Die frühere Bundesregierung von Union und SPD hat in den letzten neun Tagen ihrer Amtszeit Rüstungsexporte für fast fünf Milliarden Euro genehmigt. Damit steigt der Gesamtumfang der Exporterlaubnisse im laufenden Jahr auf den Rekordwert von 9,043 Milliarden Euro. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Nummer eins unter den Empfängerländern ist mit großem Abstand Ägypten, das wegen Menschenrechtsverletzungen und seiner Verwicklung in die Konflikte im Jemen und in Libyen in der Kritik steht.
Der bisherige Höchstwert der Rüstungsexportgenehmigungen wurde vor zwei Jahren erreicht: 2019 wurden Waffen und militärische Ausrüstung für 8,015 Milliarden Euro aus Deutschland in alle Welt geliefert. Dieser Wert wird in diesem Jahr um mindestens eine Milliarde Euro übertroffen.
Vor wenigen Tagen war bereits bekannt geworden, dass die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem damaligen Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) kurz vor der Amtsübergabe am 8. Dezember den Verkauf von drei Kriegsschiffen und 16 Luftabwehrsystemen genehmigt hat. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unterrichtete den Bundestag erst einen Tag vor der Wahl von Scholz zum Kanzler darüber - ohne den Wert der Ausfuhren zu nennen.
Aus der Antwort des Wirtschaftsministeriums geht nun hervor, dass für Ägypten bis zum Regierungswechsel Kriegswaffen und andere Rüstungsgüter im Wert von 4,34 Milliarden Euro genehmigt wurden. Nach einer früheren Antwort des Ministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linken waren es bis zum 29. November erst 0,18 Milliarden Euro. Das heißt, dass alleine für Ägypten in den letzten neun Tagen der Regierung Merkel Rüstungsexporte für mehr als vier Milliarden Euro genehmigt wurden. Insgesamt erlaubte die Regierung Merkel/Scholz in ihren letzten Tagen Ausfuhren im Umfang von 4,91 Milliarden Euro - mehr, als in den knapp neun Monaten zuvor zusammen.
Regierung Merkel bei Genehmigungen nur geschäftsführend im Amt
Brisant daran ist, dass die Regierung in dieser Zeit nur noch geschäftsführend im Amt war. Es ist gängige Praxis, dass in dieser Phase keine weitreichenden politischen Entscheidungen mehr getroffen werden - vor allem, wenn die Nachfolgeregierung anderer Meinung sein könnte.
Mitverantwortlich für die Entscheidung ist der heutige Kanzler Scholz. Der Export der Fregatten und Luftabwehrsysteme aus den Rüstungsschmieden Thyssenkrupp Marine Systems und Diehl Defence wurde vom Bundessicherheitsrat genehmigt, einem Kabinettsausschuss, dem neben Merkel sieben Minister angehören. Darunter ist auch der Finanzminister, der damals Olaf Scholz hieß.
Die jetzige Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP hat sich eine restriktive Rüstungsexportpolitik auf die Fahnen geschrieben. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass die bisherigen Richtlinien dafür in ein Gesetz gegossen werden sollen. Ziel ist es, vor allem die Exporte in Länder außerhalb von EU und Nato zu beschränken.
Neue Bundesregierung distanziert sich von Rüstungsexporten
Das für Rüstungsexportkontrolle zuständige Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ging in den Koalitionsverhandlungen an die Grünen, die Rüstungsexporten traditionell besonders kritisch gegenüberstehen. Minister Robert Habeck, der auch Vizekanzler ist, ließ seinen parlamentarischen Staatssekretär und Parteifreund Sven Giegold auf die Anfrage Dagdelens antworten. Der distanzierte sich deutlich von den Exportgenehmigungen der Regierung Merkel/Scholz.
„Es wird darauf hingewiesen, dass die Werte der unten stehenden Tabellen auf Entscheidungen der Vorgängerregierung zurückzuführen sind“, heißt es in seinem Schreiben. „Die Bundesregierung sieht einen restriktiven Umgang mit Rüstungsexporten vor und wird entsprechend den im Koalitionsvertrag vereinbarten Leitplanken ein Rüstungsexportkontrollgesetz erarbeiten.“
Giegold weist zum Vergleich darauf hin, dass die neue Regierung in den ersten sieben Tagen ihrer Amtszeit nur Rüstungsexportgenehmigungen im Wert von 3679 Euro erteilt hat. Diese Exporte gingen auch nur in EU-Länder, Nato-Staaten oder gleichgestellte Länder. Konkret: Australien, Österreich, Schweden und Slowenien.