Ein voreilig gestellter Antrag auf ein Verbot der AfD wäre für die Partei nach Einschätzung des rechtspolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Günter Krings, in den 2024 anstehenden Wahlkämpfen womöglich sogar hilfreich. „Wir müssen die AfD, einschließlich ihrer Untergliederungen vor allem politisch bekämpfen und bei jedem Verbotsverfahren sehr sorgfältig prüfen, ob es dieser Partei, zumindest kurzfristig, nicht mehr nutzen als schaden könnte“, sagte der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium der Deutschen Presse-Agentur.
Da bei der Nachwuchsorganisation der AfD, der Jungen Alternative (JA), offenbar eine „immer weiter fortschreitende Radikalisierung“ zu beobachten sei, wäre es aber gerechtfertigt, ein Verbot dieses Vereins zumindest sorgfältig zu prüfen, sagte der CDU-Politiker. „Entscheidend und unverzichtbar für ein erfolgreiches Verbot sind dabei die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes“, betonte er. Über diese mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnenen Informationen verfüge jedoch nur die Bundesregierung, nicht die Opposition. Daher sei die Bundesregierung hier am Zuge, eine Einschätzung abzugeben, auf deren Grundlage dann auch nur sie ein solches Verbot aussprechen könne.
Darüber, ob eine Partei verboten wird, entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Einen entsprechenden Antrag kann der Bundestag stellen. Auch die Bundesregierung und der Bundesrat haben diese Möglichkeit. Einen überregional agierenden Verein kann dagegen nur die Bundesinnenministerin verbieten. Ministerin Nancy Faeser (SPD) hatte im vergangenen Jahr etwa die Neonazi-Gruppierung „Hammerskins Deutschland“ verboten.
Das Kölner Verwaltungsgericht hatte vergangene Woche einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt, mit dem die AfD und die JA versucht hatten, eine Beobachtung der Jungen Alternative als gesichert extremistische Bestrebung durch den Verfassungsschutz zu verhindern. Die AfD-Nachwuchsorganisation hat dagegen Beschwerde eingelegt.
Ende Januar hatte der Bundesrat eine Petition mit dem Titel „AfD-Verbot prüfen!“ entgegengenommen, die seit Mitte August rund 800 000 Menschen unterzeichnet hatten. Die gleiche Forderung war in den vergangenen Wochen bei zahlreichen Kundgebungen gegen Rechtsextremismus und für den Schutz der Demokratie erhoben worden. Auslöser für die Proteste waren Enthüllungen des Medienhauses Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter im November in Potsdam, an dem auch AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion teilgenommen hatten.
Verfassungsschutz warnt vor rechter Vernetzung
Der Verfassungsschutz warnt vor einer Ausweitung rechtsextremer Netzwerke. Im vergangenen Jahr habe es eine neue, besorgniserregende Entwicklung gegeben. So hätten sich zuletzt neben bekannten rechtsextremistischen Akteuren auch „Funktionsträger von nicht extremistischen Parteien, Organisationen und Verbänden“ zusammengefunden, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Dienstag in Berlin.
Beunruhigend sei auch die Zusammenarbeit von zum Teil gewaltorientierten Rechtsextremisten mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern auf Bundes- und Landesebene, sagte Haldenwang. Beispielhaft für die Erweiterung des Teilnehmerkreises sei das Treffen in Potsdam im November gewesen, das das Medienhaus Correctiv im Januar öffentlich gemacht hatte.
Rechtsextremisten tarnten sich und versuchten - „Kreide fressend, Schafspelze tragend“ - ihre brutalen Vorstellungen zu kaschieren, mahnte Haldenwang. Sie bedienten sich der Ängste und Krisenerfahrungen in der Bevölkerung, um die politischen Ränder zu radikalisieren und ihre Agenda in die bürgerliche Mitte zu tragen. Beim Rechtsextremismus sei nicht nur auf Gewaltbereitschaft zu achten. „Wir müssen aufpassen, dass sich entsprechende Denk- und Sprachmuster nicht in unsere Sprache einnisten.“
Haldenwang nannte beispielhaft die Begriffe „Remigration“ als millionenfache Aussiedlung von Menschen aus Deutschland sowie die Idee des „Ethnopluralismus“. „Klingt nach Vielfalt, meint aber: jede ethnische Gruppe gefälligst in dem Gebiet, wo sie ursprünglich mal herkommt, und schön getrennt voneinander. Und das soll sich bloß nicht durchmischen.“ Diskussionen über solche Thesen bei einschlägigen Treffen seien zwar nicht strafbar, aber griffen trotzdem die freiheitlich-demokratische Grundordnung an und verletzten die Menschenwürde. Haldenwang sagte, die Zahl gewaltorientierter Rechtsextremisten, die 2022 bei 14.000 gelegen habe, sei 2023 erneut gestiegen.