Gerichtsurteil: Berliner Kopftuchverbot für Lehrerin rechtswidrig
Per Gesetz wollte das Land Berlin verhindern, dass Lehrerinnen ein Kopftuch tragen dürfen – für das höchste Arbeitsgericht rechtswidrig. Im Gespräch mit TRT Deutsch begrüßt das „Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit“ das Urteil.
Symbolbild: Lehrerin mit Kopftuch unterrichtet.  (DPA)

Das im Berliner Neutralitätsgesetz verankerte pauschale Kopftuchverbot für Lehrerinnen verstößt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts gegen die Verfassung. Das Gericht wies am Donnerstag nach Angaben einer Sprecherin die Revision des Landes Berlin gegen ein Urteil des Landesarbeitsgerichts zurück. Dieses hatte einer muslimischen Lehrerin im November 2018 rund 5159 Euro Entschädigung zugesprochen, weil diese wegen ihres Kopftuches nicht in den Schuldienst eingestellt wurde.

Die Frau sei wegen ihrer Religion diskriminiert worden, entschied nun das Bundesarbeitsgericht. Der Paragraf 2 im Neutralitätsgesetz, der Pädagogen an allgemeinbildenden Berliner Schulen nicht nur das Tragen eines Kopftuchs, sondern auch anderer religiöser Kleidungsstücke und Symbole wie Kreuz oder Kippa untersagt, müsse verfassungskonform ausgestaltet werden.

Miriam Aced, Pressesprecherin des Bündnisses #GegenBerufsverbot, sieht darin eine Entscheidung von großer Tragweite. Gegenüber TRT Deutsch erklärte Sie: „Das Bündnis #GegenBerufsverbot argumentiert seit unserer Gründung, dass das sogenannte Berliner Neutralitätsgesetz, das alles andere als neutral ist, verfassungswidrig ist, denn es setzt religiöse Minderheiten und Frauen unter Generalverdacht. Frauen mit Kopftuch müssen nicht in die Gesellschaft integriert werden, denn sie sind schon Teil der Gesellschaft. Sie müssen aber gleichberechtigten Zugang zu Arbeit, wie auch allen anderen Teilen der Gesellschaft bekommen.“

„Das Bundesarbeitsgerichtsurteil bestätigt, dass wir nicht weiter mit dieser diskriminierenden Einstellungsregel des Landes Berlin leben müssen“, unterstrich Aced.

Nach Einschätzung der Erfurter Richter sei ein generelles, präventives Verbot zum Erhalt des Schulfriedens nicht rechtens, erläuterte die Sprecherin des Bundesarbeitsgerichts. Vielmehr müssten konkrete Anhaltspunkte für dessen Gefährdung vorliegen. Die bisherige Regelung verletze die Religionsfreiheit der Lehrer.

Aussagen von CDU-Kommunalpolitiker „rassistisch“

Zuletzt hatte das Neutralitätsgesetz immer wieder für kontroverse Debatten auch innerhalb der Berliner rot-rot-grünen Koalition gesorgt. Während Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) das Gesetz für verfassungskonform und sachgerecht hielt, vertrat Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) die gegenteilige Meinung.

In einer Facebook-Stellungnahme äußerte sich der stellvertretende Bezirksbürgermeister im Bezirksamt Neukölln, Falko Liecke (CDU), besonders kritisch. „Wer so urteilt, soll nur einmal in seinem Leben an eine Neuköllner Schule kommen, die ohnehin unter massivem Einfluss von Islamisten zu leiden hat“, sagte er.

„Alle in Neukölln lebenden Menschen als ‚Islamisten‘ zu bezeichnen ist rassistisch“, kritisiert Aced. „Es ist auch anmaßend, dass Herr Liecke denkt, er kenne jede muslimische Person, die in Neukölln auf die Schule geht oder dessen Kinder in Neukölln auf die Schule gehen. Angesichts der Ereignisse in Hanau erwarten wir von einem stellvertretenden Bezirksbürgermeister mehr Verantwortungsbewusstsein.“

„Die Richterin hat gestern ganz klar in der Verhandlung hervorgehoben, dass die Problemlage der vermeintlichen religiösen Konflikte an Schulen in Berlin nicht belegt ist und dass das Landesarbeitsgericht dies auch hervorgehoben hat“, fügte die Pressesprecherin des Netzwerks kritisch hinzu.

Das Bündnis #GegenBerufsverbot, in dem das „Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit“ vertreten ist, wünsche sich, dass die Entscheidung auch über Berlin hinaus Akzeptanz findet. „Bundesweit erhoffen wir natürlich, dass andere Bundesländer dieses Urteil zu Herzen nehmen und diejenigen, die sogenannte Neutralitätsgesetze haben, diese ändern oder gar streichen“, teilte Aced mit.

#GegenBerufsverbot ist ein Zusammenschluss mehrerer Organisationen und Privatpersonen, die zum Thema Anti-Rassismus und Feminismus arbeiten und in der Debatte um das sogenannte Neutralitätsgesetz sowohl die Betroffenenperspektive als auch menschen-, bürger- und frauen*rechtliche Argumente sichtbar machen möchten.

TRT Deutsch und Agenturen