Grenzkontrollen an Übergängen zu Tschechien und Tirol in Kraft
An den deutschen Grenzen zu Tschechien und Tirol gibt es seit Mitternacht verschärfte Kontrollen: zum Schutz vor der gefährlichen Coronavirus-Variante. Die EU und betroffene Nachbarstaaten reagieren mit scharfer Kritik.
Grenzkontrollen zu Tschechien und Tirol in Kraft – Kritik reißt nicht ab (DPA)

Die verschärften deutschen Einreiseregeln an den Grenzen zu Tschechien und zum österreichischen Bundesland Tirol sind in der Nacht zu Sonntag in Kraft getreten - und sorgen für Unmut in den betroffenen Nachbarstaaten und der EU. Bundesinnenminister Horst Seehofer bekräftigte, an den entsprechenden Übergängen in Bayern und Sachsen werde scharf kontrolliert. „Wer nicht zu einer der wenigen Ausnahmen gehört, kann nicht einreisen“, sagte der CSU-Politiker der „Bild am Sonntag“. Ziel der Bundesregierung ist es, dass Einschleppen von wohl ansteckenderen Coronavirus-Mutationen über die Grenze einzudämmen. Seehofer sagte, mit Verzögerungen sei zu rechnen. „Durch die Kontrollen kann es hier und da zu Wartezeiten kommen. Die Bundespolizei wird den Verkehr nicht einfach durchwinken“ Einreisende müssten einen negativen Corona-Test vorlegen. Das gelte auch für alle Lastwagenfahrer, hieß es.

Tschechien und Tirol gelten als Virusvarianten-Gebiete

Wegen der neuen deutschen Einreiseregeln will Tirol schon ab Sonntag den Lastwagenverkehr aus Italien vorab kontrollieren und drosseln, um einen extremen Rückstau und einen Verkehrskollaps im Inntal zu verhindern. „Wir lassen es nicht zu, dass Tirol der Parkplatz Europas wird. Aus diesem Grund wird in Abstimmung mit dem Bund eine Verordnung erlassen, die uns Kontrollen bereits am Brenner ermöglicht“, erklärten Landeshauptmann Günther Platter und Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe. Nach Angaben der Bundesregierung dürfen ab Sonntag aus Tschechien und weiten Teilen Tirols nur noch Deutsche sowie Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland einreisen. Tschechien und Tirol gelten als Virusvarianten-Gebiete. Ausnahmen bei der Einreise gibt es für Gesundheitspersonal, Lastwagenfahrer und sonstiges Transportpersonal im Güterverkehr. Der slowakische Außenminister Ivan Korcok intervenierte bei Deutschlands Bundesaußenminister Heiko Maas gegen Reisebeschränkungen für Lastwagenfahrer. Wie das Außenministerium in Bratislava am Samstag auf seiner Internetseite mitteilte, ging es dabei um die Vorschrift, an der Grenze einen höchstens 48 Stunden alten Corona-Test vorzuweisen, um nach Deutschland einreisen zu dürfen. „Diese Maßnahme wird riesige Probleme verursachen und ist für unsere Lastwagenfahrer in der Praxis kaum erfüllbar“, erklärte Korcok seinem deutschen Amtskollegen nach Angaben seines Ministeriums. Die Slowakei habe deshalb eine diplomatische Note nach Berlin geschickt. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) verteidigte die Grenzkontrollen bei der Einreise aus Tschechien. „Uns bleibt nichts anderes übrig“ sagte er am Samstag. Der Kampf gegen die Pandemie mache an einer Grenze nicht halt. Bislang sei die sächsische Linie gewesen, Regionen auf der anderen Seite der Grenze genauso zu behandeln, als wären sie ein Landkreis in Sachsen oder Deutschland. In der tschechischen Region Eger liege die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen aber bei 1100, sagte er. Bei einer solchen Inzidenz hätte man in Sachsen strenge Beschränkungen wie Ausgangssperren und die Schließung von Geschäften veranlasst, so Kretschmer. „Wenn das jetzt auf tschechischer Seite anders ist, dann müssen wir uns auch anders schützen. Bis jetzt, in den letzten Wochen, haben wir ein gemeinsames Verständnis gehabt. Das scheint jetzt gerade in der Tschechischen Republik anders zu sein.“

Grenzkontrollen zu Tschechien und Tirol in Kraft – Kritik reißt nicht ab (DPA)

Die tschechische Feuerwehr richtete wegen der Verschärfung kurzfristig ein zusätzliches Corona-Testzentrum ein. Es sollte ab Mitternacht in Pomezi nad Ohri vor dem Grenzübergang Schirnding (Bayern) zur Verfügung stehen, wie ein Sprecher bei Twitter mitteilte. Zielgruppe sind insbesondere Lkw-Fahrer. Gewerkschaft der Polizei fordert Verstärkung Vor Beginn der Grenzkontrollen zu Tschechien und Österreich wegen der Corona-Mutationen hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Ausrüstung der Bundespolizei bemängelt. Es fehle an Containerbüros, Toilettenwagen und großen Zelten für die Kontrollen, sagte der für die Bundespolizei zuständige GdP-Bezirksvorsitzende Andreas Roßkopf der „Rheinischen Post“ vom Samstag. Damit die Einheiten bei teils zweistelligen Minusgraden ihre Arbeit machen könnten, bräuchten sie Unterstützung vom Technischen Hilfswerk. „Die technische Ausstattung der Bundespolizei lässt zu wünschen übrig“, sagte Roßkopf. Er forderte Bund und Länder auf, schnell für die nötige Hilfe zu sorgen. Auf die Bundespolizei kämen mit den Grenzkontrollen erhebliche Mehrbelastungen zu. Es bestehe zudem das Risiko, dass „Ortskundige über Feld- und Waldwege die Kontrollen umgehen werden“. Um das zu verhindern, brauche es mehr Kräfte. Roßkopf schätzte, dass "mehrere Hundertschaften aus der Bereitschaftspolizei" nötig seien.

„Virus lässt sich von geschlossenen Grenzen nicht aufhalten“

EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hält allerdings nicht viel von den schärferen deutschen Einreiseregeln. „Die Furcht vor den Mutationen des Coronavirus ist verständlich. Aber trotzdem gilt die Wahrheit, dass sich das Virus nicht von geschlossenen Grenzen aufhalten lässt“, sagte die 64-jährige christdemokratische Politikerin aus Zypern der „Augsburger Allgemeinen“. Über kritische Bemerkungen seitens der EU-Kommission hatte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer schon tags zuvor empört. Umstritten ist auch die Regelung für Pendler. Bayern will nach dem neuen Text der Einreise-Quarantäneverordnung Ausnahmen für Grenzgänger und Grenzpendler, wenn deren Tätigkeit für die Aufrechterhaltung betrieblicher Abläufe dringend erforderlich und unabdingbar ist und dies durch den Dienstherrn, Arbeitgeber oder Auftraggeber bescheinigt wird. Dem Vernehmen nach gibt es von Bundesseite aus aber noch Forderungen, die Ausnahmen enger zu fassen. Unstrittig seien Ausnahmen für medizinisches Personal, hieß es. Möglicherweise werde es zu einer abweichenden bundesgesetzlichen Einreiseregelung kommen, die diese bayerische Vorschrift nur eingeschränkt zur Wirkung kommen lasse, teilte ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums mit. Pflicht ist für alle Einreisenden ausnahmslos das Vorliegen eines negativen Tests, der nicht älter ist als 48 Stunden. Zudem müssen sie sich digital anmelden. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer erklärte mit Blick auf Seehofer, es helfe weder den Menschen noch der Wirtschaft, „den Schwarzen Peter nach Brüssel zu schieben, um von eigenen Fehlern abzulenken“. Theurer mahnte, das „Chaos und die Belastungen in den Grenzregionen“ des vergangenen Jahres müssten verhindert werden. Er forderte Seehofer auf, „seine Hausaufgaben zu machen“. Die Durchsetzung von Quarantäne-Maßnahmen und das Vornehmen von Schnelltests an Flughäfen sei „noch immer praktisch nicht existent“.

Agenturen