Bayern hört Klimaaktivisten ab – Empörung über Überwachung
Bayerische Ermittler haben Telefongespräche von Aktivisten der Letzten Generation abgehört. Sie verdächtigen die Mitglieder der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Klimabewegung spricht von einem „Abhörskandal“. Die Politik fordert Aufklärung.
24.04.2023, Berlin: Polizisten besprechen die Vorgehensweise zur Räumung der Kreuzung Hohenzollerndamm/Konstanzer Straße, wo Aktivisten auf der Fahrbahn sitzen. / Photo: DPA (DPA)

Die Klimabewegung Letzte Generation hat sich empört über eine Abhöraktion bayerischer Ermittler gegen ihre Vertreter und Mitglieder gezeigt. Dass etwa auch private Telefongespräche mitgehört und protokolliert worden seien, sei „verstörend“, erklärte die Sprecherin der Bewegung, Carla Hinrichs, am Samstag. Die Grünen kritisierten, dass offenbar auch Gespräche mit Journalisten mitgehört wurden. Die Deutsche Polizeigewerkschaft nannte die Überwachung dagegen „rechtlich einwandfrei“.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte am Samstag berichtet, bayerische Ermittlungsbehörden hätten monatelang Telefongespräche von Klimaaktivistinnen und -aktivisten der Letzten Generation abgehört. Sie hätten auch Genehmigungen eingeholt, um die Standortdaten von Handys zu ermitteln, Mailboxen von Aktivisten abzuhören und deren E-Mails „in Echtzeit“ mitzulesen. Betroffen war demnach auch ein Festnetzanschluss mit Berliner Vorwahl, den die Letzte Generation als ihr offizielles Pressetelefon ausgibt. Hintergrund ist der Verdacht zur Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Die möglicherweise gleichfalls betroffene Aktivistin Imke Bludszuweit nannte es „absurd und erschreckend, welche Geschütze hier aufgefahren werden, um friedlichen Protest zu unterdrücken“. Die Letzte Generation, die wegen ihrer Blockadeaktionen in den vergangenen Monaten zunehmend in die Kritik geraten war, erklärte in einer Mitteilung weiter, ob die Überwachung noch anhalte, sei unklar. Ungeachtet des Vorgehens gegen die Bewegung werde die Gruppe „ihren Protest auch in der nächsten Woche in ganz Deutschland auf die Straße tragen“.

Vorwurf des Missbrauchs der Justiz durch die Politik

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch nannte die Abhöraktion der bayrischen Generalstaatsanwaltschaft „völlig unangemessen“. Der Vorfall zeige, „dass es falsch ist, dass Staatsanwälte politisch weisungsgebunden sind“, erklärte Bartsch im Kurzbotschaftendienst Twitter. Sie würden in „einem unanständigen Wahlkampf missbraucht“.

„Das gesamte Vorgehen wirft Fragen nach der Verhältnismäßigkeit auf“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci dem „Tagesspiegel“ (Sonntagausgabe). „Die Sorgen vor einer Radikalisierung des Klimaprotests sind ernst zu nehmen.“ Der Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung dürfe „aber keine Einladung zu Vorgehensweisen sein, die die Beschuldigten erst in die Radikalität treiben“.

Es sei „ein schwerwiegender Vorfall“, wenn die Vermutung unwidersprochen im Raum stehe, dass Polizei und Justiz gezielt Abhöraktionen gegen Journalistinnen und Journalisten angeordnet hätten, erklärte der medienpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Erhard Grundl. Dies wäre nicht mit der Pressefreiheit zu vereinbaren. „Der bayerische Justizminister und der bayerische Innenminister müssen sich erklären“, forderte Grundl.

Polizeigewerkschaft verteidigt Vorgehen gegen Klimaaktivisten

„Niemand steht über dem Gesetz, auch die Letzte Generation nicht“, erklärte hingegen der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. „Strafprozessuale Maßnahmen richten sich nach dem Tatverdacht und der Schwere der Straftaten, die den Verdächtigen vorgeworfen werden. Da dürfe Sympathie für vermeintlich gute Ziele keine Rolle spielen.“ Die Abhörmaßnahmen seien „durch unabhängige Richter genehmigt“ und könnten „jederzeit überprüft werden, auch nachträglich und in Bezug auf ihre Verwertbarkeit“.

Die Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation kleben sich regelmäßig auf Straßen fest und blockieren so den Verkehr oder sie beschmieren Kunstwerke, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Nach Angaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wurden der Gruppe Anfang Juni 580 Straftaten seit Anfang 2022 zugeordnet. Dabei sei es vor allem um Nötigungen und Sachbeschädigungen gegangen.

AFP