Keine Angst vor künstlicher Intelligenz
Der technische Fortschritt kennt scheinbar keine Grenzen. Ob nun selbstfahrende Autos, die sprechende Waschmaschine, Drohnen beim Militär - alles ist möglich. Vielen Menschen macht das Angst. Ein Experte gibt Entwarnung.
Keine Angst vorm intelligenten Roboter (DPA)

Der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft hält Sorgen vor einer Machtübernahme durch Roboter für unbegründet. Es gebe im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) zwar große Fortschritte, sagte Reimund Neugebauer in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Aller Wahrscheinlichkeit nach würden Maschinen aber selbst in Zukunft nicht aus eigenem Antrieb die Führung übernehmen können. „Mensch und Maschine haben vom Prinzip her komplementäre Eigenschaften und ergänzen sich“, sagte er.

Neugebauer warb zudem für einen vorsichtigeren Umgang mit dem Begriff künstliche Intelligenz. Aus seiner Sicht werde er zu leichtfertig in den Mund genommen, sagte der Präsident der größten Organisation für angewandte Forschung in Europa. So sei Inspiration etwas, das man heute noch nicht künstlich abbilden könne, weil man die neuronalen Verbindungen im Gehirn noch nicht so weit verstehe. Auch beim Thema Bewusstseinsbildung, das für die Entwicklung von Intentionen relevant ist, sei man noch extrem weit entfernt von echter Intelligenz.

Nach Angaben von Neugebauer erfordert zudem alles, was man heute an Intelligenzelementen nachbildet, einen immensen Energieaufwand. „Für das, was wir an Denkleistung bewältigen, mit dieser aberwitzig geringen Energie unseres Körpers, da brauchen sie teilweise kleine Kraftwerke dahinter, um diese Denkleistung in KI nachzubilden“, erklärte er. „Das ist rein physikalisch eine riesige Hürde.“

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur erklärt der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Reimund Neugebauer, warum er derzeit keine Angst vor einer Machtübernahme von Robotern hat. Als Wissenschaftler wolle er auch nicht ausschließen, dass Maschinen unbeherrschbar werden.

Im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) gab es in den vergangenen Jahren große Fortschritte. Wann wird es soweit sein, dass ein Mensch nicht mehr merkt, ob er in einer Hotline mit einem anderen Menschen oder mit einem Roboter telefoniert?

Da gibt es ja heute manchmal schon durchaus Irrtümer. Wir sind zum Beispiel in der Fraunhofer-Gesellschaft bei der Spracherkennung ein Vorreiter – zum Beispiel im Automobilsektor. Wichtig ist, dass ein KI-System das Anliegen des Menschen nicht missversteht. Vielleicht können automatisierte Systeme auch Datenschutz-Aspekte besser gewährleisten als menschliche Akteure.

Würden sie die Hand dafür ins Feuer legen, dass die künstliche Intelligenz für den Menschen beherrschbar bleibt?

Aus heutiger Sicht wird sie jedenfalls noch sehr lange beherrschbar sein. Die Beherrschbarkeit von künstlicher Intelligenz ist ja ähnlich zu beurteilen wie die Beherrschbarkeit anderer komplexer Technologien, die in einem engen Zusammenspiel zwischen menschlichen Akteuren und technischen Komponenten funktionieren. Für mein Dafürhalten wird der Begriff künstliche Intelligenz auch zu leichtfertig in den Mund genommen.

Warum das?

Nehmen wir nur mal das Thema Bewusstseinsbildung, so dass KI-Systeme eigene Intentionen entwickeln könnten. Da sind wir noch extrem weit entfernt von echter Intelligenz. Und was auch immer wieder vergessen wird: Alles, was wir heute an Intelligenzelementen nachbilden, insbesondere mit Deep Learning, erfordert einen immensen Energieaufwand. Für das, was wir an Denkleistung bewältigen, mit dieser aberwitzig geringen Energie unseres Körpers, da brauchen sie teilweise kleine Kraftwerke dahinter, um diese Denkleistung in KI nachzubilden. Das ist rein physikalisch eine riesige Hürde.

Ich scheue mich bis dahin sehr, dass wir das, was wir künstlich heute nachbauen, bereits als echte Intelligenz bezeichnen. Im Moment habe ich jedenfalls keine Sorge, dass eine künstliche Intelligenz die Macht übernimmt. Allerdings ist das, was wir bereits entwickelt haben, in vielen Bereichen gut zu verwenden, wir machen große Fortschritte.

Ein Beispiel?

Wir entwickeln derzeit künstliche Systeme, wo wir nicht mehr nur Distanzen, Temperaturen, Drücke, Geschwindigkeiten oder Beschleunigungen messen. Wir detektieren heute auch Gerüche. Wir können hiermit feststellen, wovon sich Menschen oder Tiere ernährt haben. Das wollen wir künftig in technischen Systemen mitnutzen - zum Beispiel bei der Mensch-Maschine-Interaktion. Wenn ein Roboter einen Menschen nicht sieht oder hört, kann er ihn vielleicht riechen. Das kann für zusätzliche Sicherheit sorgen, beispielsweise in der Logistik oder bei Produktionsketten.

Am Ende halten Sie es aber nicht für undenkbar, dass Roboter unbeherrschbar werden?

Dazu bin ich zu sehr Wissenschaftler, um Dinge einfach auszuschließen. Ausschließen heißt ja, ich würde die Wahrheit kennen. Autos, Flugzeuge und Kernkraftwerke können ja auch unbeherrschbar werden, in dem Sinn, dass sie sich dem kontrollierenden Eingriff des Menschen entziehen. Der technische Fortschritt hat dem Menschen aber letztlich stets Aufgaben abgenommen – und er hat ihm neue, reizvollere Möglichkeiten geschaffen, die frei gewordene Zeit einzusetzen. Mensch und Maschine haben vom Prinzip her komplementäre Eigenschaften und ergänzen sich. Maschinen werden unseren Wirkungskreis erweitern, jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aus eigenem Antrieb die Führung übernehmen.

DPA