Steine auf Kapitol: Demonstranten in Kolumbien greifen Kongress an
Seit Tagen haben Kolumbianer zunächst gegen eine Steuerreform demonstriert, nun hat die Protestbewegung weitergehende Ziele. Zunehmend überschattet Gewalt die Kundgebungen, mindestens 24 Menschen sind bisher gestorben.
05.05.2021, Kolumbien, Bogota: Die Polizei verhaftet einen Mann während eines Anti-Regierungs-Protestes. Die Proteste, die in der Vorwoche mit Bezug auf eine geplante Steuerreform begonnen hatten, gehen trotz der Rücknahme des Vorhabens durch Präsident Ivan Duque weiter. (DPA)

Bei den Protesten in Kolumbien ist es vor allem in der Hauptstadt Bogotá wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Im Sender „Citytv“ und in einem Video der Zeitung „El Espectador“ war am Mittwoch zu sehen, wie eine Gruppe von Demonstranten die Gitter vor dem Nationalkapitol umstieß und Steine auf die Sicherheitskräfte warf, die den Sitz des Kongresses an der zentralen Plaza de Bolívar beschützen. Daraufhin setzte eine Sondereinheit der Polizei Gummigeschosse und Tränengas ein. Es war nicht klar, ob die Demonstranten in das Kapitol eindringen oder dieses beschädigen wollten.
Bis zu den Auseinandersetzungen mit der Polizei waren die Demonstrationen an verschiedenen Orten der Stadt weitgehend friedlich gewesen. Unter anderem gab das Symphonieorchester von Bogotá ein Konzert im Gedanken an die Toten bei den Protesten. Die Zeitung „El Tiempo“ berichtete unter Berufung auf die nationale Ombudsstelle von nun 24 Todesfällen während der Protesttage. Die kolumbianische Menschenrechtsorganisation „Indepaz“ zählte bis Dienstag 31 Todesfälle, 1220 Verletzte und 87 Verschwundene. Tausende Kolumbianer hatten am Mittwoch vergangener Woche ihren Protest gegen eine umstrittene, inzwischen zurückgenommene Steuerreform begonnen.
Die Demonstrationen - inklusive eines neuen Generalstreiks am Mittwoch - halten trotz des Rücktritts von Wirtschaftsminister Alberto Carrasquilla an. Sie beinhalten nun weitergehende politische und soziale Ziele wie den Widerstand gegen eine ebenfalls geplante Gesundheitsreform und den Einsatz für den brüchig gewordenen Friedensprozess zwischen der Regierung und linksextremen Guerillas. Die Proteste werden jedoch immer wieder von Gewalt überschattet, wobei besonders Cali am Montag stark betroffen war. Die Interamerikanische Menschenrechtsorganisation warf den Sicherheitskräften am Mittwoch „exzessiven Gewalteinsatz“ vor.
In Bogotá waren in der Nacht auf Mittwoch mindestens 46 Menschen, 30 Zivilisten und 16 Polizisten verletzt worden. Es kam zu Zusammenstößen zwischen einer Sondereinheit der Polizei und Demonstranten. Zudem wurden auch 25 Polizeistationen angegriffen und teilweise angezündet. Auch aus anderen wichtigen Städten Kolumbiens wie Medellín und Cali wurden in der Nacht des siebten Protesttages Gewalt, Zerstörung und Chaos gemeldet. Der konservative Präsident Iván Duque sprach von „Vandalismus“ und „urbanem Terrorismus“, der den „Mafias des Drogenhandels“ zuzuschreiben sei.

DPA