Unter dem Motto „Respekt, Zeit, Geld“ sind am Mittwoch in der Schweiz zehntausende Frauen für Lohngleichheit, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gegen sexuelle Belästigung auf die Straße gegangen. Gemeindebehörden wie etwa in Genf gaben Mitarbeiterinnen am Mittwoch für die Teilnahme am sogenannten Frauenstreik frei. Nach Angaben des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) gingen landesweit mehr als 300.000 Frauen auf die Straße.
Vor dem Parlament in Bern haben mehr als tausend Demonstrantinnen bei einer Kundgebung einen feministischen Eid geschworen: „Wir schwören, dass wir so lange für die Gleichstellung aller Menschen in diesem Land kämpfen werden, bis diese erreicht ist“, hieß die Formel. Die Regierung solle für Kinderbetreuung so viel Geld bereitstellen wie für die Rettung der Bank Credit Suisse, verlangten die Rednerinnen. Sie wurde mit der Übernahme durch die Konkurrentin UBS vor einem drohenden Kollaps bewahrt. Dafür hatte die Regierung Garantien von umgerechnet gut 100 Milliarden Euro bereitgestellt.
In Zürich blockierten rund 300 Demonstrantinnen die Straßenbahn, wie die Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA meldete. In Lausanne wurde die Kathedrale violett angestrahlt. In Städten wie Lausanne, Genf und Bern demonstrierten zehntausende Frauen aller Altersgruppen, viele von ihnen waren rosa oder lila gekleidet. Auch in kleinen Städten gingen Frauen auf die Straße. Vielerorts gab es lautstarke Kochtopfkonzerte, Versammlungen und Picknicks.
Anerkennung der Frauenrechte in der Schweiz: ein langwieriger Prozess
Der erste Frauenstreik wurde im Jahr 1991 begangen. Eine halbe Million Frauen legte damals ihre Arbeit nieder und schloss sich den Protesten an. Zehn Jahre zuvor war die Gleichstellung der Geschlechter in der Schweizer Verfassung verankert worden. Erst 2019 wurde ein zweiter Anlauf für einen neuen Protesttag von Frauen gestartet.
Die Organisatorinnen aus den Gewerkschaften sprachen zum ersten Mal von einem „feministischen Streik“ statt wie bisher von einem Frauenstreik. Das missfiel konservativen Parteien, die deshalb anders als in früheren Jahren dieses Mal nicht zur Teilnahme am Frauenstreik aufgerufen hatten.
Die Anerkennung der Frauenrechte war ein langwieriger Prozess in der Schweiz. 1971 räumte sie als eines der letzten europäischen Länder Frauen das Wahlrecht ein. In den vergangenen drei Jahrzehnten konnten Frauenrechtlerinnen aber einige Fortschritte erzielen.
2002 wurden Abtreibungen legalisiert, 2005 wurden 14 Wochen bezahlter Mutterschaftsurlaub eingeführt. Seit 2021 gibt es einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Doch der eingeschränkte Zugang zu den teuren Kindertagesstätten gilt als Haupthindernis für die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt.