In letzter Zeit sorgt Clubhouse für viel Gesprächsstoff: Influencer und Prominente teilen auf ihren Social-Media-Profilen regelmäßig Gesprächsthemen und kommende Treffen. Die App wird damit immer populärer. Angeheizt wurde der Hype vom US-Unternehmen Alpha Exploration Co., das hinter der App steht, aber auch durch Ausrutscher von prominenten Nutzern. Bodo Ramelow etwa erwähnte, dass er das Spiel „Candy Crush“ auf seinem Smartphone spielt, während die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin über die Corona-Regelungen beraten. Und Philipp Amthor sang das „Pommernlied“ – ein eher bei rechtsextremen Kreisen beliebtes Lied – und sorgte damit für Empörung. Als dann noch Größen wie Elon Musk auf Clubhouse Unterhaltungen führten, war die App in aller Munde. Dennoch wissen viele nicht, um was für eine Art Anwendung es sich dabei handelt und wie sie funktioniert.
Im Wesentlichen ist Clubhouse eine Smartphone-App, mit der Live-Unterhaltungen und Diskussionen anderer Personen mitgehört werden können. Beworben wird die App oft damit, dass sie von Berühmtheiten oder Experten genutzt wird. Der Otto Normalverbraucher bekommt die Möglichkeit an den Gesprächen aktiv teilzunehmen. Doch diese Möglichkeit ist begrenzt, eine Bewerbung allein genügt nicht. Über die Teilnahme entscheidet der Moderator.
Einige Nutzer verwenden die App auch für alltägliche Gespräche oder sogar als Speed-Dating-Plattform. Clubhouse ist also kein elitärer Verein oder keine exklusive Plattform für Intellektuelle und Prominente, wie es gerne dargestellt wird, sondern schlicht ein soziales Audio-only-Netzwerk.
Diese künstliche Exklusivität und die Fear-of-Missing-out-Taktik ist womöglich Teil der Marketingstrategie von Clubhouse. Die Vorgehensweise rührt wahrscheinlich aber auch daher, dass das Unternehmen noch recht klein ist und nicht genügend Ressourcen besitzt. Zum Verwalten einer großen Nutzerbasis und den dazugehörigen Support braucht es eine Vielzahl an Mitarbeiter und die nötigen Server-Kapazitäten. Beides kann Clubhouse noch nicht vorweisen.
Zwei Voraussetzungen und die Chatham-House-Regel
Wenn man schlussendlich durch die Publicity neugierig geworden ist und die Anwendung runterlädt, könnte das noch nicht reichen. Denn ohne die Einladung von bereits akzeptierten Nutzern werden Interessenten lediglich auf eine Warteliste gesetzt.
Wann die App für die breite Masse verfügbar sein wird und die Invite-only-Phase verlässt, ist aktuell noch unklar. Vorstellbar wäre eine Öffnung, wenn Twitter und Facebook mit ihren Clubhouse-Alternativen online gehen. Die zwei Online-Riesen arbeiten zur Zeit an ähnlichen Konzepten. Spaces von Twitter ist sogar bereits in der Beta-Phase und soll ab April für iPhone- und Android-Nutzer verfügbar sein.
Die Android-Unterstützung dürfte Twitter einen großen Vorteil verschaffen, denn für Clubhouse-User gibt es noch eine zweite Einschränkung: Es wird momentan zwingend ein Apple-Gerät vorausgesetzt. Ohne ein Gerät mit iOS, iPadOS oder ohne einem neuen Macbook mit M1-Prozessor kann die Plattform trotz Einladung nicht genutzt werden. Die Entwickler arbeiten laut eigenen Angaben nun an einer Android-Version. Bis es soweit ist, dürfte es aber noch dauern. Die Entwicklung befindet sich momentan noch in einem sehr frühen Stadium.
Erfüllt man die beiden Voraussetzungen, wird der Nutzer von einer recht minimalistischen Oberfläche begrüßt. Anschließend können vorgeschlagene Profilen gefolgt oder öffentliche Chats und andere Nutzer erkundet werden. Selbstverständlich ist es auch möglich, eigene Räume zu erstellen und zu moderieren. Eine Timeline, private Gespräche mit einem einzelnen User oder ähnliches gibt es nicht. Selbst die Profile der Nutzer sind sehr simpel gehalten. Dass alles noch so schlicht wirkt, hat einen Grund. Die Entwickler bauen die App und ihre Features gerade erst aus. Aktuell können also wirklich nur Räume geöffnet und Unterhaltungen mit weiteren Personen geführt werden.
Eines sollten die Nutzer beachten: In den Räumen und Gesprächen selbst gilt die sogenannte Chatham-House-Regel. Wenn ein Gespräch abgehalten wird, steht es den Teilnehmern frei, die erhaltenen Informationen zu nutzen. Die Identität der Quelle oder der anderen Teilnehmer darf jedoch nicht preisgegeben werden. Deshalb ist es auch strikt verboten, die Gesprächsinhalte aufzunehmen und zu speichern.
Große und größere Datenschutzbedenken
An die Chatham-House-Regel hält sich Alpha Exploration Co. jedoch selbst nicht. Jegliche Unterhaltungen werden von Clubhouse aufgezeichnet. Das steht auch so in der Datenschutzerklärung drinnen. Damit möchte das Unternehmen nach eigenen Angaben Verstöße gegen die eigenen Richtlinien und illegale Inhalte ahnden. Wenn keine Beschwerden eingehen, sollen die Mitschnitte wieder gelöscht werden.
Das alles kann in den Datenschutz-Hinweisen und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nachgelesen werden – jedoch nur auf Englisch. Ein Umstand, den bereits Stiftung Warentest sowie die Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert hat und eine Abmahnung seitens der Verbraucherzentrale zur Folge hatte.
Der Datenhunger von Clubhouse begrenzt sich aber nicht nur auf Mitschnitte. Die App überträgt zusätzlich zu allen Aufnahmen auch die Adressbucheinträge der Nutzer auf Firmenserver. Dabei ist es irrelevant, ob die Kontaktdaten zu weiteren Clubhouse-Nutzern gehören oder nicht. Viele Privatpersonen haben also schon unwissentlich ein Profil bei Clubhouse – ohne dem Widersprechen zu können oder ohne einen Zugang zur App zu haben.
Das ist aber noch nicht alles: Das Backend, sprich die Infrastruktur von Clubhouse, stellt die chinesische Firma Agora. Zu den vielen Kunden Agoras zählen etwa Xiaomi oder Tiktoks Muttergesellschaft Bytedance. Agora ist also kein unbekanntes Unternehmen. Das Problem liegt aber woanders. Die Kommunistische Partei Chinas besteht auf einen Zugriff auf die Daten von ansässigen IT-Firmen – und somit eventuell auch auf die Daten von Clubhouse-Nutzern. Auf welche und wie viele Daten Agora Zugriff hat, ist nicht bekannt.
Die gesammelten Daten könnte Clubhouse zudem zu Werbe- und Marketingzwecken verwerten oder eben an Dritte verkaufen. Einnahmen kann das Unternehmen ohnehin gut gebrauchen. Zwar fehlt es nicht an Investoren, die Clubhouse mit hohen Millionenbeträgen ausstatten, doch ein klares Monetarisierungskonzept fehlt dem Unternehmen bisher. Premium-Funktionen fehlen und es wird auch keine Werbung geschaltet.
Die Zukunft von Clubhouse und seinen Nutzern
Vage Pläne, um Influencer auf die Plattform aufmerksam zu machen und zu halten, hat die Plattform bereits vorgestellt. Mit dem „Creator Grant Program“ sollen die aktivsten App-Nutzer gefördert und zum Mitmachen angeregt werden. Zudem soll es Möglichkeiten geben, an User zu spenden, Tickets für Gespräche zu kaufen, oder Abonnements abzuschließen. Gerade die Ticket-Funktion könnte die Plattform für Unternehmen attraktiv machen.
Diesen Schritt und weitere Konzepte hat Clubhouse auch nötig, wenn es nicht das gleiche Schicksal wie die Social-Media-App „Vero“ erleiden möchte. Die Macher konnten die Situation während den Corona-Monaten jedenfalls gut nutzen und für einen Hype sorgen.
Die Konkurrenz schläft aber nicht und auch weniger bekannte Audio-only-Netzwerke haben einen Zulauf bekommen. Jüngst konnte etwa Stereo, eine Live-Podcast-App, viele neue Nutzer dazugewinnen. Dabei macht Stereo genau das Gegenteil von Clubhouse: Es ist offen für jeden, besitzt eine Android- sowie Twitter-Version und es bietet Unterstützung für hochwertige Mikrofone und Studio-Aufnahmen. Damit können Live-Gespräche geführt und anschließend auf allen denkbaren Plattformen wiederverwendet werden. Wenn Stereo zusätzlich den Datenschutz seiner Nutzer besser regelt und die Big-Player wie Twitter und Facebook eine gute Alternative zu Clubhouse bieten, könnte Clubhouse schnell wieder seinen Hype und seine User verlieren.