Suche nach Lösungen im Ukraine-Konflikt: Scholz und Macron im Reisestress
Die Reisediplomatie geht angesichts der schweren Spannungen im Ukraine-Konflikt unter Hochdruck weiter – bislang jedoch ohne greifbare Ergebnisse. Dabei geht es einmal mehr auch um die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2.
08. Februar 2022, Washington, USA: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht auf dem Rückweg von Washington nach Berlin im Airbus A340 der Luftwaffe mit den mitreisenden Journalisten. Scholz hatte in den USA zuvor US-Präsident Biden getroffen. (DPA)

Nach seinem Krisentreffen im Kreml in Moskau hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seine Vermittlungsbemühungen im Ukraine-Konflikt fortgesetzt. Er traf am Dienstag inmitten schwerer Spannungen den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj in Kiew. Am Abend zuvor hatte Macron fast sechs Stunden mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau verhandelt.
Mit seinem Besuch in Moskau habe er eine Eskalation des Konflikts verhindern können, sagte Macron dem Sender France Info zufolge. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock rief bei ihrem Besuch an der Front in der Ostukraine zu einer friedlichen Lösung auf.
„Wir werden diese Aggression von russischer Seite nicht militärisch lösen können. Deswegen tue ich alles dafür, dass wir am Verhandlungstisch Schritt für Schritt vorankommen“, sagte die Grünen-Politikerin im Krisengebiet Donbass. Geschützt mit Helm und schusssicherer Weste ließ sich Baerbock von einem Kommandeur der ukrainischen Regierungstruppen die militärische Lage erklären.
Sie komme von ihrem gut 40-minütigen Aufenthalt an der Front zwischen Soldaten der ukrainischen Armee und den von Russland unterstützten Separatisten im Donbass mit „sehr bedrückenden Gefühlen“ zurück, sagte Baerbock. Sie forderte, dass ein vereinbarter Waffenstillstand eingehalten werden müsse. Die Lage sei „hoch dramatisch“.
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte der Agentur Interfax zufolge in Moskau, eine Deeskalation sei angesichts der Spannungen „sehr notwendig“. Mit Blick auf ein gemeinsames Manöver mit Belarus bekräftigte Putins Sprecher, dass die russischen Soldaten nach dem Ende der Übung das Nachbarland verlassen würden. „Wenn Sie es aufmerksam verfolgt haben, hat niemand jemals gesagt, dass russische Truppen auf dem Gebiet von Belarus bleiben.“ Für das Manöver, das am Donnerstag beginnen soll, hat Russland in den vergangenen Wochen Soldaten und Militärtechnik verlegt.
Im Westen wird die Befürchtung geäußert, dass der Kreml einen Einmarsch in die Ukraine vorbereitet. Die Nato warf Russland vor, rund 30 000 Soldaten nach Belarus zu verlegen. Aus Moskau hingegen hieß es immer wieder, dass die Übung in Einklang mit internationalem Recht stehe und eine – deutlich niedrigere – festgeschriebene Höchstzahl an Soldaten nicht überschritten werde.
Angesichts von Berichten über einen massiven Aufmarsch russischer Soldaten nahe der Ukraine wird im Westen seit Wochen vor einer möglichen Invasion gewarnt. Moskau bestreitet das. Für möglich wird auch gehalten, dass die russische Seite Ängste schüren will, um die Nato zu Zugeständnissen bei Forderungen nach Sicherheitsgarantien zu bewegen.
Macron und Selenskyj wollten sich am Nachmittag nach ihrem Gespräch gemeinsam äußern. Auf dem Flug nach Kiew sagte der französische Präsident über das Gespräch mit Putin: „Ich habe erreicht, dass es keine Verschlechterung und keine Eskalation gibt.“ Er ergänzte: „Es ging mir darum, das Spiel zu blockieren, um eine Eskalation zu verhindern und neue Perspektiven zu eröffnen (...). Dieses Ziel ist für mich erreicht.“ Frankreich habe seine Glaubwürdigkeit bewiesen. Macron zu Gast bei Scholz
Am Abend wurde Macron in Berlin bei Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet. Zu dem Treffen wollte auch der polnische Staatschef Andrzej Duda reisen. Scholz hatte am Montag US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus in Washington getroffen. Biden würdigte dabei Deutschland als verlässlichen Partner in der Ukraine-Krise. Der US-Präsident trat damit Zweifeln an der Bündnistreue des Nato-Partners Deutschland entgegen. Die Ukraine hatte in ihrem Konflikt mit Russland Waffen auch von Deutschland gefordert. Das lehnt die Bundesregierung ab.
Biden machte deutlich, dass ein russischer Einmarsch in die Ukraine das Aus für Nord Stream 2 bedeuten würde. Scholz erwähnte die gebaute, aber noch nicht eröffnete Gasfernleitung nicht namentlich. Er betonte bei der Pressekonferenz erneut, mögliche Sanktionen im Fall einer russischen Invasion der Ukraine seien intensiv vorbereitet worden. Es gehöre dazu, dabei nicht alles zu benennen, um Moskau nicht alle Pläne vorab offenzulegen. Scholz versprach aber: „Wir werden bei den Sanktionen komplett einvernehmlich agieren.“
Indes kamen in Rumänien die ersten US-Soldaten zur Verstärkung der Nato-Ostflanke an. Die 100 Militärs sollten die Stationierung von insgesamt 1000 Soldaten technisch vorbereiten, sagte Rumäniens Verteidigungsminister Vasile Dincu nach Angaben der rumänischen Nachrichtenagentur Mediafax. Die übrigen Truppen sollten in Kürze folgen und auf mehrere Standorte verteilt werden. In der vergangenen Woche hatte Biden zum Ärger Moskaus eine Verlegung von Truppen nach Polen und Rumänien angekündigt.

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DPA