UN kritisiert deutsche Ablehnung einer Freigabe von Corona-Impfpatenten
Deutschland und andere Länder bremsen die Bekämpfung der Corona-Pandemie ab – so lautet der Vorwurf des Chefs der UN-Entwicklungsorganisation UNDP. Er fordert eine Patent-Freigabe für Impfstoffe, die bislang von der Bundeskanzlerin abgelehnt wird.
15.12.2020, USA, Fredericksburg: Tami Jeffries bereitet auf der Intensivstation des Mary Washington Hospitals die erste lokal verfügbare Dosis des Coronavirus-Impfstoffs von Pfizer-BioNTech vor. (DPA)

Nach Einschätzung der UN-Entwicklungsorganisation UNDP bremsen Deutschland und andere Länder die Bekämpfung der Corona-Pandemie, indem sie eine Freigabe von Patenten für Impfstoffe blockieren. „Rechte an geistigem Eigentum sind ein Hindernis für eine beschleunigte Verbreitung und Produktion von Impfstoffen“, sagte UNDP-Chef Achim Steiner der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe bei Vorstößen wie jenem zur Patent-Freigabe zwar immer Bedenken, doch „Risiko ist kein Grund, jetzt nicht zu handeln“. Die Freigabe von Patenten müsse als eine von mehreren Maßnahmen in Betracht gezogen werden, um der eklatanten Ungleichheit beim Verteilen der Vakzine zu begegnen.
Deutschland hatte sich zuletzt beim G7-Gipfel in Cornwall zusammen mit Großbritannien erneut gegen die Patent-Freigabe gestemmt, die eine lizenzfreie Impfstoffproduktion in Entwicklungsländern ermöglichen könnte. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte im Mai gesagt, dass dies keine Lösung sei, um mehr Menschen Impfstoff zur Verfügung zu stellen - es bedürfe der Kreativität und der Innovationskraft von Unternehmen, der Schutz von Patenten sei eine Voraussetzung dafür.

US-Präsident Joe Biden hatte den Vorschlag einer Freigabe ins Spiel gebracht. Aus Deutschland und Großbritannien kommen mit Biontech und Astrazeneca zwei erfolgreiche Hersteller von Corona-Vakzinen. Kritiker einer Patentfreigabe weisen darauf hin, dass der Patentschutz die Bereitschaft, in Forschung zu investieren, erst fördert und Forschung ohne diesen unterbleiben würde. Zudem sichere der Patentschutz die Qualität der Präparate - eine Freigabe würde das Risiko nach sich ziehen, dass Menschen mit qualitativ minderwertigen Nachahmerprodukten geimpft werden könnten, die wirkungslos oder gefährlich sein könnten.
Der deutsche UN-Mann Steiner, der am Donnerstag seine zweite Amtszeit als Entwicklungschef und dritthöchster Diplomat bei den Vereinten Nationen antritt, nannte die einseitige Verteilung der Impfstoffe zugunsten der Industrienationen „nicht zu vertreten“. Die Staatengemeinschaft habe es vergangenes Jahr verpasst, das internationale Impfprogramm Covax mit genügend Geld auszustatten. Stattdessen seien die ärmsten Länder nun von jenen Staaten abhängig, die die Impfstoffe herstellten und zudem die Patente an ihnen besäßen. „Das ist keine gute Position für eine globale Familie und eine Gemeinschaft von Nationen“, so Steiner weiter.
Das Versprechen der Industrienationen beim G7-Gipfel, mindestens eine Milliarde Impfdosen bis Mitte 2022 bereitzustellen, sei aus Sicht der Bedürftigen nicht ausreichend. „In den Augen vieler, die in den Entwicklungsländern leben, ist es immer noch zu wenig und zu lang hin“, sagte Steiner. Allerdings empfinde er es ebenfalls als falsch, Regierungen dafür zu verurteilen, dass ihre eigenen Bevölkerungen für sie Vorrang bei der Bekämpfung der Pandemie hätten.

DPA