Angesichts erheblicher Widerstände rührt die EU-Kommission die Werbetrommel für ihren 750-Milliarden-Euro-Plan zum Kampf gegen die Corona-Krise. Die zuständigen Kommissare betonten am Donnerstag, dass die EU-Staaten die Krisenhilfen nur gegen Reformversprechen bekommen würden und dass das Geld gezielt in eine umweltfreundliche und modernere Wirtschaft fließen soll. Kritik gibt es vor allem an der Finanzierung über langlaufende Schulden.
Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte ihren Plan namens „Next Generation EU“ am Mittwoch vorgestellt. Sie will 750 Milliarden Euro als Schulden am Kapitalmarkt aufnehmen und davon 500 Milliarden Euro als Zuschuss und 250 Milliarden als Kredit zur Erholung der Wirtschaft an Krisenstaaten vergeben. Die EU-Schulden sollen zwischen 2028 und 2058 aus dem EU-Haushalt zurückgezahlt werden.
Für das Programm braucht von der Leyen die einstimmige Unterstützung der 27 EU-Staaten, die sich am 19. Juni bei einem Gipfel damit befassen. Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark haben jedoch nach wie vor Bedenken gegen das Prinzip, als Kredit aufgenommenes Geld als Zuschuss zu verteilen und die Schulden gemeinsam zu schultern.
Haushaltskommissar Johannes Hahn zeigte sich optimistisch, dass Länder wie die Niederlande und Schweden doch noch zustimmen. „Am Ende des Tages werden wir einen brauchbaren und ergebnisorientierten Kompromiss finden“, sagte Hahn. Staaten wie die Niederlande profitierten enorm vom Binnenmarkt. Es gehe zudem nicht nur um wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch um den sozialen Frieden in Europa.
Refinanzierung nicht ausreichend geklärt
Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber kritisierte im rbb-Inforadio, das Programm sei nicht sauber gegenfinanziert und Einstieg in eine Verschuldungsfalle. „Wenn die Refinanzierung nicht sauber geklärt ist, dann darf dieser Weg, den Ursula von der Leyen vorgeschlagen hat, nicht beschritten werden“, sagte Ferber. Auch vom Bund der Steuerzahler kam scharfe Kritik. „In letzter Konsequenz haben wir eine Vorstufe von gemeinschaftlichen Schulden“, sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel dem Portal t-online.de.
Beide monierten, dass von der Leyen zur Refinanzierung auch neue eigene Einnahmen der EU wie eine Digitalsteuer vorschlägt. Ferber sagte, darüber stritten die Finanzminister schon ewig. Holznagel lehnte eine solche Steuer ab, weil Konzerne wie Google oder Amazon die Kosten auf Verbraucher umlegen würden.
Deutsche Industrie gegen zusätzliche Besteuerung
Gegen neue Steuern wandten sich auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und der Bundesverband der Deutschen Industrie. Doch unterstützten aber beide Verbände von der Leyens Wiederaufbauplan grundsätzlich. „Aus Sicht deutscher Unternehmen ist entscheidend, dass am Ende eine Vereinbarung getroffen wird, die dem Binnenmarkt wieder auf die Beine hilft“, erklärte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Vor einem zu starken Fokus auf Umweltprojekte warnten beide Verbände.
Die Kommission legt jedoch großen Wert darauf, dass auch der Umbau zu einer klimafreundlichen Wirtschaft vorangetrieben wird. Für den „Green Deal“ stünden mit dem Plan viel mehr Geld zur Verfügung. So sollen die EU-Mittel für den „Fond für den gerechten Wandel“ von 7,5 auf 40 Milliarden Euro aufgestockt werden. Deutsche Kohleregionen könnten rund 5,1 Milliarden Euro abbekommen. Auch bei einem mit 560 Milliarden Euro bestückten neuen Krisentopf soll die Ausrichtung am grünen und digitalen Wandel eine Rolle spielen.
Um das Geld zu bekommen, müssen die EU-Staaten detaillierte Aufbau-Pläne vorlegen. Das Wiederaufbauprogramm soll auch zu einer Stärkung der europäischen Gesundheitsversorgung beitragen. Hier werden die bisher vorgesehenen Mittel um das 23-fache aufgestockt auf 9,4 Milliarden Euro. „Das wird ein ‚Game Changer‘ bei dem, was wir für die Gesundheit der Europäischen Union tun können“, behauptete die zuständige Kommissarin Stella Kyriakides.
EU-Krisenhilfe in der Kritik: Warnung vor Verschuldungsfalle
28 Mai 2020
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen bekommt heftigen Gegenwind für ihren Corona-Wiederaufbauplan, der die Frage der Refinanzierung nicht ausreichend klärt. Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande haben Bedenken.
DPA
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