Bei erneuten Protesten gegen Polizeigewalt gegen Schwarze ist in der US-Stadt Kenosha (Wisconsin) scharf geschossen worden. Dabei sei ein Mensch getötet worden, berichtete die „New York Times“ in der Nacht zum Mittwoch unter Berufung auf den Sheriff David Beth. Mindestens zwei weitere Menschen seien angeschossen worden. Es werde untersucht, ob dahinter ein Konflikt zwischen Demonstranten und einer Gruppe bewaffneter Männer stehe, die behaupteten, sie würden Geschäfte schützen, hieß es. Die „Washington Post“ berichtete, es seien mindestens drei Menschen angeschossen worden; deren Zustand sei aber noch unklar.
Auslöser der Proteste war ein Vorfall am Sonntag, bei dem Polizisten dem 29-jährigen Afroamerikaner Jacob Blake in Kenosha in den Rücken geschossen hatten. Auf einem Video ist zu sehen, wie der Familienvater zu seinem Auto geht, gefolgt von zwei Polizisten mit gezückten Waffen. Eine der Waffen ist auf seinen Rücken gerichtet. Als Blake die Fahrertür öffnet und sich ins Auto beugt, fallen die Schüsse. Nach Angaben des Anwalts der Familie, Ben Crump, saßen in dem Auto Blakes Kinder im Alter von drei, fünf und acht Jahren.
Nach Ausschreitungen: Notstand ausgerufen
In den USA sehen viele den Einsatz gegen Blake als das jüngste Beispiel für Rassismus und Polizeigewalt im Land. In Kenosha brannten nach dem Vorfall zwei Nächte in Folge Gebäude und Autos. Der Gouverneur von Wisconsin, der Demokrat Tony Evers, hatte am Dienstag nach den Ausschreitungen den Notstand ausgerufen und eine verstärkte Präsenz der Nationalgarde in der Stadt angeordnet. Trotz einer nächtlichen Ausgangssperre kam es aber auch in der Nacht zu Mittwoch zu chaotischen Szenen. Demonstranten warfen in der Nähe eines Gerichtsgebäudes Feuerwerkskörper, Flaschen und andere Gegenstände auf Polizisten, die Tränengas und Gummigeschosse einsetzten.
Gouverneur Evers steht unter verstärktem Druck aus Washington, die Situation unter Kontrolle zu bringen. „Vergangene Nacht war es nicht genug“, sagte der amtierende Vize-Heimatschutzminister Ken Cuccinelli dem TV-Sender Fox News am Mittwoch. „Ich stelle infrage, ob er genug unternimmt - und ausreichend schnell.“ Ungeachtet der Tatsache, dass die Nationalgarde bereits im Einsatz ist, verlangte Präsident Donald Trump, sie auf die Straßen zu bringen. „Beenden Sie das Problem schnell!“, forderte er Evers in einem Tweet auf. Der Gouverneur warnte die Demonstranten, dass es eine Grenze zwischen friedlichem Protest und Ausschreitungen gebe, die Familien und Geschäfte gefährdeten.
Blake von der Hüfte abwärts gelähmt
Blake ist nun nach Angaben der Familie von der Hüfte abwärts gelähmt. Einige Kugeln hätten die Wirbelsäule getroffen. „Es wird ein Wunder brauchen, damit er wieder laufen kann“, sagte Anwalt Crumb. Blake haben auch Verletzungen in der Bauch-, Nieren und Leber-Region und ihm seien große Teile des Dickdarms und des Dünndarms entfernt worden, sagte der Anwalt Patrick Salvi.
„Er schoss sieben Mal auf meinen Sohn. Sieben Mal!“, sagte Jacob Blake Senior. „Als wäre er nichts wert. Aber er ist ein Menschen und er ist etwas wert.“ Mutter Julia Jackson sagte unter Tränen, ihr Sohn wäre gegen die Gewalt, wenn er davon wüsste. „Wir brauchen Heilung.“ Harte Worte kamen von Blakes Schwester Letetra Widman: „Ich bin nicht traurig. Ich bin wütend und erschöpft. Ich habe nicht geweint. Ich habe vor Jahren aufgehört, zu weinen. Ich sehe seit Jahren, wie die Polizei Menschen, die wie ich aussehen, ermordet.“ Sie wolle kein Mitleid: „Ich will Wandel.“
Blakes Mutter forderte mit ergreifenden Worten das Ende von Rassismus in den USA. „Ich wende mich an alle, egal ob weiß, schwarz, japanisch, rot, braun. Niemand ist dem anderen überlegen“, sagte Julia Jackson am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Kenosha. Sie sprach sich gegen gewaltsame Proteste aus.
In den USA hatte der Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis (Minnesota) Ende Mai landesweite Proteste ausgelöst. Die Debatte spielt auch im US-Wahlkampf eine zentrale Rolle. Die Republikanische Partei nahm Blake in das Gebet zum Auftakt des zweiten Tags ihres Parteitags auf.