Die Welt nimmt Abschied von der Queen: Mit einem königlichen Jahrhundertereignis haben zahlreiche Staatsoberhäupter und Hunderttausende Menschen auf den Straßen Elizabeth II. die letzte Ehre erwiesen. König Charles III. wirkte ergriffen, als er gemeinsam mit seiner engsten Familie den Sarg seiner Mutter durch die britische Hauptstadt geleitete. Tränen schimmerten in den Augen des 73-Jährigen. Auch die Queen-Urenkel Prinz George (9), ein künftiger König, und Prinzessin Charlotte (7) reihten sich mit ihren Eltern Prinz William und Prinzessin Kate (beide 40) in die Trauerprozession ein.
Auf den Straßen war die Anteilnahme groß. In Trauer vereint, warfen zahlreiche Menschen vom Rand Blumen auf die Straße, als der Leichenwagen die Königin zum letzten Mal aus der britischen Hauptstadt zur Beisetzung in ihre geliebte Residenz Schloss Windsor brachte. Dort sollte Elizabeth am Abend in einer privaten Zeremonie beigesetzt werden. Kommentatoren sprachen von einem beispiellosen Spektakel in der jüngeren britischen Geschichte. Die Queen war am 8. September im Alter von 96 Jahren auf ihrem Landsitz Schloss Balmoral in den schottischen Highlands gestorben.
Das Staatsbegräbnis war minutiös durchgetaktet: Um 11.44 Uhr (12.44 Uhr MESZ) wurde der in die königliche Standarte gehüllte Sarg aus der Westminster Hall des Parlaments, wo etliche Menschen über Tage der aufgebahrten Queen die letzte Ehre erwiesen hatten, in die nahe Westminster Abbey getragen. Dort nahmen etwa 2000 Gästen an einem einstündigen Gottesdienst teil. In der Abtei hatte die Queen 1947 ihren Ehemann Prinz Philip geheiratet und war 1953 gekrönt worden.
Stunden vor dem Gottesdienst waren alle Bereiche entlang der Strecke gefüllt, Neuankömmlinge wurden in den Hyde Park geleitet, wo die Zeremonie auf Großbildleinwänden gezeigt wurde. „Wir haben eine gute Show geliefert“, sagte die Londonerin Kas Girdler, die die Zeremonie gemeinsam mit zwei Freundinnen verfolgte. „Darin sind wir gut, das können wir. Morgen wird alles wieder normal sein.“
Jede Minute des Trauerzugs erklang ein Salutschuss, auch die berühmte Glocke Big Ben schlug regelmäßig. Etliche Soldaten in Galauniform schritten mit dem Sarg an den Stätten von Elizabeths 70-jähriger Herrschaft wie dem Buckingham-Palast vorbei. Viele Uniformen und das Zeremoniell erinnerten viele Betrachter an das einstige britische Empire, das während Elizabeths Regentschaft weiter zerbröckelte.
Kinder der Queen im Trauerzug
Mit König Charles folgten auch die übrigen Kinder der Queen - Prinzessin Anne, Prinz Andrew und Prinz Edward - im Trauerzug. Dahinter gingen ihre Enkel Prinz William und Prinz Harry. Ihre Ehefrauen sowie Williams Kinder folgten in Limousinen bis zum Triumphbogen Wellington Arch, wo der Sarg von acht Trägern von einer Lafette in den Leichenwagen umgebettet wurde.
Prinz Andrew und Prinz Harry kamen wie erwartet nicht in Uniform. Dabei waren beide im Militäreinsatz, Andrew im Falklandkrieg und Harry in Afghanistan. Allerdings sind sie keine aktiven Mitglieder der Royal Family mehr. Bei der Totenwache in der Westminster Hall waren sie zuvor ausnahmsweise in Uniform erschienen.
Während des Gottesdienstes waren viele Blicke auf die jüngsten Teilnehmer gerichtet. Charlotte schaute viel zu Boden und trug einen schwarzen Hut mit Schleife über ihrem langen blonden Haar und einen Mantel, sie hielt ihre Hände vor sich gefaltet. George trug einen dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte. Ihr jüngerer Bruder Prinz Louis war nicht zu sehen.
In Schwarz, allerdings in unterschiedlichen Modestilen erschienen Prinzessin Kate und Harrys Ehefrau Herzogin Meghan. Kate (40) trug ein langärmeliges Mantelkleid, einen Hut mit Schleiernetz über ihrem Gesicht sowie Perlenohrringe. Dazu hatte sie eine dreireihige japanische Perlenhalskette der gestorbenen Königin Elizabeth II. angelegt. Meghan (41) trug ein Kleid mit Cape, darunter nackte Arme, sowie einen ausladenden Hut und Perlenohrringe.
Hochrangige Gäste
Gut ein Dutzend Königinnen und Könige, dazu Sultane und sogar der japanische Kaiser Naruhito, der sonst nie an Beisetzungen teilnimmt - wohl seit langem hat es keine solch exquisite Gästeliste gegeben. US-Präsident Joe Biden war ebenso angereist wie der französische Staatschef Emmanuel Macron und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er rechne in nicht allzu ferner Zukunft mit einem Besuch des neuen britischen Königs in Deutschland, sagte Steinmeier, der bei einem Empfang am Sonntag mit dem Monarchen gesprochen hatte, dem ZDF.
Auch die sechs noch lebenden britischen Ex-Premierminister sowie die amtierende Regierungschefin Liz Truss nahmen an dem Staatsakt teil. Truss übernahm ebenso eine der Lesungen wie die Generalsekretärin des Staatenbunds Commonwealth, Patricia Scotland. Blumenschmuck und Musik waren eigens wegen ihrer Symbolik für die Queen ausgewählt worden. Auf dem Sarg thronte neben Staatskrone, Reichsapfel und Zepter auch ein persönlicher Brief von Charles an seine Mutter. „In liebevoller und treuer Erinnerung. Charles R.“ Das „R.“ steht für Rex, das lateinische Wort für „König“.
Der Erzbischof von Canterbury erinnerte auch an die viel beachtete Rede der Queen an die Nation während der Corona-Pandemie. Elizabeth II. sprach ihren Untertanen damals Mut zu und sagte: „Wir werden uns wiedersehen.“ Zum Abschluss des Gottesdienstes ertönte das Signal „The Last Post“. Nach zwei Schweigeminuten trug der Dudelsackpfeifer der Queen das Stück „Sleep, dearie, sleep“ vor. Schließlich wurde die Nationalhymne „God Save the King“ gesungen.
Behörden vor großer Aufgabe
Das Staatsbegräbnis war eine enorme Herausforderung für die Behörden: Polizei, Geheimdienste und Anti-Terror-Einheiten koordinierten dafür die wohl größte Sicherheitsoperation, die die Stadt je erlebt hat. Derweil stand das Land still - fast überall blieben Schulen und Universitäten sowie Geschäfte geschlossen. Auch auf die Reisepläne zahlreicher Menschen hatte das Ereignis Auswirkungen. Am Londoner Flughafen Heathrow wurden mehr als 100 Flüge abgesagt. Die Einflugschneisen führten über die Londoner Innenstadt oder das Schloss Windsor. Man wollte sichergehen, dass während der Zeremonien Stille herrsche, teilte der wichtigste britische Airport mit.
Für diejenigen, die nicht nach London oder Windsor reisen konnten, wurde die Trauerfeier in Kinos und vielen Kirchen übertragen. Auch wurden an öffentlichen Orten Leinwände aufgebaut.