Die EU will China zu Zugeständnissen in der Handelspolitik und beim Klimaschutz bewegen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die EU-Spitzen berieten am Montag bei einer Videokonferenz mit Chinas Präsident Xi Jinping darüber, wie die laufenden Verhandlungen über ein Abkommen für besseren Marktzugang und Investitionsschutz noch dieses Jahr abgeschlossen werden können. Zudem hofft die EU, dass China möglichst bald weitreichende Verpflichtungen beim Klimaschutz eingeht. So soll das Land unter anderem zusagen, keine Kohlekraftwerke mehr zu bauen und auch keine mehr im Ausland zu finanzieren. Die Klimaneutralität würde China dann nach EU-Forderungen spätestens 2060 erreichen, hieß es aus Brüssel zu den Gesprächen, an denen auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel teilnahmen. Als Erfolg konnte die EU bereits feiern, dass China am Montag ein Abkommen zum gegenseitigen Schutz geografischer Angaben Lebensmitteln unterzeichnete. Fränkische Weine, Münchner Bier, Champagner, Feta-Käse oder auch Parmaschinken gehören so künftig zu 100 europäischen Produkten, die in China vor unerlaubter Nachahmung geschützt sind. Umgekehrt werden auch die geografischen Angaben von 100 chinesischen Produkten wie Pu'er Tee, Moutai Schnaps oder Panjin Reis in der EU geschützt. Wirtschaftlich viel wichtiger sind allerdings die bereits seit mehr als sechs Jahren laufenden Verhandlungen über das sogenannte Investitionsabkommen. Ursprünglich war geplant gewesen, bereits an diesem Montag in Leipzig bei einem EU-China-Gipfel mit allen Staats- und Regierungschefs eine Einigung zu feiern. Der Termin wurde allerdings bereits im Juni ohne Nennung eines neuen Datums abgesagt.
China nutzt Welthandelssystem für seinen Vorteil aus
Begründet wurde die „Verschiebung“ offiziell mit der Corona-Pandemie. In EU-Kreisen heißt es allerdings, dass auch die bis dahin schleppenden Fortschritte bei den Verhandlungen und das von der EU verurteilte Vorgehen Chinas in Hongkong gespielt haben dürften. Schon zuvor war der Druck auf Peking erheblich gestiegen. So gab es heftige Kritik an dem anfänglich unzulänglichen Umgang mit dem Ausbruch des Coronavirus, das sich in der Welt verbreitete. Auch die Verfolgung der Uiguren, die zu Hunderttausenden in Lager gesteckt wurden, kostet China Sympathien. Und das Säbelrasseln im Südchinesischen Meer, im Grenzkonflikt mit Indien oder gegenüber Taiwan lässt viele an Pekings friedlichen Absichten zweifeln. Bereits seit 2019 nutzt die EU den Begriff des systemischen Rivalen für China - neben dem des Partners und Wettbewerbers. Sie will damit zum Ausdruck bringen, dass die Volksrepublik aus europäischer Sicht versucht, international etablierte völkerrechtliche Standards zu verletzen oder zu verschieben - auch im Bereich der Menschenrechte. Zudem gibt es schon lange reichlich Unmut darüber, wie China das Welthandelssystem für seinen Vorteil ausnutzt, aber seinen Markt verschlossen hält.
„China und Europa brauchen einander mehr als je zuvor“
Über das Investitionsabkommen soll nun zumindest der Zugang europäischer Firmen zum chinesischen Markt verbessert werden, doch gibt es noch „eine große Kluft“, wie die EU-Handelskammer in China wissen ließ. Die EU warnt, dass es ohne einen Abschluss auch keine Gesprächen über ein Freihandelsabkommen geben werde.
Ob der enorme Druck auf China, der durch den „neuen Kalten Krieg“ der USA gegen das Land noch einmal erhöht wird, zu Zugeständnissen gegenüber der EU führt, wird sich spätestens bei der nächsten Verhandlungsrunde zeigen, die am 21. September beginnen soll.
„In diesen unbeständigen Zeiten brauchen China und Europa einander mehr als je zuvor“, kommentiert Xin Hua, Vizedirektor für EU-Studien an der Shanghai International Studies University in der parteinahen Zeitung „Global Times“. Die schiere Größe der zwei Märkte könnten Unternehmen beider Seiten nicht vernachlässigen. Auch müssten sie als „respektierte Partner“ die globale Ordnung aufrechterhalten, die durch den wirtschaftlichen Nationalismus und Protektionismus der USA schrittweise auseinandergenommen werde. Es gebe „großes Potenzial“ für die Kooperation, umwarb der Autor die Europäer.
Aber für die in China tätigen europäischen Unternehmen wird es immer schwieriger. „Wir werden immer stärker mit politischen Entwicklungen konfrontiert“, sagt der Präsident der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke. Er verweist nicht nur auf den Handelskrieg, sondern auch auf die Kritik am Umgang mit den Uiguren oder den Tibetern. „Wir stecken nicht nur in China in einer heiklen Lage, sondern auch an der Heimatfront“, sagte Wuttke. „Wir müssen uns rechtfertigen, warum wir in China tätig sind, obwohl das Marktpotenzial es erfordert.“
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, was er meint. Im vergangenen Jahr wurden zwischen beiden Seiten täglich Waren im Wert von durchschnittlich 1,5 Milliarden Euro gehandelt. Für die EU ist China mittlerweile der zweitwichtigste Handelspartner nach den USA - für China ist die EU sogar der wichtigste Handelspartner.