Bei einer Geiselnahme im US-Bundesstaat Texas hat ein Bewaffneter vier Menschen über Stunden in einer Synagoge festgehalten. Wie die Polizei der Kleinstadt Colleyville am Samstagabend mitteilte, kamen der Rabbiner und drei weitere Menschen unverletzt frei. Der mutmaßliche Täter sei tot. Nach Medienberichten verlangte der Geiselnehmer die Freilassung der Pakistanerin Aafia Siddiqui, die in den USA wegen Terrorvorwürfen in Haft sitzt.
Bomben an mehreren Orten platziert
Der Geiselnehmer war während des Gottesdienstes am Samstagmorgen in die Synagoge Congregation Beth Israel in Colleyville eingedrungen. Laut dem Sender ABC News gab er an, an mehreren Orten Bomben platziert zu haben. Die Polizei rief die Einwohner dazu auf, das Gebiet rund um die Synagoge in der rund 40 Kilometer westlich von Dallas gelegenen Kleinstadt zu meiden. Spezialisten der Bundespolizei FBI übernahmen nach Informationen des Nachrichtensenders CNN die Verhandlungen mit dem Geiselnehmer. US-Präsident Joe Biden ließ sich über die Entwicklung der Lage informieren.
Freilassung einer pakistanischen Wissenschaftlerin gefordert
Dem ABC-Bericht zufolge forderte der Mann die Freilassung der pakistanischen Wissenschaftlerin Siddiqui, die 2010 in den USA wegen Terrorvorwürfen zu 86 Jahren Haft verurteilt worden war, und die er als seine „Schwester“ bezeichnete. Laut ABC befindet sich Siddiquis Bruder jedoch in Houston. Experten zufolge war die Bezeichnung „Schwester“ daher eher im übertragenen Sinne als Schwester. Siddiqui wurde wegen versuchten Mordes an US-Soldaten in Afghanistan schuldig gesprochen. US-Boulevardmedien gaben ihr in Anspielung auf das Terrornetzwerk Al-Kaida den Beinamen „Lady Kaida“. Der Fall hatte in Pakistan für große Empörung gesorgt. Siddiqui ist in Texas inhaftiert. Ihre Anwältin sagte dem Sender CNN, sie habe „absolut nichts“ mit der Geiselnahme zu tun.
„Mit Amerika stimmt etwas nicht“
In einer Liveübertragung des Gottesdienstes der Gemeinde, die auf Facebook gestreamt wurde, war kurzzeitig die Stimme des mutmaßlichen Täters zu hören, der verlangte, mit seiner „Schwester“ zu telefonieren. Außerdem war zu hören, wie er sagte: „Ich werde sterben“ und „Mit Amerika stimmt etwas nicht“. Etwa zehn Stunden nach dem Beginn der Geiselnahme startete die Befreiungsaktion in der Synagoge. „Das Geiselbefreiungsteam stürmte die Synagoge“, sagte Colleyvilles Polizeichef Michael Miller bei einer Pressekonferenz. „Der Verdächtige starb.“ Zur Todesursache machte die Polizei keine Angaben. Journalisten berichteten von einer lauten Explosion und Schüssen in der Synagoge, kurz bevor der texanische Gouverneur Greg Abbott die Befreiung der Geiseln verkündete. Miller erklärte weiter, das Rettungsteam habe drei verbleibende Geiseln - alles Erwachsene - befreit. Eine erste Geisel war bereits einige Stunden zuvor unverletzt freigelassen worden.
Geiseln wurden in keiner Weise verletzt
Nach Angaben des FBI-Sonderermittlers Matt DeSarno mussten die Geiseln nicht medizinisch behandelt werden. „Er hat sie in keiner Weise verletzt“, sagte er. Die vier Betroffenen könnten bald zu ihren Familien zurückkehren.
Die Geiselnahme in Texas löste bei jüdischen Organisationen in den USA sowie bei der israelischen Regierung große Besorgnis aus. Israels Botschafter in den USA, Michael Herzog, sagte, er sei „dankbar“, dass alle Geiseln in Sicherheit seien. Auch der Rat der Amerikanisch-Islamischen Beziehungen verurteilte die Tat und bot der jüdischen Gemeinde in Colleyville „jede mögliche Hilfe“ an.
Präsident Biden versprach, „gegen Antisemitismus und gegen den zunehmenden Extremismus in diesem Land“ vorzugehen. „Ich bin dankbar für die unermüdliche Arbeit der Strafverfolgungsbehörden auf allen Ebenen, die hilfsbereit und furchtlos gehandelt haben, um die Geiseln zu retten“, sagte er.