Die in knapp drei Monaten beginnende Fußball-Europameisterschaft wird sich für die deutsche Wirtschaft wohl nicht zu einem Sommermärchen entwickeln. „Die Erfahrung der Fußball-WM im Jahr 2006 zeigt: Sportliche Großereignisse sind kein Konjunkturfeuerwerk“, sagte der Konjunkturchef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), Michael Grömling, am Freitag der Nachrichtenagentur zu seiner Untersuchung. Viele Verbraucher dürften die EM zwar zum Anlass nehmen, um sich einen neuen Fernseher zu kaufen, zum Public Viewing einzuladen oder beim Mitfiebern ein Bier mehr zu trinken. „Doch dafür sparen sie an anderer Stelle: Bratwurst statt Restaurant, Fernsehabend statt Kinobesuch“, sagte Grömling. „Die Konsumausgaben steigen folglich nicht unbedingt, sondern verschieben sich.“
Auch die europäischen Gäste - es werden während des Turniers vom 14. Juni bis 14. Juli Hunderttausende Fans aus den anderen 23 teilnehmenden europäischen Ländern erwartet - würden Deutschland nicht aus der Rezession holen. „Im Zweifel verdrängen sie die anderen Touristen“, sagte Grömling. „Ein Hotelzimmer kann eben nur einmal vergeben werden.“ Für die zehn Städte, in denen die Spiele stattfinden, könne das Ereignis zwar einen kleinen wirtschaftlichen Impuls bringen. Doch deswegen werde das Bruttoinlandsprodukt am Ende des Jahres nicht höher ausfallen. Zwar fließe in einigen Stadien noch etwas Geld in Form von Modernisierungsarbeiten. „Allerdings entstehen dabei keine neuen Straßen oder sonstige Infrastruktur, wie es etwa bei der WM in Südafrika der Fall war“, sagte der Konjunkturexperte. Einnahmen aus dem Verkauf von TV-Rechten gingen zudem an den Fußballverband UEFA, der seinen Sitz in der Schweiz hat.
Schon 2006 hat die heimische Konjunktur dem IW zufolge nicht von der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland profitiert. „Erst gegen Ende des Jahres gaben die Konsumenten plötzlich mehr Geld aus“, sagte Grömling. „Der Grund: Im Januar 2007 wurde die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent erhöht, die Verbraucher haben ihre Konsumausgaben vorgezogen.“
Allerdings sollten psychologische Effekte nicht unterschätzt werden, sollten sich Bundestrainer Julian Nagelsmann und seine Truppe um Kapitän Ilkay Gündoğan gut schlagen und die Fans begeistern. „Ein sportliches Großereignis kann die Stimmung aufhellen und das Image des Gastgeberlandes verbessern“, sagte der Experte. Eine aus sportlicher und organisatorischer Sicht erfolgreiche EM mache den Standort attraktiver. „Imagepflege ist, gerade vor dem Hintergrund schwacher Direktinvestitionen, ein enormer Gewinn“, sagte IW-Konjunkturchef Grömling. „Gleichzeitig ist Konjunktur geprägt von Erwartungen und Stimmungen – die emotionale Rendite der EM ist nicht zu unterschätzen.“