Erstmals in seinen 18 Monaten als Kanzler empfängt Olaf Scholz (SPD) am Dienstag einen Staats- oder Regierungschef an seinem Wohnort in Potsdam. Der französische Staatschef Emmanuel Macron kommt zu einem Abendessen in die Hauptstadt Brandenburgs vor den Toren Berlins. Es dürfte um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gehen, aber auch um europäische Themen wie zum Beispiel die Vorschläge der EU-Kommission für eine Reform der Schuldenregeln - ein besonders kontroverses Thema zwischen Deutschland und Frankreich.
Macron und Scholz hatten sich erst vergangene Woche beim Europa-Gipfel in Moldau gesehen, bei dem sie einen gemeinsamen Vermittlungsversuch im Konflikt in Nord-Kosovo starteten. Auch das könnte noch einmal zur Sprache kommen.
Kein guter Start für deutsch-französische Beziehungen
Die beiden hatten nach dem Regierungswechsel in Berlin im Dezember 2021 keinen guten Start. Es knirschte im vergangenen Jahr mächtig in den deutsch-französischen Beziehungen. Eine gemeinsame Kabinettssitzung musste im Herbst wegen zu großer Differenzen sogar verschoben werden.
Beim 60. Jubiläum des Élysée-Vertrags über die deutsch-französische Freundschaft in Paris versuchten die beiden Seiten im Januar die Kurve zu bekommen. Der gemeinsame Ministerrat wurde nachgeholt, Scholz und Macron ließen die Feierlichkeiten mit einem Abendessen im Lieblingsrestaurant des französischen Präsidenten, der Brasserie La Rotonde, im Stadtteil Montparnasse ausklingen. In dem Traditionslokal tummelten sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts berühmte Maler und Schriftsteller von Pablo Picasso bis Ernest Hemingway.
Jetzt ist Macron wohl der berühmteste Stammgast, was dem La Rotonde auch Ärger einbringt. Anfang April wurde das Restaurant schon zum zweiten Mal Ziel eines Brandanschlags. Aufgebrachte Demonstranten legten bei einer Kundgebung gegen Macrons Rentenreform Feuer, eine Markise geriet in Brand, die Feuerwehr löschte die Flammen aber schnell.
In welchem Restaurant Scholz und Macron in Potsdam speisen, wird aus Sicherheitsgründen noch nicht bekanntgegeben. Dass der Kanzler den französischen Präsidenten nun nach Potsdam, also quasi zu sich nach Hause, einlädt, kann als weitere Lockerungsübung im immer noch angespannten Verhältnis der beiden Länder verstanden werden.
Staatsbankett im Schloss Bellevue geplant
Die Verabredung zu dem Gespräch unter vier Augen ist einer größeren Deutschland-Reise Macrons vorgeschaltet, bei der Scholz dann aber nur eine Nebenrolle spielen wird. Vom 2. bis 4. Juli kommt der französische Staatschef auf Einladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Staatsbesuch nach Deutschland. Neben Berlin sind derzeit Stationen in Ludwigsburg bei Stuttgart und in Dresden vorgesehen.
Mit Scholz wird Macron dann nach jetzigem Planungsstand nur frühstücken. Bei Steinmeier im Schloss Bellevue ist dagegen ein großes Staatsbankett geplant. Es ist der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 23 Jahren. „Dieses besondere Ereignis markiert den Beginn eines neuen Kapitels in der jahrzehntelangen Freundschaft beider Länder“, hieß es Anfang Mai in einer gemeinsamen Mitteilung des Bundespräsidialamts und des Élysée-Palasts.