Nach massiver Kritik auch aus der eigenen Partei hat CDU-Chef Friedrich Merz seine Haltung zur Zusammenarbeit mit der AfD klargestellt. „Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben“, schrieb Merz am Montag auf Twitter. Führende Unionsvertreter, darunter mehrere Regierungschefs, hatten zuvor Äußerungen von Merz zum Umgang mit der AfD auf Gemeinde- und Kreisebene zurückgewiesen.
Merz hatte am Sonntag eine Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD auf Landes- oder Bundesebene zwar abermals ausgeschlossen, zugleich aber erklärt, Kontakte auf lokaler Ebene seien möglich. Auf Kommunalebene müsse mit demokratisch gewählten Amtsträgern der AfD pragmatischer umgegangen werden, sagte Merz im ZDF. „Wenn dort ein Landrat, ein Bürgermeister gewählt wird, der der AfD angehört, ist es selbstverständlich, dass man dann nach Wegen sucht, wie man dann in dieser Stadt weiter gemeinsam arbeiten kann.“
„Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung“, schrieb darauf Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) auf Twitter. „Wo soll es da Zusammenarbeit geben?“ Die CDU könne „nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist“.
Söder bekräftigt Haltung gegen AfD
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bekräftigte am Montag, dass seine Partei jede Zusammenarbeit mit der AfD ablehne, „egal auf welcher politischen Ebene“. Denn die AfD sei „demokratiefeindlich, rechtsextrem und spaltet unsere Gesellschaft“, schrieb der Vorsitzende der Schwesterpartei CSU auf Twitter, der im Oktober vor Landtagswahlen steht. „Das ist mit unseren Werten nicht vereinbar.“
„Für die CDU Hessen gilt die Brandmauer, wir arbeiten mit denen nicht zusammen“, sagte der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der Spitzenkandidat für die Landtagswahl in seinem Bundesland Anfang Oktober ist, im ZDF-„Morgenmagazin“. Die AfD sei ein „rechtsextremistischer Prüffall“ für den Verfassungsschutz und deren Jugendorganisation „gesichert rechtsextrem“.
Zugleich nahm Rhein seinen Parteichef in Schutz. Er habe die Äußerungen von Merz nicht so verstanden, dass dieser eine tatsächliche Zusammenarbeit mit der AfD auf lokaler Ebene befürworte, sagte er. Merz habe wohl eher ausdrücken wollen, dass im Fall der Wahl etwa eines AfD-Bürgermeisters auf kommunalpolitischer Ebene nicht „ausgeschlossen werden kann, dass man mit solchen Menschen auch spricht“.
Ähnlich äußerte sich Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). „Zusammenarbeit kommt für mich nicht in Frage - egal auf welcher Ebene“, sagte er im Deutschlandfunk. Allerdings sei auch klar, dass mit einem gewählten AfD-Vertreter in einem Stadt- oder Gemeinderat irgendwie gesprochen werden müsse.
Kühnert kritisiert Merz' Äußerung zur AfD als Tabubruch
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat die Äußerung von CDU-Chef Friedrich Merz zu einem möglichen gemeinsamen Vorgehen mit der AfD auf kommunaler Ebene als „Tabubruch“ gewertet. Es sei jetzt Zeit für einen „Richtungsstreit in der CDU“, sagte Kühnert am Montag im ZDF- „Morgenmagazin“. Der Sozialdemokrat sprach von einem Kurswechsel, den Merz offensichtlich für seine CDU anstrebe - und den er auf eine „total brüchige Argumentation“ aufbaue.
„Er sagt, wir müssten doch demokratische Wahlen anerkennen. Aber wer spricht denn dagegen?“, fragte Kühnert und verwies darauf, dass die AfD nun einen Landrat sowie einen Bürgermeister stellt, zu demokratischen Wahlen zugelassen sei, Mandate erringen und ausfüllen könne sowie alle parlamentarischen Rechte habe. „Nur auf eines hat sie - wie alle anderen Parteien auch - kein Anrecht, nämlich dass politisch mit ihr kooperiert wird. Dass sie Teil der Mehrheiten vor Ort sein muss“, sagte der Generalsekretär. „Und genau hier stößt Friedrich Merz rein und sagt jetzt, dass seine CDU vor Ort eben doch mit der AfD nach Mehrheiten offenkundig suchen kann. Und das ist der Tabubruch, und hier muss klar und deutlich widersprochen werden.“
Kühnert sagte: „Natürlich kann man mit dem AfD-Landrat in Sonneberg - und muss man auch nach der Geschäftsordnung - mit ihm über das Zustandekommen der Tagesordnung beispielsweise im Kreistag sprechen welche Anträge wann beraten werden.“Aber nirgendwo stehe geschrieben, dass etwa die Aufstellung des Haushalts im Kreistag im Einvernehmen mit dem Landtag oder den Vertretern von dessen Partei geschehen müsse. Im Moment sei die Lage so, dass es in jedem Landtag und in jedem Kommunalparlament Mehrheiten ohne die AfD gebe - und die könnten genutzt werden.
FDP-Politikerin warnt vor Aufweichung der Brandmauer in der Kommunalpolitik
Kritik an Merz übte auch die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang in der ARD: „Erst reduziert er diese Partei auf eine bessere Alternative für Deutschland und jetzt baut er die Brandmauer - die ja selbst von der Union immer wieder beschworen wurde - ein kleines Stück ab.“ Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schrieb: „Die Kommunalpolitik ist die Wiege unserer Demokratie. Gerade hier darf Brandmauer zur antidemokratischen AfD nicht fallen. Denn sonst fällt sie in den „gesetzgebenden Ebenen“ erst recht.“
Nach Ansicht des Linken-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch hat die von Merz selbst immer wieder formulierte „Brandmauer“ zur AfD nun „riesige Löcher" bekommen. „Es ist eine Frage der Zeit, wann sie einstürzt“, sagte Bartsch dem „Tagesspiegel“.
Im Laufe der Jahre 2018, 2019 und 2020 hat die CDU deutliche Beschlüsse gefasst, die eine eindeutige Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit mit der AfD auf sämtlichen politischen Ebenen zum Ausdruck bringen.
Die AfD selbst wertete Merz' Äußerung vom Sonntag gleichfalls als Aufweichung des bisherigen Kooperationsverbots. „Nun fallen erste Steine aus der schwarz-grünen Brandmauer“, schrieb AfD-Bundeschef Tino Chrupalla auf Twitter. „In Ländern und Bund werden wir die Mauer gemeinsam niederreißen.“
Merz: CDU-Position zur AfD bleibt unverändert
Merz meldete sich dann am Montagvormittag erneut zu Wort. „Um es noch einmal klarzustellen“, schrieb Merz auf Twitter. „Ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt“, die bisher jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt.