Türkei wird Global Player auf dem Drohnen-Markt
Kampfdrohnen aus türkischer Produktion haben bereits in mehreren Konflikten ihre Effizienz und Durchschlagskraft bewiesen. Das spricht sich auch auf dem Weltmarkt herum. Mit Polen wird nun der erste Nato-Staat türkische Drohnen erwerben.
Die Bayraktar-Drohne: Symbol militärischer Durchschlagskraft der türkischen Streitkräfte  (Others)

von Alican Tekingündüz

Dass Polen als erstes Nato-Mitgliedsland militärische Drohnen aus der Türkei ordern will, sehen Experten als eine mögliche Zäsur auf dem Weltmarkt für sogenannte Unmanned Aerial Vehicles (UAV). Bis dato verfügen die USA auf dem Markt über ein De-facto-Monopol. Analystin Merve Seren von der Yildirim-Beyazit-Universität in Ankara zufolge könnte sich dies schon bald ändern:

„Die Vereinbarung mit Polen ebnet auch anderen Nato-Ländern den Weg, künftig auf türkische Drohnen zurückzugreifen.“

Einen der Hauptgründe für diese Entwicklung sieht Seren im realen Nachweis der Fähigkeit, Schlachten zu entscheiden. Diesen hätten türkische Kampfdrohnen im Einsatz gegen feindliche Ziele erbracht – in sehr intensiv geführten Konflikten wie jenen in Syrien, Libyen und Bergkarabach.

Idlib 2020 als bravourös gemeisterte Feuerprobe

Dies hätten türkische Kampfdrohnen auch der Konkurrenz aus Israel oder China voraus, die ihre Effizienz noch in echten Einsätzen beweisen müssten. US-Drohnen seien derzeit vor allem in Konfliktgebieten wie Afghanistan oder dem Jemen präsent. Dass der Türkei der Eintritt in den globalen Drohnenmarkt gelungen sei, liege am erbrachten Nachweis der Funktionsfähigkeit an komplexen Konfliktfronten.

„Während Helikopter nur eingeschränkte Lufthoheit gewährleisten, gewährleistet eine Drohne diese zum Wohle der Bodentruppen für 24 Stunden“, erläutert Seren. Der Konflikt 2020 in Idlib war für türkische Drohnen ein wichtiger Wendepunkt, da diese dort erstmals „in vollem Angriffsmodus“ operiert hätten. Die koordinierten „Hordenangriffe“ der türkischen Armee gegen syrische Regimetruppen und Verbündete von Machthaber Assad hätten sich als höchst effizient erwiesen.

Polen geht unter den Nato-Partnern voran

Am Montag unterzeichnete Polens Präsident Andrzej Duda während eines Besuches in Ankara einen Vertrag über die Lieferung von Kampfdrohnen, bereits am Sonntag hatte Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak die Vereinbarung angekündigt. Er sprach von „guten Nachrichten“ für Polen.

Auf Twitter erläuterte er, bei den Geräten, die Polens Armee erwerben würde, handele es sich um Drohnen des Typs Bayraktar TB2. Diese wiesen eine „hohe Durchschlagskraft“ auf und hätten sich in mehreren bewaffneten Konflikten östlich von Europa und in Afrika bewährt.

Polen wird vorerst 24 Drohnen des genannten Typs kaufen. Die erste Lieferung wird für 2022 erwartet. Zudem ist in der Vereinbarung auch ein Logistik- und Trainings-Paket enthalten. Die Drohnen werden zudem mit panzerbrechenden Projektilen ausgestattet.

Türkei mittlerweile viertgrößter Drohnenproduzent weltweit

Mittlerweile ist die Türkei der weltweit viertgrößte Drohnenproduzent hinter den USA, Israel und China. Nachdem die USA sich 2010 und 2012 geweigert hatten, der Türkei angriffsfähige Drohnen zu liefern, und die geplante Lieferung von Patriot-Luftabwehrsystemen verzögert hatten, entschloss sich die Regierung in Ankara, Energie und Ressourcen in den Aufbau einer eigenen Drohnenindustrie zu stecken.

Schon 2014 konnte die türkische Armee die Drohne des Typs „Bayraktar TB-2“ in ihren Bestand aufnehmen. Mittlerweile wird sie in Ländern wie der Ukraine, Katar und Aserbaidschan genutzt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte jüngst sogar von einem Interesse Saudi-Arabiens berichtet, Bayraktar-Drohnen zu erwerben. Nähere Informationen dazu gibt es bis dato jedoch noch nicht.

Wertvoll im Antiterror-Einsatz

Die vom türkischen Verteidigungstechnologie-Unternehmen Baykar hergestellten Kampfdrohnen haben türkischen Sicherheitskräften zudem in Bereichen wie grenzüberschreitenden Antiterror-Operationen einen entscheidenden Vorteil verschafft.

In den vergangenen Jahren wurden Bayraktar-Drohnen bei mehreren grenzüberschreitenden Operationen eingesetzt: „Euphrat-Schild“, „Olivenzweig“ und „Frühlingsschild“. Der Drohneneinsatz erlaubte der Türkei die Befreiung des syrischen Grenzgebiets von terroristischen Elementen bei gleichzeitiger Minimierung des erforderlichen Einsatzes von Bodentruppen.

Auch im libyschen Bürgerkrieg machte sich der Einsatz der Geräte bezahlt: Sie halfen der regulären Armee der international anerkannten Regierung der nationalen Einheit (GNA) in wichtigen Kampfzonen im Westen und im Zentrum des Landes, den Warlord Khalifa Haftar zu besiegen und zurückzudrängen.

„Die Türken haben gerade zur rechten Zeit geliefert“, äußerte im Vorjahr der Innenminister der GNA, Fathi Bushagha, mit Blick auf die Lieferung türkischer Drohnen an Tripolis.

In der modernen Kriegsführung immer wichtiger

Merve Seren sieht bei den türkischen Drohnen auch einen erheblichen Vorteil in den Bereichen Preis und Lieferlogistik. In den USA ist die Lieferung von Drohnen zu einer teuren und umständlichen Angelegenheit geworden. Das Programm „Foreign Military Sales“ (FMS) hat erhebliche Prüf- und Zustimmungserfordernisse für militärische Lieferungen ins Ausland geschaffen, die bis hinauf zum Kongress reichen. Die Türkei kennt diese Hürden nicht. Demgegenüber habe sie die Zeichen der Zeit erkannt, meint Merve Selen:

„Es ist offensichtlich, dass Drohnen immer nützlicher werden in der modernen Welt, wo hybride Methoden der Kriegsführung konventionelle immer mehr ersetzen, beispielsweise in Syrien.“

Im Vorjahr hatten türkische Drohnen im Bergkarabach-Konflikt die entscheidende Schwächung armenischer Kräfte ermöglicht, die mindestens 200 Panzer, 90 bewaffnete Fahrzeuge und 182 Artilleriegeräte verloren. Die schnelle Niederlage Armeniens in Bergkarabach hat auch in Großbritannien Wirkung hinterlassen und das Land zu einer Erneuerung seines UAV-Programms veranlasst.

Breites Einsatzpotenzial

Der italienische Verteidigungsexperte Federico Borsari bescheinigt der Türkei, diese habe eine breite Vielfalt an Drohnen entwickelt und einige davon gehörten „zur strategischen Klasse mit hoher Nutzungskapazität“. Diese reiche von Luft-Luft- und Luft-Boden-Angriffen über eine Interoperabilität im Einsatz mit Kampfflugzeugen bis hin zum vollautomatisierten Flug und Startkontrollsystemen.

Diese Qualitäten, so Borsari, statteten die türkischen Streitkräfte mit „einem hohen neuen Standard von Aufklärungs- und Angriffskapazitäten aus, wie man ihn bislang nur von den USA und Israel kennt.“

TRT Deutsch