Außenhandel: Deutschland immer mehr vom Ausland abhängig
Rund ein Viertel aller Ausfuhren deutscher Unternehmen besteht laut dem Statistischen Bundesamt aus „Waren ausländischen Ursprungs“. Ohne die Auslandsproduktion hätte Deutschland bereits seit 2018 keinen Exportüberschuss mehr erzielt.
Symbolbild. (DPA)

Zum deutschen Export liefert das Ausland einen größeren Beitrag als jedes Bundesland. Der Anteil der nicht in der Bundesrepublik hergestellten „Waren ausländischen Ursprungs“ an den Ausfuhren deutscher Unternehmen ist von 1990 bis 2021 von knapp 10 Prozent auf 24,5 Prozent gestiegen, wie aus den Daten des Statistischen Bundesamts zum Außenhandel der Bundesländer hervorgeht. Diese im Ausland hergestellten Güter hatten 2021 einen Wert von knapp 338 Milliarden Euro. Ohne die Auslandsproduktion hätte Deutschland demnach bereits seit 2018 keinen Exportüberschuss mehr erzielt. In der Übersicht der Statistiker folgt erst an zweiter Stelle ein echtes Bundesland: Baden-Württemberg mit rund 221 Milliarden Euro.
Die Zahlen illustrieren, wie schwierig eine Deglobalisierung samt Entwirrung der weltweiten Lieferketten für Deutschland wäre. Ukraine-Krieg und die wachsenden Spannungen in den Beziehungen des Westens zu China befeuern die Debatte um die Rückverlagerung von Industrieproduktion in heimische oder zumindest benachbarte Gefilde. Doch Deutschland ist wirtschaftlich weit stärker international verflochten als die USA oder China mit ihren großen Heimatmärkten.
Das gilt nicht nur für deutsche Fabriken im Ausland. „Der Anteil an importierten Zwischengütern in der deutschen – heimischen – Produktion von Finalgütern betrug im Jahr 2019 19,6 Prozent“, sagt die Münchner Ökonomin Lisandra Flach, Leiterin des Zentrums für Außenwirtschaft am Ifo-Institut. „Im Vergleich zu USA und China, auch bedingt durch ihre enorme nationale Marktgröße, ist diese Zahl hoch.“ Dabei haben die Länder der EU allerdings bereits an Bedeutung für die deutsche Lieferkette gewonnen.

Eine Heimholung der deutschen Industrieproduktion aus fernen Ländern hält Flach für keine sinnvolle Option: „Eine Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland würde zu enormen Einkommensverlusten führen“, sagt die Wissenschaftlerin.

In einer 2021 erschienen Studie für die Konrad Adenauer-Stiftung schätzen Flach und ihre Mitautoren, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt im Falle einer umfassenden Rückverlagerung nach Deutschland um fast 10 Prozent sinken würde, bei der Verlagerung in benachbarte Länder noch um 4,2 Prozent. Wichtigster deutscher Handelspartner war 2021 China

Wichtigster deutscher Handelspartner war 2021 China. Doch das Geschäft dort bereitet nicht wenigen deutschen Unternehmen Unwohlsein. Die Kommunistische Partei Chinas verfolgt seit einigen Jahren eine stramm nationalistische Wirtschaftspolitik. So sind chinesische Unternehmen angehalten, möglichst bei chinesischen Lieferanten einzukaufen und nicht bei Ausländern.

Manche ausländischen Geschäftsleute berichten in Privatgesprächen, dass sie sich in China nur solange erwünscht fühlten, bis die chinesische Konkurrenz technologisch aufgeholt hatte. Die rigiden chinesischen Corona-Beschränkungen haben nicht nur Lieferprobleme rund um den Globus verschärft und die Weltkonjunktur gedämpft. Bei vielen in China arbeitenden Ausländern ist immense Frustration die Folge, verbunden mit der Empfindung, einem autoritären Willkürregime hilflos ausgeliefert zu sein.

Doch für die deutsche Industrie hat das Engagement in China immense Bedeutung, die in manchen Branchen nach wie vor wächst. Beispiel Volkswagen: Der Konzern betreibt nach Angaben einer Sprecherin dort mittlerweile 27 Produktionsstandorte mit mehr als 40 Werken. Drei neue chinesische Volkswagen-Werke sind derzeit im Aufbau. Allein die Tochter Audi hat drei ihrer vier chinesischen Fabriken in den vergangenen zehn Jahren eröffnet.

„China ist bei weitem der größte Einzelmarkt für Autos“, sagt eine Sprecherin des Konzerns in China. „Und seine Bedeutung wird im kommenden Jahrzehnt noch weiter zunehmen, insbesondere im Bereich der Elektromobilität.“ Eine Entkopplung der deutschen Wirtschaft von China ist also nicht in Sicht, allerdings größere Zurückhaltung bei künftigen Neuinvestitionen. Er erwarte eine stärkere regionale Diversifizierung der deutschen Importe mit einem geringeren Gewicht Chinas, sagt Markus Taube, Inhaber des Lehrstuhls für Ostasienwirtschaft/China der Universität Duisburg-Essen.
Es gebe Spielraum für eine Auslagerung aus China in Drittländer - unter Umständen im Huckepack mit chinesischen Unternehmen, die ihrerseits ins Ausland verlagerten. „Die Produktion in China wird zunehmend für die lokale Produktion und immer weniger für den Weltmarkt aufgebaut beziehungsweise betrieben werden“.

Ob und wie riskant das Geschäft im repressiven und nach außen zunehmend aggressiv auftretenden China ist, wird von deutschen Unternehmen nicht in der Öffentlichkeit diskutiert. Konsens unter Managern ist, dass kein großes Unternehmen es sich leisten kann, China als weltgrößtem Markt den Rücken zu kehren.

Auch die IG Metall fordert keinen Rückzug aus China – aber eine Umorientierung. Der bayerische Bezirksleiter Johann Horn weist darauf hin, dass es in diesem Jahr die enge Anbindung an China ist, die ökonomische Folgeschäden nach sich zieht. „Die Unternehmen müssen dringend Produktion und Lieferketten in Deutschland und Europa stärken, um ihre Abhängigkeiten und Risiken zu reduzieren“, sagt Horn mit Blick auf die von der chinesischen Null-Covid-Politik verursachten Lieferausfälle und -verspätungen.

Langfristig sollten die Unternehmen auch im Blick haben, wie sich im Zusammenhang mit Russlands Angriffskrieg in der Ukraine die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu China insgesamt entwickelten. „Wer jetzt stärker auf Deutschland und Europa setzt, investiert in seine eigene wirtschaftliche Sicherheit und Stabilität“, argumentiert Horn.

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