Juraprofessor: Nachtfahrverbot in Tirol verstößt gegen EU-Recht
Ein Großteil des deutsch-italienischen Handels läuft per Lkw über den Brenner. Die Tiroler sehen sich als Leidtragende des Transitverkehrs. Einem Rechtsgutachten zufolge bremsen sie ihn auch mit rechtswidrigen Mitteln aus.
Symbolbild: Ein Straßenplakat mit der Aufschrift „Tirol. Zurück zu dir.“ (DPA)

Das Lkw-Nachtfahrverbot auf der Tiroler Inntal-Autobahn verstößt nach einem Rechtsgutachten des Innsbrucker Professors Peter Hilpold gegen EU-Recht. Der freie Warenverkehr auf einer der wichtigsten Transitrouten Europas werde damit unzulässig eingeschränkt, sagte Hilpold am Dienstag auf einer Pressekonferenz der Handelskammer Bozen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) forderte, „dass die Europäische Kommission nun endlich die nötigen Konsequenzen zieht und ihrer ureigensten Aufgabe nachkommt, um die Einhaltung der EU-Verträge durchzusetzen“.
Die schwarz-grüne Tiroler Landesregierung hatte das Nachtfahrverbot mit Luft- und Lärmschutz begründet. Europarechtler Hilpold sagte hingegen, der Verkehr werde nur von der Nacht auf den Tag verlagert, mit zusätzlichen Staus. Damit sei das Verbot kein zwingend erforderliches, angemessenes und geeignetes Mittel für das behauptete Ziel. Dass zudem den Tiroler Frachtunternehmen nächtliche Transporte weiterhin erlaubt blieben, selbst mit älteren Dieselfahrzeugen, diskriminiere die Wettbewerber und verstoße ebenfalls gegen EU-Recht.
Österreich hatte Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der Pkw-Maut verklagt, weil sie ausländische Autofahrer diskriminiere, und 2019 Recht bekommen. Der Vizepräsident der italienischen Handelskammer, Antonio Paoletti, sagte am Dienstag zum Tiroler Nachtfahrverbot: „Das Schweigen der EU-Kommission ist unverständlich.“ Über die Brennerachse liefen 70 Prozent des italienischen Außenhandels, sagte Thomas Baumgärtner von der Handelskammer Bozen.
Verband fordert Klage
Der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, forderte Brüssel im Namen aller Transportunternehmen auf, beim Europäischen Gerichtshof Klage wegen Verletzung der EU-Verträge einzureichen. Betroffene Unternehmen könnten zwar nationale Gerichte anrufen, aber der Gang durch alle Instanzen bis zum EuGH sei sehr langwierig.
Der Vorschlag Österreichs, die Lkw-Transporte auf die Schiene zu verlagern, sei mangels Kapazität bei der Bahn gar nicht zu erfüllen, sagten Engelhard und Baumgartner. Bis zu Fertigstellung des Brenner-Basistunnels werde es noch Jahre dauern, und auch er werde nur den kleineren Teil des wachsenden Güterverkehrs bewältigen können. Wenn die Lastwagen nachts fahren könnten, gäbe es tagsüber auch für Autofahrer weniger Staus.
Scheuer sagte, das Rechtsgutachten „belegt die Unverhältnismäßigkeit und damit klare Unionsrechtswidrigkeit des Tiroler Nachtfahrverbots“. Spediteure aus Italien und Deutschland seien die Leidtragenden der schon seit Jahren andauernden Behinderungen mit Blockabfertigungen und Fahrverboten.
Der Augsburger Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU) sagte: „Das Land Tirol betreibt diese Salamitaktik der Europarechtsverstöße seit Jahren und die EU-Kommission schaut zu.“ Tiroler Transportunternehmer profitierten durch „maßgeschneiderte Ausnahmen“ vom Nachtfahrverbot im Wettbewerb mit deutschen und italienischen Unternehmen. Wirtschafts- und Handelskammern in acht EU-Staaten hatten das Tiroler Nachtfahrverbot bereits kritisiert.

DPA