Es war eine kurze, emotionale Antrittsrede, die der neue schottische Ministerpräsident und Nachfolger von Nicola Sturgeon am Montag hielt: Während sich seine Frau und seine Mutter Tränen aus den Augen wischten, dankte Humza Yousaf seinen Großeltern väterlicherseits, die in den 60er Jahren, kaum Englisch sprechend, aus Pakistan nach Schottland eingewandert waren. Sie hätten sich selbst „in ihren kühnsten Träumen“ nicht vorstellen können, dass ihr Enkel einmal der Regierungschef ihrer Wahlheimat werden würde, sagte Yousaf.
„Wir sollten alle stolz darauf sein, dass wir heute eine klare Botschaft ausgesendet haben: dass die Hautfarbe oder der Glaube kein Hindernis ist wenn es darum geht, das Land anzuführen, das wir alle Zuhause nennen“, sagte Yousaf sichtlich bewegt.
Der in Glasgow geborene Yousaf legte seinen Eid auf Englisch und Urdu ab, als er 2011 zum ersten Mal ins schottische Parlament gewählt wurde. 2012 zog er als erster Muslim ins schottische Kabinett ein.
Nach seiner Wahl versprach Yousaf am Montag, die unter Sturgeon zuletzt ins Stocken geratenen Unabhängigkeitsbemühungen Schottlands wiederzubeleben. Er sei Teil der „Generation, die die Unabhängigkeit Schottlands erreichen wird“.
Das Oberste Gericht Großbritanniens hatte allerdings im November ein schottisches Gesuch nach einer erneuten Volksabstimmung über die Trennung vom Vereinigten Königreich abgelehnt, und der britische Regierungschef Rishi Sunak erteilte jeglichen Forderungen nach einem erneuten Referendum am Montag ebenfalls eine Absage. 2014 hatten die Schotten bereits ein erstes Mal über einen Austritt abgestimmt. Damals setzten sich die Unabhängigkeitsgegner durch.
Rassistische Erfahrungen nach 11. September 2001 Der mit 37 Jahren bisher jüngste Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei (SNP) will als Regierungschef seine eigenen Erfahrungen in den Kampf für die Rechte aller Minderheiten einfließen lassen, einschließlich Homosexueller und Transgender.
Yousaf ist nach eigenen Angaben „abgehärtet“, da er als Kind in Glasgow rassistisch beschimpft wurde - insbesondere nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA. „Ich habe (...) harte Zeiten erlebt“, schilderte sich Yousaf. Auch heute werde er noch beschimpft - persönlich und im Internet.
Seine Anhänger loben Yousaf als Kommunikationstalent, dem es gelingen könnte, die Partei wieder zu einen. Die Unterstützung für das zentrale politische Ziel der SNP - die schottische Unabhängigkeit - hatte jüngst nachgelassen. Yousaf übernimmt das Amt zudem vor dem Hintergrund von Krisen im Gesundheits- und Bildungswesen, die die Partei zu verantworten hat. Seine Bilanz als Sturgeons Gesundheitsminister war im parteiinternen Wahlkampf von seiner Hauptrivalin Kate Forbes scharf kritisiert worden.
Er wolle die Pläne seiner „erfahrenen“ Vorgängerin weiter verfolgen und den kurzen Draht zu ihr halten, sagte Yousaf, kündigte allerdings einen kollegialeren Führungsstil an. Sein Stil sei „weniger der engste Kreis und mehr das große Zelt“, sagte er dem Radiosender LBC.
Eltern aus Pakistan und Kenia
Yousafs pakistanischstämmiger Vater war ein erfolgreicher Buchhalter, seine Mutter stammt aus einer in Kenia lebenden südasiatischen Familie. Yousaf besuchte eine exklusive Privatschule in Glasgow und studierte an der Universität von Glasgow Politik. Er hielt sich mit einem Job in einem Callcenter über Wasser, bevor er Assistent von Sturgeons Vorgänger, dem damaligen SNP-Parteichef Alex Salmond, wurde.
2010 heiratete Yousaf die ehemalige SNP-Mitarbeiterin Gail Lythgoe, sieben Jahre später ließen sich beide wieder scheiden. Im Jahr 2021 verklagten er und seine zweite Frau Nadia El-Nakla eine Kindertagesstätte, der sie Diskriminierung vorwarfen, weil sie ihrer Tochter die Aufnahme verweigert habe.
Einer jedoch muss in einem von Yousaf geführten Schottland vielleicht um seine Stellung bangen: König Charles III. „Ich habe es immer klar gemacht - ich bin ein Republikaner“, sagte Yousaf der schottischen Zeitung „The National“ und forderte eine Debatte darüber, ob Schottland zu einem gewählten Staatsoberhaupt übergehen sollte.