einen vorgeschobenen Medical Point einzurichten. Dass wir auch keinen eigenen Hubschrauber haben, der direkt am Geschehen die Verwundeten abtransportieren kann. Die Leichtverwundeten mussten erst einige Kilometer gefahren werden, um dann in zivile Hubschrauber verlegt zu werden. Die Soldaten improvisieren. Und hier sagen wir als Verband, wenn es ein Mandat gibt für einen Einsatz, muss es auch eines dafür geben, diesen zu sichern. Und das ist ja parteiübergreifend.
In den letzten Jahren wurde ja auch das Militärbudget deutlich erhöht. Wo geht denn das ganze Geld hin?
Wir haben ewig lange Beschaffungsvorgänge. Ich vermute, aber das ist wirklich nur eine Vermutung, dass da viel Geld versickert. Ich will da keinem was Böses nachsagen, aber das frisst viel. Mein Herz schlägt für die Truppe. Sie sagt, da ist nicht genug. Mal fehlt das Klebeband. Mal fehlt die Batterie.
Ich bin der Meinung, wir haben entweder damals mit Beginn der Einsätze überheblich oder mit einem kollektiven Staatsversagen gehandelt, weil wir nämlich die Möglichkeit gehabt hätten, bei unseren Nachbarländern, die überall auf der Welt Einsätze hatten oder in kleinen kriegerischen Dingen mit verwickelt waren, zu gucken: Wie wirkt sich dieser Ansatz auf den Menschen, auf die Gesellschaft aus? Was müssen wir dazu tun? Also diese ganzheitliche Betrachtung. Ich vermute, wir haben gesagt, das passiert uns Deutschen nicht. Und es ist dann ja bis über die Jahrtausendwende nichts passiert.
War das eher eine Entwicklung, die aus politischer Arroganz heraus resultierte?
Ja, natürlich. Ich weiß nicht, es ist für mich eigentlich unmöglich, dass mehrere Player gleichzeitig versagen. Also irgendwie muss da die Verbindung bestehen.
Da können wir auch direkt nochmal konkreter werden: Sie hatten jüngst den Einsatz bewaffneter Drohnen in Einsätzen wie in Mali gefordert. Was hindert Ihrer Einschätzung nach die Politik, auf diese offensichtlichen Probleme einzugehen?
Wir sind für Drohnen, weil sie Menschenleben retten, und zwar die eigenen. Also Kampfkraft spart Blut an den eigenen Menschen und wir sind natürlich für unsere eigenen Menschen verantwortlich. Wir müssen immer robust ausgestattet sein, weil wir nicht wissen, wie der Einsatz sich von heute auf morgen verändert.
In der Politik wird regelmäßig die Forderung laut, Deutschland solle mehr internationale Verantwortung übernehmen, auch militärisch. Wie realistisch ist eine solche Aussage?
Also ich bin der Meinung, dass die Bundeswehr sich international immer mit einbringt. Die Frage ist also nicht das Ob, sondern das Wie. Nämlich, mit welchem Mandat und in welcher Größe. Aber die Beschränkung liegt natürlich immer in den eigenen Fähigkeiten. Die internationale Beteiligung, die die Politik vorgibt, muss abgedeckt sein mit Menschen, Mitteln und Methoden. Und da sind wir wieder bei der vollständigen Ausstattung und der Befähigung, diesen Mandatsauftrag überhaupt erfüllen zu können.
Aber Menschen in einen Einsatz oder in weitere internationale Verpflichtungen zu schicken, wo man eigentlich weiß: „Ja, wenn nichts passiert, geht es gut, aber wenn etwas passiert, haben wir ein Problem, weil nicht die richtige Ausrüstung da ist“ - das geht nicht.
Ist das nicht eine Form von heuchlerischem Verhalten der Politik?
Also ich bin ja nun wirklich kein Politiker. Ja, aber ich persönlich habe das Gefühl, auch aus meinen 34 Dienstjahren und meinen eigenen drei Einsätzen, dass ein Stück Ignorieren immer Teil der Entscheidung ist. Da müsste eine größere, ehrliche Auseinandersetzung von beiden Seiten erfolgen.
Vielen Dank für das Gespräch!