SPD-Politiker Olaf Scholz zum Kanzler gewählt und ernannt
Die Ära Angela Merkel ist seit heute offiziell beendet. Der Bundestag wählte Olaf Scholz zum neuen Bundeskanzler. Der Bundespräsident überreichte ihm die Ernennungsurkunde - und anschließend auch der Riege seiner 16 Ministerinnen und Minister.
08.12.2021, Berlin: Rolf Mützenich (l.), Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, applaudiert Olaf Scholz (r, SPD) nach dessen Wahl zum Bundeskanzler. (DPA)

Der SPD-Politiker Olaf Scholz ist neunter Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Der Bundestag wählte den 63-Jährigen am Mittwoch zum Nachfolger von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Auf ihn entfielen in geheimer Abstimmung 395 von 707 abgegebenen Stimmen. Es gab 303 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen, 3 Stimmen waren ungültig. Der Sozialdemokrat erhielt anschließend im Schloss Bellevue von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde. Danach legte er im Bundestag den Amtseid ab.

Nicht alle Stimmen aus den Reihen der Koalition erhalten
Scholz fehlten bei seiner Wahl zum Kanzler mindestens 15 Stimmen aus den Reihen von SPD, Grünen und FDP, die die erste Ampel-Koalition im Bund bilden. Zur Wahl waren 369 Stimmen nötig. SPD, Grüne und FDP verfügen im Parlament zusammen über 416 Mandate, liegen also um 47 Mandate über der sogenannten Kanzlermehrheit. Nach Angaben aus den Koalitionsfraktionen nahmen insgesamt sechs Abgeordnete aus ihren Reihen nicht an der Abstimmung teil. Einige Abgeordnete fehlten wegen Krankheit.
Als Erster überreichte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dem neuen Kanzler einen Blumenstrauß, dann Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Auch der unterlegene Unionskanzlerkandidat Armin Laschet gratulierte.
Damit ist die Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach 16 Jahren beendet. Scholz ist erst der vierte SPD-Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik - nach Willy Brandt (1969-1974), Helmut Schmidt (1974-1982) und Gerhard Schröder (1998-2005). Die CDU stellte bislang die vier Kanzler Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger und Helmut Kohl sowie zuletzt Kanzlerin Merkel. Eidesformel ohne religiösen Zusatz
Scholz sprach im Bundestag die im Grundgesetz festgelegte Eidesformel: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“ Der SPD-Politiker verzichtete auf den Zusatz „So wahr mir Gott helfe“. Scholz hatte sich unmittelbar zuvor erstmals auf den Platz des Kanzlers auf der Regierungsbank gesetzt und dafür Applaus von den Abgeordneten der Ampel-Koalition bekommen.
Am Nachmittag wollte Scholz im Kanzleramt von Merkel die Amtsgeschäfte übernehmen. Das neue Kabinett wollte sich am Abend zu seiner ersten Sitzung treffen.
Merkel verfolgte die Kanzlerwahl auf der Gästetribüne des Bundestags. Als sie bei der Eröffnung der Sitzung von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) begrüßt wurde, standen die Abgeordneten - mit Ausnahme der AfD-Parlamentarier - auf und klatschten stehend Beifall. Der letzte SPD-Kanzler Schröder war ebenso mit seiner Frau in den Bundestag gekommen wie Altbundespräsident Joachim Gauck. „Olaf Scholz wird das sehr, sehr gut machen“, sagte Schröder dem Fernsehsender „Welt“. „Ich traue ihm eine Menge zu und deswegen bin ich guten Mutes.“
Die SPD hatte die Bundestagswahl am 26. September gewonnen. Rechnerisch möglich wäre auch ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP gewesen. Die zwei kleineren Parteien entschieden sich jedoch für Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Ihr dann ausgehandelter 177 Seiten starker Koalitionsvertrag steht unter dem Leitmotiv „Mehr Fortschritt wagen“. Mieterhöhungen sollen begrenzt werden
SPD, Grüne und FDP wollen unter anderem die Mietpreisbremse für Neuvermietungen verlängern. Auf angespannten Wohnungsmärkten sollen Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen begrenzt werden. Stromkunden sollen durch den Wegfall der EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms Anfang 2023 entlastet werden.
Bis 2030 soll Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien beziehen. Die Ampel-Parteien wollen den öffentlichen Nahverkehr stärken und dazu vom kommenden Jahr an die sogenannten Regionalisierungsmittel erhöhen. Der gesetzliche Mindestlohn soll auf 12 Euro steigen.
Zum Schutz der Bundeswehr-Soldaten bei Auslandseinsätzen wollen die Ampel-Parteien eine Bewaffnung von Drohnen ermöglichen. Sie verständigten sich auf ein neues Bundesministerium für Bauen und auf eine Erweiterung des Wirtschaftsministeriums um das Thema Klimaschutz.
Im kommenden Jahr will die Ampel-Koalition wegen der andauernden Pandemiefolgen noch einmal neue Kredite aufnehmen, ab 2023 dann aber die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wieder einhalten. Neue Steuern oder Steuererhöhungen soll es nicht geben. Kommunen mit hohen Altschulden sollen entlastet werden.
In der neuen Regierung stellt die SPD sieben Ministerinnen und Minister: Wolfgang Schmidt (Kanzleramtschef), Karl Lauterbach (Gesundheit), Hubertus Heil (Arbeit und Soziales), Nancy Faeser (Innen), Christine Lambrecht (Verteidigung), Klara Geywitz (Bau) und Svenja Schulze (Entwicklung). Für die Grünen sind im Kabinett: Annalena Baerbock (Außen), Robert Habeck (Wirtschaft und Klimaschutz), Anne Spiegel (Familie), Steffi Lemke (Umwelt) und Cem Özdemir (Agrar). Habeck ist auch Vizekanzler. Die Kabinettsmitglieder der FDP sind: Christian Lindner (Finanzen), Volker Wissing (Verkehr), Marco Buschmann (Justiz) und Bettina Stark-Watzinger (Bildung).

DPA