Vor rund 50 Jahren wanderte die Familie von Erol Bulut aus der Türkei nach Deutschland aus. In Südhessen geboren, schaffte der Deutschtürke Bulut das, was sich viele türkische Eltern wünschen: Er startete eine Fußballkarriere, die ihn zunächst in die Bundesliga, dann in die türkische Süper Lig und später nach Griechenland führte. Einen Zwischenstopp in der Ukraine gab es auch.
Seine Jugend in Deutschland habe er als eine große Bereicherung empfunden, erzählt der mittlerweile 46-jährige Trainer gegenüber TRT Deutsch. Seine Familie habe sich damals schnell eingelebt und die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. So sei Deutschland zu ihrer zweiten Heimat geworden. „In Deutschland hatten wir überhaupt keine Probleme, das werden wir auch in Zukunft nicht haben“, so Bulut.
Disziplin und Planung – „Das ist fest in mir“
Insbesondere die gute schulische Bildung in Deutschland habe ihn geprägt. „Die Disziplin, die Planung und alles. Das ist fest in mir“, erklärt Bulut. Privat wie auch als Coach sei er ein disziplinierter Mensch. Das merkten auch seine Schützlinge im Training. „Wenn ich mit meinen Mannschaften trainiere, da sagen sie: Das ist deutsche Disziplin.“ Zusammen mit einem respektvollen Miteinander sei das eine Erfolgsformel – sowohl im Training als auch im Privatleben.
Die Schule sei ihm immer wichtig gewesen. Wäre Bulut nicht Fußballer geworden, habe er Elektrotechnik studieren wollen. Deshalb habe er sich immer die Zeit für das Lernen und seine Hausaufgaben genommen – sei es auf dem Bolzplatz oder auf dem Weg zum Training. Die schulische Weiterbildung sei wichtig, denn „es gibt keine Garantie, dass du es als Fußballprofi schaffst.“
Rassismus und Xenophobie kein Hindernis
Für den Hessen lief es in der Schule dennoch nicht immer rund. Manchmal habe er mit Rassismus zu kämpfen gehabt. „Ja, in der Schule habe ich das leider gehabt und auch viele Schlägereien gehabt in der Schule deswegen. Das war leider so.“ Der Schuldirektor habe jedoch gewusst, dass diese Streitereien nicht von ihm ausgingen. Deshalb habe er trotzdem eine gute Schulzeit gehabt. Zudem seien diese Beschimpfungen nur von einer kleinen Minderheit ausgegangen. Sportlich sei er mit solchen Fällen nicht konfrontiert worden.
Natürlich gebe es mal Zuschauer, die „etwas dazwischen schreien“ würden. Als Außenspieler habe er schon mal was gehört. „Aber die Mehrzahl ist nicht so, das weiß ich.“ Aus diesem Grund habe er sich nie demotivieren lassen und sich auf seine Arbeit konzentriert. Einen Tipp hat der Deutschtürke für solche xenophoben Zuschauer parat: Solche Menschen würden meistens im Ausland Urlaub machen – wo sie dann selbst Ausländer sind. „Viele kommen in die Türkei und machen Urlaub hier oder in Griechenland. Dann müssen sie sich auch mal fragen, warum sie dann dort Urlaub machen, wenn sie gegen Ausländer sind.“
„Ich bin erst später Fener-Fan geworden“
Seinem fußballbegeisterten Vater habe er viel zu verdanken, betont Bulut. Dieser habe sich stets die Zeit genommen, um seinen Sohn zu unterstützen. „Er hat mich halt immer gepusht und stand immer hinter mir, egal wie auch immer ich war.“ Dank dieses Engagements habe er es in die Jugend von Eintracht Frankfurt geschafft. Sein Vater sei übrigens im Gegensatz zu ihm überzeugter Trabzonspor-Fan gewesen, verrät Bulut, dessen Familie aus der türkischen Schwarzmeer-Provinz Trabzon stammt.
Auch wenn er wegen seines Vaters als Kind das eine oder andere Mal ein Trabzon-Trikot getragen habe, habe er sich damals weniger für die einzelnen türkischen Mannschaften interessiert und sei erst später überzeugter Fenerbahçe-Fan geworden. 1995 wechselte Erol Bulut von der Jugendmannschaft von Eintracht Frankfurt zum türkischen Club Fenerbahçe Istanbul. Da sei ihm die Größe des Vereins richtig bewusst geworden.
„In der Türkei bist du Ausländer, in Deutschland bist du sowieso Ausländer“
Sein Wechsel in die Türkei sei ihm dank weiterer Deutschtürken wie Tayfun Korkut und Mustafa Doğan bei Fener leichter gefallen. „Natürlich ist es leichter, wenn von deiner Art noch zwei, drei da sind, mit denen du dich verständigen kannst.“ Mit Korkut kam er sogar zeitgleich beim türkischen Spitzenverein an. „Wir haben es schwer gehabt mit Tayfun zusammen. Wir mussten viel mehr zeigen, dass wir in die Startelf gehören. Gott sei Dank hatten wir Carlos Alberto als Trainer gehabt. Der hat an uns geglaubt. Wir haben hart gearbeitet und haben auch keine schlechte Leistung gebracht.“ Gemeinsam hätten sich die beiden Fußballer zu den wichtigsten Spielern in der Meisterschaft entwickelt.
„Es heißt immer, in der Türkei bist du Ausländer, in Deutschland bist du sowieso Ausländer“, sagt Bulut. So habe er sich nach seinem Transfer zu Fener gefühlt. Die in der Türkei geborenen Türken nähmen es nicht gut auf, wenn ein Türke aus dem Ausland direkt ankommt und sich einen Platz in der Startelf schnappt. „Unnötig“, findet Bulut diese Herangehensweise, denn nur wer die nötige Leistung zeige, bekomme auch das Trikot.
Die Erfahrung in der Türkei schweiße die Deutschtürken aber auch zusammen. So soll er mit Korkut und Mustafa Doğan noch heute im engen Kontakt stehen. Ab und an habe Bulut auch Kontakt zum Trainer der Schweizer Nationalmannschaft, Murat Yakın. Aber auch mit weiteren ehemaligen Teamkollegen wie Ahmet Dursun und Ali Güneş stehe er noch im Austausch.
Einladung zur griechischen Nationalmannschaft
Trotzdem lebte sich Bulut schnell in der Türkei ein und es folgte eine erfolgreiche Phase für den Linksaußenspieler. Nach seiner Zeit in der Türkei folgten mit Unterbrechung sechs Jahre in der griechischen Liga. Die Zeit im Nachbarland habe er ebenfalls genossen. „Ich kann nur Positives über Griechenland sagen“, so Bulut. „Ich hatte zu den Griechen immer einen guten Draht.“
Zu seinen schönen Erinnerung zähle auch sein „unvergesslichstes Tor“. Bulut hatte für die griechische Mannschaft Olympiakos im Champions-League-Spiel das 1:1 gegen Real Madrid geschossen. Fußballgenie Rivaldo legte damals nach und so gelang es Olympiakos, Real Madrid zuhause zu bezwingen.
Die Griechen feierten den Türken so sehr, dass er sogar eine Einladung zur griechischen Nationalmannschaft erhielt. Dieses Angebot musste er natürlich ablehnen, erklärt Bulut lachend. Denn er habe bereits für die türkische Nationalmannschaft gespielt, weshalb ein Auflaufen für Griechenland sowieso technisch nicht möglich gewesen sei.
„Jay-Jay muss sich erst entscheiden, ob er Präsident oder Trainer werden will“
Nach seiner Fußballerkarriere entschied sich Bulut, Trainer zu werden. Was man nach der Zeit als Profifußballer macht, sei keine einfache Entscheidung. Es gebe viele Optionen, so Bulut. So habe er auch einen Ratschlag an Frankfurt- und Fenerbahçe-Legende sowie Ex-Kollegen Jay-Jay Okocha parat. Okocha hatte in einem Interview den Wunsch geäußert, auch mal Fenerbahçe trainieren zu dürfen.
„Jay-Jay muss sich erst mal entscheiden, was er machen will. Ob er Präsident werden will, ob er Manager werden will oder Trainer werden will. Das ist das Hauptproblem bei vielen Fußballprofis, weil sie nicht wissen, was sie nach der Karriere machen wollen.“ Wenn man nur halbherzig an eine Sache geht, klappe es sowieso nicht. Man müsse fest von seiner Entscheidung überzeugt sein.
Alles eine Frage der Disziplin und Zielstrebigkeit
Bulut scheint die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Auch in seiner Trainerkarriere konnte er bisher überzeugen. Er schaffte es sogar in kürzester Zeit, Trainer von Fenerbahçe zu werden, auch wenn es nicht für eine längere Zusammenarbeit reichte. Das Ziel, mit Fener Meister zu werden, konnte er nicht realisieren. Dennoch habe er alle seine bisherigen Mannschaften zu einer europäischen Qualifizierung verholfen.
Das sei kein Zufall und alles eine Frage der Disziplin sowie der Zielstrebigkeit. „Ohne Ziele werden wir nichts erreichen. Es reicht nicht, nur auf den Platz zu gehen und einfach Fußball zu spielen. Man muss immer ein Ziel vor Augen haben.“ So wolle er seinen aktuellen Verein Gaziantep ebenfalls für einen der oberen Ränge fit machen.
Und fast schon selbstverständlich habe er auch persönlich als Trainer Ziele für Europa: der Sprung nach England, Deutschland, Italien oder Spanien.