Zum ersten Mal stehen von diesem Donnerstag an zwei Männer wegen mutmaßlicher Beteiligung an syrischer Staatsfolter vor einem deutschen Gericht. Sie sollen Räder in einer Folter-Maschinerie des syrischen Diktators Baschar al-Assad gewesen sein. Die Bundesanwaltschaft spricht vom „weltweit ersten Strafverfahren gegen Mitglieder des Assad-Regimes wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ (Aktenzeichen 1 StE 9/19).
Ein Geheimdienst-Mitarbeiter soll die grausame Misshandlung Tausender Menschen in einer Haftanstalt in Damaskus mit organisiert haben. Der zweite Angeklagte soll Dutzende von Demonstranten in das Foltergefängnis gebracht haben. Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen können in Deutschland verfolgt werden, auch wenn diese im Ausland und an Ausländern verübt wurden.
Der Hauptverdächtige Anwar R. war nach Überzeugung der Anklage der militärische Leiter des berüchtigten Al-Khatib-Gefängnisses in Damaskus. Unter seiner Befehlsgewalt sollen zwischen April 2011 und September 2012 mindestens 4000 Häftlinge mit Schlägen, Tritten und Elektroschocks gefoltert worden sein. Mindestens 58 davon starben demnach.
Zeugen berichteten „von Schlägen mit Fäusten und schweren Kabeln, Elektroschocks und derart überfüllten Zellen, dass sie sich zum Schlafen nicht einmal hinsetzen konnten“, schreibt der „Spiegel“.
„Außerdem wurden einzelne Inhaftierte so an der Decke aufgehängt, dass ihre Zehenspitzen gerade noch den Boden berührten, wobei die Opfer auch in dieser Position wieder geschlagen wurden. Auch Androhungen, nahe Angehörige zu misshandeln, und Schlafentzug wurden als Foltermethoden eingesetzt“, so die Bundesanwaltschaft.
Eine Frage der Gerechtigkeit
„Dass ein Mensch, der für tausendfache Folter verantwortlich sein soll, hier in Deutschland vor Gericht kommt, ist ein wichtiges Signal an die internationale Gemeinschaft und an die Opfer“, erklärte die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock. Systematische Folter und Hinrichtungen seien schrecklicher Alltag in syrischen Gefängnissen. „Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass sich die Täter in einem Prozess vor Gericht stellen und verantworten müssen“, sagte Baerbock der Nachrichtenagentur AFP.
Nach Angaben des Deutschen Richterbunds führt die Bundesanwaltschaft derzeit mehr als 100 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gegen das Völkerrecht, die unter anderem in Syrien, Irak, Libyen, Afghanistan, Mali, Nigeria, Gambia, Elfenbeinkünste und Kongo begangen worden sein sollen. „Kriegsverbrecher finden in Deutschland keinen Unterschlupf“, sagte der Geschäftsführer des Richterbunds, Sven Rebehn. „Die Arbeit der deutschen Justiz im Bereich des Völkerstrafrechts gilt international als vorbildlich.
„Der Anwalt Patrick Kroker, der mehrere mutmaßliche Folteropfer als Nebenkläger im Koblenzer Prozess vertritt, sagte: „Manche von ihnen tragen noch heute die Spuren der Folter an ihrem Körper.“ Seine Mandanten wollten ihre Erlebnisse im Prozess detailliert bezeugen. Das Verfahren biete ihnen eine Möglichkeit, „die Wahrheit über das geheime Foltersystem in Syrien herauszufinden und öffentlich zu machen“.
„Spitze des Assad-Regimes zur Rechenschaft“ ziehen
Der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, hofft, „dass die in dem Prozess gewonnenen Erkenntnisse auch in weiteren Strafverfahren gegen das Assad-Regime nützen – auch vor dem Internationalen Strafgerichtshof“. „Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht ungesühnt bleiben“, erklärte er. Ziel müsse es sein, „irgendwann auch die Spitze des Assad-Regimes zur Rechenschaft“ zu ziehen.
Für die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erklärte Abteilungsleiterin Julia Duchrow, das „historische Verfahren“ sei „ein Meilenstein im Kampf gegen die Straflosigkeit von schwersten Menschenrechtsverletzungen in Syrien“. Andere Staaten seien dringend aufgerufen, „den in Deutschland unternommenen Schritten zu folgen und weitere Verfahren gegen Personen einzuleiten, denen Verbrechen gegen das Völkerrecht vorgeworfen werden“.