Migration als Waffe: Illegale Grenzübertritte in Litauen alarmieren EU
Belarus-Machthaber Lukaschenko führt der EU vor, wo sie verwundbar ist. Die EU ist mittlerweile besorgt über die Anzahl an Migranten, die illegal in die EU gelangen. Sanktionen und Strafmaßnahmen haben bisher nicht viel bewirkt - im Gegenteil.
Migration als Waffe? Illegale Grenzübertritte in Litauen alarmieren die EU - und Belarus-Machthaber Lukaschenko soll diese gezielt begünstigen. (Symbolbild) (DPA)

Die EU erhebt wegen der stark steigenden Migrantenzahlen an der litauischen EU-Außengrenze schwere Vorwürfe gegen den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko und will die Schutzmaßnahmen weiter verstärken. Womit es die EU zu tun habe, sei nicht in erster Linie eine Migrationskrise, sondern ein „Akt der Aggression“ des Lukaschenko-Regimes, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Montag am Rande von Gesprächen in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Dies sei „absolut inakzeptabel“. Johansson war in das baltische EU-Land gereist, um sich ein Bild von der Lage zu machen und mit Regierungsvertretern die nächsten Schritte zu besprechen. An der fast 680 Kilometer langen Grenze Litauens zu Belarus wurden zuletzt allein im Juli mehr als 2000 illegale Grenzübertritte von Menschen aus Ländern wie dem Irak oder afrikanischen Staaten registriert, nachdem es im gesamten vergangenen Jahr lediglich 81 gewesen waren.

Wegen EU-Sanktionen droht Lukaschenko mit Migranten

Nach Erkenntnissen der EU wurde der Anstieg der Zahlen gezielt von der Regierung des Nachbarlandes herbeigeführt. So hatte Lukaschenko in der Vergangenheit offen damit gedroht, als Reaktion auf die gegen sein Land verhängten EU-Sanktionen Menschen aus Ländern wie dem Irak, Afghanistan oder Syrien passieren zu lassen.

Auch in Deutschland herrscht wegen der Entwicklungen mittlerweile Besorgnis - vor allem, weil befürchtet wird, dass etliche der in Litauen ankommenden Menschen versuchen könnten, weiter in Richtung Westen zu gelangen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und sein österreichischer Kollege Karl Nehammer sprachen sich deswegen Ende der vergangenen Woche dafür aus, Litauen umfassend auch beim Grenzschutz zu unterstützen. „Es wäre fatal, wenn wir die Förderung nur auf die Versorgung und Unterbringung der bereits im Lande befindlichen Migranten beschränken“, kommentierten sie.

Grenzsicherung in Litauen kostet eine halbe Milliarde Euro

Nach Recherchen litauischer Medien zieht es die meisten Migranten nach Deutschland. Laut einem Bericht des Internetportals 15min.lt kostet die mit einem legalen Flug nach Minsk beginnende Reise aus dem Irak in die Bundesrepublik - wenn alles gut geht - insgesamt rund 3000 Dollar (etwa 2500 Euro). Dass die Lage schnell unter Kontrolle gebracht werden könnte, ist nicht absehbar. Litauen hat zwar wegen des Zustroms von Migranten jüngst seine Asylregelungen verschärft und mit der Errichtung eines Zauns an der Grenze begonnen. Weil Stacheldraht fehlt, geriet der Bau der Grenzbarriere aber zuletzt ins Stocken. Die Kosten für die Grenzsicherung wurden von Litauens Innenministerin Agne Bilotaite zuletzt mit bis zu einer halben Milliarde Euro angegeben. Im Gespräch ist deswegen nun eine stärkere Unterstützung der EU. Johansson machte am Montag bei einem Grenzbesuch deutlich, dass sie auch die Notwendigkeit sehe, die litauische EU-Außengrenze notfalls mit verstärkten „physischen Barrieren“ zu schützen. Zugleich verwies sie darauf, dass die EU in vielen anderen Bereichen bereits helfe. So unterstützen ihren Angaben zufolge künftig mehr als 100 Grenzschützer der EU-Grenzschutzagentur Frontex die Arbeit der lokalen Kräfte.

EU droht Belarus mit Sanktionen

Bereits am Freitag hatte die EU den Verantwortlichen in Belarus zudem mit weiteren Sanktionen gedroht. „Die EU und ihre Mitgliedstaaten verurteilen die Instrumentalisierung von Migranten und Flüchtlingen durch das weißrussische Regime“, heißt es in einer vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell veröffentlichten Erklärung. Man werde die Möglichkeit restriktiver Maßnahmen gegen Schleuser und anderweitig am Menschenhandel Beteiligte prüfen. Mit den bereits existierenden Sanktionen gegen Belarus (Weißrussland) hat die EU auf die Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition in dem Land reagiert. Darunter fällt auch die aus EU-Sicht illegale Festnahme des regierungskritischen Bloggers Roman Protassewitsch. Behörden in Belarus hatten eine Passagiermaschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius in Litauen zu einer Zwischenlandung in Minsk gezwungen, um den jungen Mann zu fassen. Litauen ist international einer der größten Fürsprecher der Demokratiebewegung im Nachbarland und seit längerem ein Zufluchtsort der belarussischen Opposition. Das EU-Land hat viele Oppositionelle aufgenommen - darunter Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja.

Bisherige Maßnahmen haben noch nicht viel gebracht

Die weitreichendsten Strafmaßnahmen sind bislang Wirtschaftssanktionen, die sich vor allem gegen Staatsunternehmen richten. Betroffen sind unter anderem Unternehmen, die mit Erdölerzeugnissen, Kalidüngemitteln und Waren zur Herstellung von Tabakprodukten Geld verdienen. Lukaschenko hatte mit Blick auf die Sanktionen gesagt: „Wir haben uns darauf vorbereitet, wir wussten, was uns bedroht.“ Und er drohte zugleich: „Wir müssen diesen Dreckskerlen auf der anderen Seite der Grenze zeigen, dass ihre Sanktionen ihre eigene Ohnmacht sind.“ Johansson räumte am Montag in ihrer Pressekonferenz mit der litauischen Regierungschefin Ingrida Simonyte ein, dass die bisherigen Maßnahmen noch nicht viel gebracht haben. Die Situation verschlechtere sich, sagte sie.

DPA