Streit um BND-Urteil: Grundrechte contra Abhängigkeit von Partnerdiensten
Die Forderung des BVerfG nach verfassungskonformen Regeln für den BND löst in der Politik einen Meinungsstreit aus. Während die Justizministerin die Entscheidung unterstützt, fürchten Kritiker eine Abhängigkeit von Partnerdiensten.
Niedersachsen, Schöningen: Technik steht an der Außenstelle Schöningen des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Landkreis Helmstedt.  (DPA)

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat das BND-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) begrüßt. „Es ist gut, dass das Bundesverfassungsgericht die Einhaltung der Grundrechte anmahnt und den Schutz des Fernmeldegeheimnisses und der Pressefreiheit bei Überwachungsmaßnahmen auch auf Ausländer im Ausland erstreckt hat“, sagte die SPD-Politikerin der „Passauer Neuen Presse“ am Mittwoch. „Wir werden bei der gesetzlichen Neuregelung des BND-Gesetzes sehr genau darauf achten, dass die vom Bundesverfassungsgericht genannten Grundrechte auch eingehalten werden“, fügte Lambrecht hinzu. Die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes wird ihrer Meinung nach auch in Zukunft weiter möglich sein.

Nach Ansicht des CDU-Außenexperten Norbert Röttgen könnte das Urteil dagegen die Arbeit des Auslands-Nachrichtendienstes einschränken. „Mit der Entscheidung, die Geltung deutscher Grundrechte auch im Ausland anzunehmen und den BND bei seiner strategischen Auslandsaufklärung daran zu binden, wird Neuland betreten“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Mittwoch. „Ob und wie der BND unter diesen Bedingungen noch arbeiten kann, ist ungewiss.“

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz hingegen unterstützt die Entscheidung: „Dieses Urteil ist wirklich ein Meilenstein für den Grundrechtsschutz der digitalen Welt. Es zeigt, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist und dass Journalistinnen und Journalisten nicht weltweit abgehört werden können“, sagte er im Interview mit der „Deutschen Welle“ am Dienstag.

„Es ist an viele Voraussetzungen gebunden, insbesondere was den Datenaustausch mit anderen Ländern angeht. Das war auch das, was letztlich durch Edward Snowden und die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag an fragwürdiger Praxis sichtbar wurde. Jetzt werden klare Voraussetzungen geschaffen, was geht und was nicht“, ergänzte der Politiker.

Gesetzgeber müssen BND-Befugnisse genauer regeln

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Dienstag entschieden, dass sich der BND bei seinen weltweiten Überwachungsaktivitäten an deutsche Grundrechte halten muss. Die Politik soll nun das BND-Gesetz bis spätestens Ende 2021 grundlegend überarbeiten.

Konkret geht es um die Vorschriften für die sogenannte strategische Fernmeldeaufklärung im Ausland. Dabei durchforstet der BND ohne bestimmten Verdacht große Datenströme auf interessante Informationen. Laut dem Urteil muss der Gesetzgeber die BND-Befugnisse viel genauer regeln und begrenzen. Das betrifft eine Vielzahl an Einzelpunkten: Zum Beispiel muss die vertrauliche Kommunikation bestimmter Berufsgruppen wie Anwälte und Journalisten besonders geschützt werden. Sehr private und intime Inhalte sind unverzüglich zu löschen, wenn sie BND-Mitarbeitern ins Netz gehen.

„Das Bundesverfassungsgericht hat explizit erklärt, dass dieses
Instrument bei verhältnismäßiger Ausgestaltung mit den Grundrechten vereinbar ist“, hob Lambrecht hervor. „Das kann man hinbekommen. Man muss aber insbesondere die Überwachungszwecke klarer bestimmen und die Kontrollmöglichkeiten verbessern.“

Größere Abhängigkeit von anderen Geheimdiensten

Der Londoner Terrorismusexperte Peter Neumann sieht etwa in Kriegsgebieten „eine absurd hohe Hürde“ darin, Grundrechte auch für Ausländer im Ausland gelten zu lassen. „Ich weiß nicht, wie man das umsetzen soll“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der deutsche Auslandsgeheimdienst werde so noch abhängiger von Partnerdiensten in den USA und Großbritannien. „Das Urteil führt zu einer unnötigen Schwächung des BND.“

Infolge des Urteils forderte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle, einen Nachrichtendienstbeauftragten des Bundestags. Das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, „dass wir eine effektivere parlamentarische Kontrolle unserer Nachrichtendienste brauchen“, sagte er der „Rheinischen Post“ am Mittwoch. Angelehnt an den Wehrbeauftragten soll dieser nach Kuhles Vorstellung dem Bericht zufolge Informationen über die nachrichtendienstliche Tätigkeit einholen und die Abgeordneten in Berichten darüber informieren. Zudem fordert Kuhle, das Parlamentarische Kontrollgremium zu stärken.

„Ich kann die Forderung nach einem Nachrichtendienstbeauftragten nur unterstützen“, sagte der CDU-Politiker Patrick Sensburg dem „Handelsblatt“. „Er wäre Teil der Exekutiven und könnte nicht nur BND-eigene Dokumente einsehen, sondern auch die Daten, die ausländische Nachrichtendienste zuliefern.“

TRT Deutsch und Agenturen