Linken-Spitze: Partei in existenzbedrohender Situation
Schlechte Wahlergebnisse und schwache Umfragewerte: Die Linke musste nach der Abspaltung Sarah Wagenknechts mehrere Rückschläge verkraften. Die Parteiführung will nun die Krise abwenden.
Die Linke / Photo: DPA (DPA)

Gut ein Jahr vor der Bundestagswahl kämpft die Linke nach Ansicht der Parteispitze ums Überleben. „Die Linke ist zweifellos in einer gefährlichen, existenzbedrohenden Situation“, heißt es im Leitantrag des Vorstands für den im Oktober anstehenden Parteitag in Halle. Das Führungsgremium beschloss den Antrag in Berlin. Vom Parteitag aus und mit der Bundestagswahl 2025 wolle man die Partei auf einen neuen Weg führen und wieder erfolgreich machen, heißt es darin weiter.

In Leitanträgen legen Führungsgremien von Parteien Vorschläge zu zentralen Themen und der Ausrichtung der Partei vor. Auf Parteitagen wird darüber abgestimmt. Ein angenommener Leitantrag zeigt also, wie sich eine Partei insgesamt zu bestimmten Themen positioniert.

Werte nur noch um drei Prozent

Bei der letzten Bundestagswahl 2021 war die Linke mit 4,9 Prozent nur dank dreier gewonnener Direktmandate wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen. Nach der Abspaltung von Sahra Wagenknecht mit Neugründung ihrer eigenen Partei BSW, liegt die Linke seit längerem in Umfragen nur noch bei rund 3 Prozent. Zuletzt holte sie magere 2,7 Prozent bei der Europawahl.

Strategisch neu aufstellen

Die Parteispitze gibt sich in ihrem Leitantrag selbstkritisch: „Viele, die lange Zeit ihr Vertrauen in uns gesetzt und uns dafür gewählt hatten, haben den Eindruck: Ihr seid mit euch selbst beschäftigt, ihr seid nicht für uns da. Diese Kritik nehmen wir an.“ Der Linken sei es nicht gelungen, die Verteilungsfrage zwischen oben und unten wirksam auf die öffentliche Agenda zu setzen und den Unmut über die Ampel von links zu besetzen. Gemeinsam wolle man die Krise zu einem Wendepunkt hin zu einer erstarkten und wirkmächtigen linken Partei machen. Dafür müsse sich die Linke strategisch neu aufstellen.

Migranten als Sündenböcke

In dem Antrag begründet die Linken-Spitze mit Blick etwa auf die Sozial-, Migrations- und Außenpolitik, warum aus ihrer Sicht eine starke Linke „dringend nötig“ sei. Die Partei trete der falschen Erzählung entgegen, die Migranten zu Sündenböcken für Sozialabbau und soziale Unsicherheit mache. „Wir weisen stattdessen auf die zutiefst ungerechte Verteilung zwischen oben und unten und die wahren Gründe für die Unsicherheit des Alltags, der Aushöhlung der Daseinsvorsorge hin.“

Wechsel an Parteispitze offen

Als Ziel wird ausgegeben, bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen. Ob die beiden Parteichefs Janine Wissler und Martin Schirdewan beim Parteitag erneut für das Spitzenamt kandidieren wollen, haben sie bisher offengelassen. Schirdewan hatte nach dem schlechten Abschneiden bei der Europawahl angedeutet, dass er über einen Rückzug nachdenke. Die früheren Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi und Dietmar Bartsch hatten eine „strukturelle, politische und personelle Erneuerung“ gefordert.

DPA