Chinas Null-Covid-Politik treibt Ausländer aus der Volksrepublik
Chinas strikte Null-Covid-Strategie, die unter anderem zum Lockdown der Wirtschaftsmetropole Shanghai führte, treibt derzeit massenhaft Ausländer aus dem Land. Internationale Unternehmen haben Mühe, ausländische Arbeitskräfte in China zu halten.
Symbolbild. 05.04.2022, China, Peking: Anwohner stehen Schlange, um einen Rachenabstrich für einen Coronatest in einer Teststelle zu erhalten. (DPA)

Mehr als ein Jahrzehnt lang hatte sich Colin Chan eine Existenz in China aufgebaut. Doch die einschneidenden Maßnahmen zur Eindämmung der aktuellen Corona-Welle trieben den Singapurer dazu, die Volksrepublik zu verlassen. Chinas strikte Null-Covid-Strategie, die unter anderem zum Lockdown der Wirtschaftsmetropole Shanghai führte, treibt derzeit massenhaft Ausländer aus dem Land. Viele internationale Unternehmen haben Mühe, ihre ausländischen Arbeitskräfte in China zu halten und neue anzuwerben.

Nach einem Heimatbesuch in Singapur war Chan Ende Februar nach China zurückgekehrt. Er musste wie allgemein üblich in seinem Ankunftsort Shanghai zunächst drei Wochen in Hotel-Quarantäne. Endlich zu Hause in Peking angekommen, wurde der 46-Jährige jedoch angewiesen, zwei weitere Wochen in Quarantäne zu bleiben. An seiner Wohnungstür wurde ein Alarm installiert, um ihn am Verlassen seiner Wohnung zu hindern. „Die Restriktionen schienen sich die ganze Zeit zu ändern“, beklagt sich Chan. Er zog die Konsequenzen und reiste aus.

Wie er verlassen derzeit viele Ausländer das Land oder denken zumindest darüber nach. In einer Umfrage der US-Handelskammer gaben vergangenen Monat mehr als 80 Prozent der Unternehmen an, dass sie aufgrund von Chinas striktem Anti-Corona-Kurs Schwierigkeiten haben, ausländische Arbeitskräfte für den Einsatz in der Volksrepublik zu gewinnen. Seit Beginn der Pandemie reduzierte ein Drittel der Firmen ihre ausländische Belegschaft in China um mindestens zehn Prozent. Risiken für Chinas Wirtschaft auf höchstem Niveau seit 2020

Die britische Handelskammer sieht die Risiken in China für die Wirtschaft „auf dem höchsten Niveau seit 2020“ – damals hatte sich das Coronavirus in den ersten Monaten schnell in China ausgebreitet. Jens Hildebrandt von der deutschen Auslandshandelskammer in Peking warnt, die Lockdown-Maßnahmen würden „langfristig Spuren hinterlassen“.

Mit schnellen Lockdowns, strikten Reisebeschränkungen und langen Quarantänen hat China die Corona-Pandemie schnell eingedämmt. Früher als in anderen Ländern konnten die Menschen zur Normalität zurückkehren. Doch bei der hochansteckenden Omikron-Variante des Coronavirus stößt die Null-Covid-Strategie an ihre Grenzen.

Besonders sichtbar wird das in Chinas größter Stadt Shanghai. Deren rund 25 Millionen Einwohner leiden nach einem wochenlangen Lockdown unter Lebensmittelknappheit und mangelnder medizinischer Betreuung, in Online-Netzwerken machen immer mehr Menschen ihrem Ärger Luft. Betroffen sind auch die rund 164.000 Ausländer, die nach offiziellen Zahlen aus dem Jahr 2021 in Shanghai leben und in diversen Bereichen, etwa für Technologie-Unternehmen, Banken oder internationale Schulen, arbeiten.

Ein seit langem in Shanghai lebender Brite, der anonym bleiben will, sagt, er habe mit der Planung seiner Ausreise begonnen, weil er befürchte, dass die Corona-Politik von Regierung und Behörden in eine „wirklich verrückte Richtung“ geht: „Null-Covid ist jetzt wie ein Glaube“.

In einem Brief an Chinas Staatsrat, den die Nachrichtenagentur AFP einsehen konnte, warnte die Europäische Handelskammer, dass sich die Ausbreitung der Omikron-Variante nicht mit „dem alten Werkzeugkasten, mit Massentests und Isolation“ stoppen lasse. Die „sozialen und ökonomischen Kosten“ der Null-Covid-Strategie wüchsen rasch, zudem wirkten sich die Restriktionen auf „Chinas Bild im Rest der Welt“ aus.

Chinas Staatschef Xi Jinping will von einem Ende der rigiden Eindämmungen aber nichts wissen. Noch am vergangenen Donnerstag betonte er beim Boao-Wirtschaftsforum, dem Gegenstück des Weltwirtschaftsforums von Davos, dass weiterhin „mühevolle Anstrengungen“ nötig seien, um das Coronavirus unter Kontrolle zu bringen.

Der britische Bildungsberater Rory Grimes, der seit neun Jahren in China lebt, bezeichnet die Corona-Politik der Behörden als „völlige Katastrophe“. Weil er positiv auf Corona getestet wurde, lebt der 40-Jährige seit Tagen in einer Massen-Quarantäne-Einrichtung in einer Schule. Möglichkeiten, Covid-19 zu behandeln, gebe es dort überhaupt keine, sagt Grimes. „Es geht hier mittlerweile mehr um Zielvorgaben als um Logik.“

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AFP