Frankreich streitet über Sicherheitsgesetz und Polizeigewalt
Videos von brutalen Polizeieinsätzen sorgen in Frankreich für Empörung und Proteste. Ein geplantes Gesetz zum Schutz der Polizei stößt auf heftigen Gegenwind. Mehr als hunderttausend Menschen gehen auf die Straße. Wie geht es weiter?
28.11.2020, Frankreich, Paris: Feuerwehrkräfte löschen ein Feuer in einem brennenden Auto während einer Demonstration gegen das sogenannte Sicherheitsgesetz.  (DPA)

Mehr als hunderttausend Demonstranten haben am Wochenende in Frankreich ihrem Unmut über Polizeigewalt und ein geplantes „Sicherheitsgesetz“ Luft gemacht. Wie das Innenministerium mitteilte, waren am Samstag landesweit 133.000 Menschen auf der Straße. Allein in Paris beteiligten sich demnach 46.000 an den Protesten. Die Veranstalter sprachen von insgesamt 500.000 Demonstranten und 200.000 in der Hauptstadt. Dabei kam es auch zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei.
Bilder der Demonstrationen zeigen brennende Autos, von Tränengas und Rauch verhangene Straßen und körperliche Auseinandersetzungen. Der Generaldirektor von Reporter ohne Grenzen, Christophe Deloire, schrieb auf Twitter von einem Journalisten, dem auf der Demonstration in Paris mit einem Knüppel ins Gesicht geschlagen wurde. Diese Polizeigewalt sei inakzeptabel.
Wie viele Demonstranten verletzt wurden, war zunächst unklar. Laut Innenminister Gérald Darmanin wurden insgesamt 98 Sicherheitskräfte bei den Krawallen verletzt. Er sprach ihnen auf Twitter seine Unterstützung aus und verurteilte die Gewalt. Bei den Demonstrationen wurden 81 Menschen festgenommen, wie sein Ministerium mitteilte.
Die Proteste folgen auf eine Woche, die von Diskussionen über Polizeigewalt geprägt war. Am Montagabend zeigten Videos einen brutalen Polizeieinsatz auf der Pariser Place de la République. Migranten, die dort ihre Zelte aufgebaut hatten, wurden von der Polizei teils aggressiv vom Platz vertrieben. Am Donnerstag sorgte dann das Video eines weiteren Polizeieinsatzes für Empörung. Zu sehen war darin, wie ein schwarzer Musikproduzent von mehreren Polizisten angegriffen wird.

Präsident Emmanuel Macron nannte die Gewalt inakzeptabel. Auch der Generaldirektor der nationalen Polizei, Frédéric Veaux, sagte in einem Interview mit „Le Journal du Dimanche“, er sei schockiert. Die beiden Fälle heizten die ohnehin schon scharfe Kritik an einem geplanten sogenannten Sicherheitsgesetz an, dem das Unterhaus bereits am Dienstag zugestimmt hatte. Frankreichs Regierung will die Polizei mit dem Gesetz besser schützen. Besonders umstritten ist ein Artikel, der Videoaufnahmen von Polizeieinsätzen einschränken soll. Er stellt die Veröffentlichung von Bildern von Sicherheitsbeamten im Einsatz unter Strafe, wenn diese mit dem Ziel erfolgt, die körperliche oder seelische Unversehrtheit der Polizisten zu verletzen. Eine Gefängnisstrafe von einem Jahr oder eine Strafe von 45.000 Euro könnten die Konsequenz sein. Viele sehen deshalb auch die Pressefreiheit in Gefahr. Der Senat muss nun über das Gesetz entscheiden. In den zwei bekannt gewordenen Fällen von Polizeigewalt laufen mittlerweile Untersuchungen. Die Pariser Staatsanwaltschaft forderte die Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen vier Polizisten, wie der Staatsanwalt Rémy Heitz am Sonntag sagte. Dreien der Polizisten werden unter anderem rassistische Gewalt durch Amtspersonen, Hausfriedensbruch und Dokumentenfälschung vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft beantragte Untersuchungshaft. Dem vierten Beamten werden unter anderem Gewalt durch Amtspersonen und Sachbeschädigung zur Last gelegt. Aus Justizkreisen hieß es am Sonntagabend, dass das Verfahren gegen ihn eingeleitet und er unter Justizaufsicht gestellt wurde. Innenminister Darmanin hatte die Entlassung der Polizisten gefordert, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Er selbst muss sich nun unter wachsendem politischen Druck an diesem Montag in der Nationalversammlung zu den Vorfällen erklären.

DPA