Medienexperte: Verbot russischer Sender in EU ist heikel
Kann der Westen RT und Sputnik nur mit Verboten beikommen? Ein renommierter Kölner Medienexperte kritisiert das erzwungene Aus für russische Staatssender in der EU als „Adhoc-Symbolpolitik“. Der Effekt sei gering, Gegenmaßnahmen zu befürchten.
Symbolbild: Die mittlerweile von vielen Plattformen gelöschte App von RT (Reuters)

Der Direktor des Kölner Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik, Leonard Novy, blickt mit Skepsis auf das von der EU-Kommission geplante Verbot der russischen Staatssender Russia Today (RT) und Sputnik in Europa.

So nachvollziehbar der Schritt vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine sei, aus demokratiepolitischer wie praktischer Perspektive sei er heikel, sagte Novy im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein solcher Schritt berge die Gefahr, „die eigenen Werte auf dem Altar von Adhoc-Symbolpolitik zu opfern“.

Vorgehen gegen russische Sender „könnte als Zensur wahrgenommen werden“

Zugleich warnte Novy, das RT- und Sputnik-Verbot könne auch in Teilen der EU-Bevölkerung als Zensur wahrgenommen werden. Diese sähe sich damit in ihrer Kritik an der Berichterstattung und einer vermeintlich staatlich gesteuerten Presse bestätigt. „Umso wichtiger ist es, entsprechende Maßnahmen sorgfältig zu begründen, um den Eindruck zu begegnen, die Politik würde missliebige Programme verbieten“, sagte Novy.

Zu befürchten sei auch, dass Moskau das Verbot zum Anlass nehme, die Bedingungen für eine Berichterstattung aus und über Russland zu erschweren und das Vorgehen gegen ausländische Plattformen wie auch lokale Medien weiter zu verschärfen. „Das hat auch unmittelbare Folgen für die russische Bevölkerung, die noch schwerer an alternative Informationen kommen wird“, sagte Novy.

Am Mittwoch lösten russische Behörden die regierungskritischen Sender „Doschd“ und „Echo Moskwy“ auf.

Medienkompetenz wirksamer als Verbote

„Grundsätzlich dürfte ein Informationskrieg mit Verboten nicht zu gewinnen sein“, betonte Novy. Die Frage, wie Europa Desinformationen begegnen könne, entziehe sich einfachen Antworten.

Sie erforderten verschiedene Maßnahmen, von der grenzübergreifenden
Plattformregulierung über die Sicherung und Unterstützung von Medienfreiheit in der EU und die Finanzierung von unabhängigem Journalismus bis zur Vermittlung von Medienkompetenz.

epd