Angesichts des bewaffneten Aufstands der russischen Söldnertruppe Wagner melden Behörden nun Kämpfe im Gebiet Woronesch im Südwesten des Landes. „Im Rahmen einer Anti-Terror-Operation führen die Streitkräfte der Russischen Föderation auf dem Gebiet der Region Woronesch notwendige operativ-kämpferische Maßnahmen durch“, schrieb Gouverneur Alexander Gussew am Samstagmittag auf Telegram. „Ich werde weiter über die Entwicklung der Lage informieren.“ Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben zunächst nicht.
Gussew erläuterte nicht konkret, gegen wen die Armee im Gebiet Woronesch kämpft. Zuvor hatte es allerdings Berichte gegeben, dass die aufständischen Wagner-Kämpfer dort einzelne militärische Einrichtungen besetzt hätten. Das gleichnamige Gebietszentrum ist rund 470 Kilometer von der Hauptstadt Moskau entfernt. Es liegt ungefähr auf halber Strecke zwischen Moskau und Rostow am Don, wo Aufständische Militäreinrichtungen besetzt haben.
Kreml-Chef wirft Prigoschin Verrat vor - Wagner-Chef kontert mit öffentlicher Kritik
Der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, warf derweil Präsident Wladimir Putin eine Fehleinschätzung der Lage um den bewaffneten Aufstand seiner Söldner vor. „Der Präsident irrt sich schwer», sagte Prigoschin am Samstag in einer Sprachnachricht auf seinem Telegram-Kanal. „Wir sind Patrioten unserer Heimat.“
Russlands Präsident Wladimir Putin sprach angesichts des bewaffneten Aufstands von „Verrat“ und rief zur Bestrafung der Drahtzieher auf. Wer Waffen erhebe und bewaffneten Aufstand organisiere, werde bestraft, sagte der Kremlchef in einer Fernsehansprache an die Nation. Putin forderte die Wagner-Kämpfer auf, ihre Teilnahme an kriminellen Handlungen umgehend zu beenden. Prigoschin galt bislang als Vertrauter des Präsidenten.
Zugleich bestätigte Putin die Blockade wichtiger Objekte in der südrussischen Stadt Rostow am Don durch die Söldnertruppe. „Faktisch ist die Arbeit von Organen der zivilen und militärischen Führung blockiert“, sagte Putin in der vom Staatsfernsehen übertragenen Ansprache ans russische Volk. Über die Lage das an die Ukraine grenzende Gebiet Rostow sagte er: „Sie bleibt schwierig.“ Russland führt seit 16 Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine. Dabei gehörten die Wagner-Söldner bislang zu den wichtigsten Truppen.
Nach monatelangen Sticheleien und dann auch öffentlicher Kritik stellte sich Wagner-Chef Prigoschin nun jedoch offen gegen die Militärführung in Moskau. Prigoschin sagte, seine Kämpfer hätten in Rostow wichtige militärische Objekte unter ihre Kontrolle gebracht, auch einen Flugplatz.
Wagners zielt vermutlich auf Moskau ab – Militär ruft zur Kapitulation auf
Nach Erkenntnissen britischer Geheimdienste ziehen Wagner-Einheiten durch das Gebiet Woronesch nach Norden. Ziel sei vermutlich die Hauptstadt Moskau, hieß es in einer Mitteilung in London. Dort wurde am Samstag der Anti-Terror-Notstand verhängt. In der Nacht waren Militärfahrzeuge im Stadtzentrum unterwegs.
Das Verteidigungsministerium rief die Söldner ebenfalls zum Aufgeben auf. Sie seien von Prigoschin in ein „kriminelles Abenteuer“ hineingezogen worden. „Viele Ihrer Kameraden aus mehreren Einheiten haben ihren Fehler bereits erkannt, indem sie um Hilfe gebeten haben, damit sie sicher an ihre Einsatzorte zurückkehren können“, hieß es. „Bitte seien Sie vernünftig und nehmen Sie schnellstmöglich Kontakt mit Vertretern des russischen Verteidigungsministeriums oder den Ordnungsorganen auf. Wir garantieren die Sicherheit aller.“
Das Militär rief die Söldner auf, an ihre „Einsatzorte“ zurückzukehren und erklärte, viele Söldner hätten sich bereits gemeldet und gebeten, ihre Kasernen wieder aufsuchen zu dürfen.
Ermittlungsverfahren gegen Prigoschin wegen Aufstand-Aufruf
Kurz zuvor hatte sich Prigoschin per Video aus dem Armeehauptquartier der südrussischen Stadt Rostow gemeldet und erklärt, dass seine Söldner die Kontrolle über die dortigen Militäreinrichtungen übernommen hätten. Am Freitag hatte der langjährige Vertraute Putins zum Aufstand gegen die Armeeführung in Moskau aufgerufen und war nach eigenen Angaben mit seinen Söldnern von der Ukraine aus in Russland einmarschiert.
Gegen Prigoschin ermitteln die Behörden in Moskau nun wegen Aufrufs zu einem bewaffneten Aufstand. Der Inlandsgeheimdienst FSB rief die Wagner-Söldner auf, ihren Chef festzusetzen. Der Söldnerführer wirft dem Verteidigungsministerium schlechte Führung im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor und hat vor allem Verteidigungsminister Sergej Schoigu wiederholt scharf kritisiert.